Hiendorf
Natürlich zum Erfolg

Der Ingolstädter Martin Binder ist Deutscher Meister im Natural Bodybuilding – und neuerdings Familienmensch

27.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:29 Uhr

Wettkampfpose: Dieser durchtrainierte Körper brachte Martin Binder in Wiesloch den Deutschen Meistertitel. Doch auch die Familie um seine beiden Töchter Leni (unten, links) und Marie kommt nicht zu kurz - Foto: Konstandin

Hiendorf/Ingolstadt (DK) Bodybuilding gilt seit jeher als dopingverseuchte Sportart. Seit einigen Jahren hat sich innerhalb der Szene jedoch eine Gegenbewegung herausgebildet: das sogenannte Natural Bodybuilding. Der gebürtige Ingolstädter Martin Binder errang in diesem Jahr den deutschen Meistertitel.

„Einfach fit sein und ein bisschen besser ausschauen. Und natürlich auch beim anderen Geschlecht punkten.“ Als Binder sich mit einem Kumpel vor 17 Jahren erstmals in einem Fitnessstudio anmeldete, trieb ihn die gleiche Motivation, die derzeit über neun Millionen Deutsche bundesweit in Kursen und an den Geräten schwitzen lässt.

Was aus einer Teenagerlaune heraus begann, bestimmt heute Binders Leben zu großen Teilen. Der 34-Jährige ist Natural Bodybuilder, das bedeutet: Binder trainiert seinen Körper und seine Muskeln auf natürlicher Basis – und ohne Doping. Der im Mindelstettener Ortsteil Hiendorf sesshaft gewordene Ingolstädter nimmt regelmäßig an Wettkämpfen der German Natural Bodybuilding & Fitness Federation (GNBF) teil. Der im Jahr 2003 gegründete Verband hat sich den ursprünglichen Elementen des Bodybuildings verschrieben: Training, Ernährung und positives Denken.

Wer an den Wettkämpfen teilnimmt, muss schriftlich versichern, nicht gegen die Anti-Doping-Regeln des Verbands zu verstoßen. Eine detaillierte und ständig aktualisierte Liste hat die GNBF auf ihrer Website veröffentlicht. Für Binder ist Doping „überhaupt kein Thema“. Der 34-Jährige, der hauptberuflich als Offset-Drucker in einem Gaimersheimer Unternehmen arbeitet und auch Personal Training anbietet, verzichtet sogar auf sogenannte Supplements, also Präprate und Nahrungsergänzungsmittel, die nicht verboten sind. „Es kommt vielleicht hin und wieder vor, dass ich ein Eiweiß-Shake trinke. Allerdings kann ich denselben Effekt auch mit einem Stück Fleisch oder Fisch erzielen. Warum sollte ich mir also mit irgendwelchem Pulver etwas anrühren“

Natürlich weiß Binder aber auch, dass selbst im Breitensport mit verbotenen Substanzen gehandelt und experimentiert wird. „Das ist völlig hirnrissig. Da werden völlig falsche Vorstellungen vermittelt. Junge Leute sehen einen muskelbepackten Mann auf einem Magazincover und wollen dann möglichst schnell genauso aussehen. Dabei blenden sie aus, dass der Kerl auf dem Titel vielleicht zehn, 15 Jahre trainieren musste, um diese Form zu erreichen.“ Einen möglichst perfekten Körper zu formen, braucht laut Binder viel Zeit. „Ich habe in den vergangenen zwei Jahren vielleicht ein halbes Kilogramm Muskelmasse zugelegt. Das ist vielen Sportlern für diesen langen Zeitraum zu wenig, weswegen sie dann zur Chemie greifen.“

Dass seinem Sport nach wie vor ein schlechter Ruf vorauseilt, ist dem Ingolstädter bewusst. „Bei Wettkämpfen außerhalb der GNBF sind viele natürlich voll bis obenhin. Aber da weiß auch jeder Athlet vom anderen, was läuft.“ Das Bodybuilding sei auch deshalb so in Verruf geraten, weil die Auswüchse des Dopings so deutlich sichtbar seien. „Im Boxen, in der Leichtathletik, im Radsport und auch im Fußball siehst du es den Sportlern eben nicht so schnell an.“

Der 34-Jährige hat sich dem natürlichen Training verschrieben. „Ich habe früh gemerkt, dass ich eine ganz gute Genetik habe.“ Damit meint Binder die günstigen Muskelansätze und Ausformungen. Denn im Bodybuilding bewerten die Juroren vor allem die Symmetrie und Definition des Athleten. Ohne Plackerei an den Hanteln und Geräten geht es freilich nicht. „Ich trainiere hart und ernähre mich sehr bewusst. In der Wettkampfvorbereitung ist das manchmal eine ziemliche Qual, weil ich auf vieles verzichten muss. Und würdest du einmal durch den McDrive fahren, wäre die Form sofort dahin.“ Andererseits bedeute natürliches Bodybuilding nicht automatisch völlige Enthaltsamkeit. „Wenn ich mich nicht gerade auf einen Wettkampf vorbereite, trinke ich mit den Kumpels natürlich ein paar Bierchen oder mit der Frau ein Glas Wein.“

Das war bis vor wenigen Wochen allerdings noch ein Tabu. Am 7. November startete Binder bei der Deutschen Meisterschaft im baden-württembergischen Wiesloch – und holte nach einem zweiten Platz im Jahr 2013 erstmals den Titel im Leichtgewicht. „Ein riesiger Erfolg“, meint der 34-Jährige. Binder setzte sich gegen 23 Athleten durch.

Eine Woche später trat der Ingolstädter bei der WM in Barcelona an. „Am Abend vor dem Abflug erfuhren wir, dass unser Flieger aufgrund der Lufthansa-Streiks gestrichen wird. Also haben wir uns ins Auto gehockt und sind runtergefahren.“ 17 Stunden dauerte die Reise. Am Ende kam Binder in einem Klassefeld auf einen starken siebten Platz.

„Es war eine super Erfahrung. Und natürlich will ich irgendwann noch einmal ein besseres Resultat erzielen.“ Binder widmet seine jüngsten Erfolge seinem ehemaligen Ingolstädter Trainer Robert Ibler, der zwei Monate nach Binders Vize-Titel bei den Deutschen Meisterschaften 2013 überraschend verstarb. „Er war ein großartiger Mensch dem ich so viel zu verdanken habe. Ohne ihn hätte ich wohl nie auf einer Wettkampfbühne gestanden oder wäre gar Deutscher Meister geworden.“ Begleitet wird der 34-Jährige zu den Wettkämpfen heute von seinen Eltern und seinem Bruder. „Sie unterstützen mich wirklich unglaublich.“

Binders Ehefrau Diana sieht die sportlichen Höhenflüge ihres Mannes allerdings etwas weniger euphorisch. „Ich glaube, sie hätte lieber einen typischen Papa mit kleinem Bauchansatz“, scherzt Binder. Vor sieben Monaten kam Tochter Marie zur Welt, die gemeinsam mit ihrem zweijährigen Schwesterchen Leni die jungen Eltern auf Trab hält. Vor einigen Jahren haben die Binders im Mindelstettener Ortsteil Hiendorf ein Haus gebaut – inklusive eines eigenen Kellerstudios mit zahlreichen Geräten. Allerdings will sich Binder in den kommenden beiden Jahren vornehmlich um die Familie kümmern und erst im Jahr 2018 wieder bei Wettkämpfen angreifen.

„Im Bodybuilding erreichst du deine Höchstphase ohnehin erst mit Ende 30 oder Anfang 40, weil die Muskeln dann vollständig ausgereift sind.“ Zufrieden mit sich werde der 34-Jährige aber nie sein. „Gerade im Bodybuilding brauchst du immer ein Ziel, auf welches du hinarbeitest. Sonst wird das nichts.“