Ingolstadt
"Nach einem Jahr lichten sich die Nebel schon etwas"

Wie Stadtkämmerer Albert Wittmann die Folgen des VW-Abgasskandals für die Stadt aus heutiger Sicht einschätzt

30.11.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr
Bürgermeister Albert Wittmann −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Er ist bereits seit 2002 für die städtischen Finanzen verantwortlich und neben dem Oberbürgermeister der mächtigste Mann der Stadtregierung. Albert Wittmann (64) hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass er 2020 seinem Nachfolger eine schuldenfreie Stadt übergibt.

Herr Wittmann, wir haben jetzt das Jahr eins nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals. Müssen Sie im Haushalt immer noch auf Sicht fahren?

Albert Wittmann: Man könnte durchaus wiederholen, dass wir auf Sicht fahren müssen. Zumindest müssen wir sehr vorsichtig sein, weil wir die Entwicklung, die jetzt schwerpunktmäßig zu Audi rübergeschwappt ist, letztendlich noch nicht abschätzen können. Man konnte ja aus den Medien entnehmen, dass man die VW-Abgaskrise in den USA - das ist eigentlich das Kernthema - relativ in den Griff bekommen hat oder bis 2018/19 in den Griff bekommt. Das wäre für uns sehr erfreulich, weil wir bisher gesagt haben, das geht möglicherweise bis 2020 oder darüber hinaus. Das würde sich natürlich auch auf die Gewerbesteuer auswirken.

 

Was hätte es denn für Folgen, wenn sich die Abgasaffäre, wie Sie andeuten, mehr zu Audi verlagern würde?

Wittmann: Der Unterschied ist der, dass sich die Krise von Audi durch die Konsolidierung im Konzern nur indirekt auf die Gewerbesteuer auswirken würde. Aber wenn VW auf der anderen Seite das Thema im Griff hätte, wenn man abschätzen könnte, dass auch wieder Gewinne und Gewerbeerträge eingefahren werden, würden wir auch wieder Gewerbesteuer bekommen. Wenn die Audi-Krise sich verschärfen sollte, geht es nicht in erster Linie um die Gewerbesteuer, sondern um die Produktion, um den Output. Eventuell kommt die Diskussion wieder hoch um eine Nachtschicht. Den jetzigen Kompromiss kann man nur begrüßen. Möglicherweise kann es so weit kommen, dass wir es am Anteil der Einkommenssteuer spüren, ein Thema, das nicht die Stadt allein, sondern die ganze Region betrifft.

Sie haben bei den Beratungen schon mehrfach die Audi-Zulieferer erwähnt. Wo sehen Sie hier ein Problem?

Wittmann: Wenn ich jetzt unterstellen würde, dass die Produktionsleistung geringer ist, als vor einem Jahr geplant war, würde das natürlich bedeuten, dass die Zulieferer auch ihre Teile entsprechend reduzieren müssten. Das könnte bei einigen Konsequenzen haben, was die Gewerbeerträge anbelangt, und möglicherweise mit einer Reduzierung der Vorauszahlungen einhergehen. Das lässt sich momentan nur ganz, ganz schwer abschätzen. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass dieses Risiko besteht. Deswegen schlage ich auch als reine Vorsichtsmaßnahme dem Stadtrat vor, die Haushaltssperre von 10 auf 15 Prozent zu erhöhen. Aber noch mal: Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Das heißt nicht, dass im nächsten Jahr automatisch diese 15 Prozent eingezogen werden. Es gilt ohnehin nur in Teilbereichen, wo wir nicht gesetzlich oder durch Verträge und Beschlüsse Zahlungen leisten müssen. Um noch einmal auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Auf Sicht fahren heißt auch, dass sich heute nach einem Jahr die Nebel schon etwas lichten. Ich möchte die Krise nicht kleinreden. Wir leiden stark darunter, könnten es aber mit unseren Rücklagen verkraften, wenn wir 2018/19 über das Schlimmste hinweg wären. Wenn die Gewerbesteuerzahlungen ab 2019 mäßig wieder fließen würden, könnten wir damit gut leben.

 

Der Stadtrat beschließt heute sicher die Planung des Kongresshotels. Fertigstellung soll 2020 sein. Dann würde der neue Kongresssaal zur Verfügung stehen, und der Generalsanierung des vorübergehend geschlossenen Stadttheaters dürfte nichts mehr im Wege stehen.

Wittmann: Jein, weil zur Schließung des Theaters über eine längere Zeit nach den Planungen des Kulturreferenten mit dem Intendanten auch die Ersatzspielstätte/Kammerspiele notwendig wären. Wir fangen aber bereits im nächsten, spätestens übernächsten Jahr mit den ersten Abschnitten der Theatersanierung an, und zwar im Bereich Restaurant und Küche. Es wird dann in weiteren Abschnitten nach 2020 meines Erachtens relativ zügig gehen. Wann das Theater zugemacht werden kann, diese Frage kann ich nicht beantworten. Da muss man erst mal klären: Kann man die Ersatzspielstätte an dem Ort bauen (neben dem Theater, d. Red.), wie groß wird sie, wann wird sie fertig? Den Festsaal - insofern haben Sie recht - kann ich ersetzen durch das Kongresszentrum.

 

Bei einer anderen Baustelle, dem Kunstmuseum an der Gießereihalle, hatte eine Firma offenbar größere technische Probleme. Ist das Projekt gefährdet?

Wittmann: Eine Firma hatte wohl bei den Stahlkonstruktionen Schwierigkeiten, weil die Schweißnähte durch den TÜV nicht abgenommen wurden. Da hat man meines Erachtens mit der Firma einen Schlussstrich gezogen und wird neu ausschreiben. Zu großen Verzögerungen wird es bei diesem Teilbauabschnitt nicht kommen. Das Projekt ist dadurch überhaupt nicht gefährdet, weil es ja nur ein kleiner Teilbereich ist. Momentan muss man davon ausgehen, dass die echten Baumaßnahmen, bei denen man in den Boden reingeht und den Museumskeller vorbereitet, nächstes Jahr im zweiten Quartal beginnen.

 

Die Fragen stellte

Reimund Herbst.