Ingolstadt
Nach 47 Jahren Überstunden abfeiern

09.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:52 Uhr

Ingolstadt (DK) Heckmeier. Erich Heckmeier. Meier wie die Eier. Wie sonst. "Nomen est Omen", wie die alten Lateiner sagen. Denn Erich Heckmeier verkauft Eier. Auf dem Ingolstädter Wochenmarkt. Hat Eier verkauft, muss es eigentlich richtig heißen. Das hat er fast sein ganzes Leben lang gemacht.

Eigentlich tut er es gerade noch. Aber nicht mehr lange. Am Samstag, 31. Juli, wird er zum letzten Mal an seinem Stand auf dem Platz vor dem Theater stehen. Doch Erich Heckmeier hat einen Nachfolger gefunden. An dessen Stand an gleicher Stelle mit dem nahezu gleichen Warenangebot wird man Heckmeier dann noch mal vier Wochen antreffen. "Um den Neuen bei der alten Kundschaft einzuführen", sagt er. Mit einem lachenden Auge. Und mit einem weinenden.

Ein weinendes Auge markiert auch eine Stammkundin. Es ist Hilde Inderst die gerade ihren wöchentlichen Einkauf macht. Ist geradezu entsetzt: "Und wo krieg’ ich künftig meine Eier her", fragt sie. Sagt gleich darauf: "Jetzt steh ich da!" Weil sie auch viel Geflügel bei Erich Heckmeier gekauft hat. Der bemüht ist, zu beruhigen: "Es geht ja weiter!"

Natürlich werde auch er all das vermissen, gibt Heckmeier zu: den Wochenmarkt, die Kunden, die Hühner, die Eier. Und es fällt ihm immer noch mehr ein. Die beiden Marktstandkassiererinnen, von denen heute Karin Glosser an der Reihe ist. Und die es ebenfalls sehr bedauert, dass ein vertrautes Gesicht vom Wochenmarkt verschwindet. Die Kinder werden ihn vermissen, den freundlichen Herrn Heckmeier, der hinter seinen Eierkartons immer ein paar Lutscher für die kleinen Marktbesucher bereit gehalten hat.

In all den vielen Jahren hat man sich kennengelernt. Man weiß viel voneinander. Erzählt sich was. "Ja, 47 Jahre sind eine lange Zeit", meint Heckmeier, als gerade ein anderer Stammkunde kommt. Der sagt: "Braun, groß, sechs", was sich, wenn man es entsprechend ausspricht, fast ein bisschen anzüglich anhört. Sich in Wirklichkeit aber als harmloser Scherz erweist und nichts anderes bedeutet, als die Bestellung eines Kartons mit sechs großen, braunen Eiern. Da schmunzeln sie die beiden Männer. Dann will der eine vom anderen aber doch ganz genau wissen, warum er denn aufhöre.

"47 Jahre sind einfach genug", sagt Heckmeier. In Wirklichkeit aber sind es vor allem gesundheitliche Gründe, die ihn dazu zwingen würden, aufzuhören. Gern tue er das nicht, sagt er. Und man merkt es ihm an, wenn er davon erzählt, dass bereits am 29. Juli zu Hause in Obermaxfeld "alles wegkommt". Die ganzen Hühner, bis auf 15 für den Eigenbedarf. Heckmeier würde niemals zugeben, dass ihm das Herz dabei blutet. Aber er kann kein Geheimnis daraus machen, wenn er davon spricht, wie "nett" seine Kunden immer waren. Denen er alle für ihr Vertrauen dankt. Über all die Jahrzehnte. Das Geschäft nämlich hat er bereits von seiner Mutter übernommen. Und es sei nicht immer einfach gewesen. "Denn früher", erinnert er sich, "war halt alles auch ein bisschen anders". Denkt dabei etwa auch zurück an Zeiten, als sie noch mit dem Bulldog von Obermaxfeld nach Ingolstadt gefahren sind. "Der Bulldog schaffte gerade einmal 20 Kilometer in der Stunde", erzählt Heckmeier. Und rechnet weiter: "20 Kilometer pro Stunde, macht bei einer Entfernung von 22 Kilometern zwischen Obermaxfeld und Ingolstadt eine gute Stunde." Und damals hätten die Traktoren noch anders ausgesehen als heute: "Kein Dach. Keine Verkleidung. Keine Heizung." Da mussten die Eier in extrem kalten Wintern schon gut temperiert werden über Nacht, damit sie auf dem Markt nicht aufgefroren seien. Erst viel später hätten sie dann das erste Auto bekommen. Einen Janus von Zündapp. Ein Unikum von einem Fahrzeug, das von hinten und vorne absolut gleich ausgesehen habe. Den man wegen seiner nur 250 Kubikzentimeter Hubraum aber auch mit dem Mopedführerschein fahren durfte. Und mit dem man aber auch die Eier und das Geflügel vom eigenen Hof im Donaumoos schon relativ komfortabel nach Ingolstadt bringen konnte.

Wo mitunter auch manche Überraschung auf die Beschicker des Wochenmarktes wartete. Erich Heckmeier denkt dabei etwa zurück an 1985, als ein schlimmes Unwetter über den Wochenmarkt zog. Alles einschneite. Und der Marktschirm an seinem Stand "nur noch in tausend Fetzen dahing".

Längst vorbei. Vergangenheit. Darüber nachzudenken, hat Erich Heckmeier im Ruhestand genug Zeit. Und überhaupt, was wird er denn so machen in den Jahren nach seiner aktiven Zeit? Da lacht er und sagt: "Als erstes einmal Überstunden abfeiern." Fügt noch hinzu, dass er in all den vielen Jahren keinen einzigen Tag Urlaub gehabt habe.

"Aber jetzt!", sagt er. Dabei hört es sich nicht gerade an wie der spontane Entschluss zu einer Weltreise. Eher schon so wie: "Schauen wir mal!"