Riedenburg
Mutprobe im Klassenzimmer

Grund- und Mittelschule Riedenburg nimmt an Projekt zur Förderung der Zivilcourage teil

20.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:53 Uhr

Die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und der Gemeinschaft steht im Mittelpunkt dieses Spiels, das die Klasse 4b der Grund- und Mittelschule Riedenburg im Zuge des Gewaltpräventionsprojekts "Pack ma's" wagt. Unter Anleitung der Lehrerinnen Elke Erdl (v.r.) und Birgit Hafner lässt sich die Schülerin Marietheres rückwärts in die ausgestreckten Arme ihrer Mitschüler fallen. - Foto: Rast

Riedenburg (rat) An einem Projekt zur Verhinderung von Gewalt an Schulen und zur Förderung der Zivilcourage haben die Kinder der Klasse 4b an der Grundschule Riedenburg teilgenommen. Der Nachwuchs war mit Feuereifer bei der Sache.

Es ist eine Mutprobe der besonderen Art. Marietheres Müller steht auf einem Tisch und soll sich rückwärts in die ausgestreckten Arme ihrer Mitschüler fallen lassen. Sie muss Vertrauen aufbauen in die Fähigkeit und den Willen ihrer Klassenkameraden, sie aufzufangen. Neben dem Tisch knien die Kinder ganz eng und Schulter an Schulter nebeneinander. "Mach Dich steif wie ein Brett und lass Dich langsam fallen", kommandiert die Klassleiterin Elke Erdl. Sie und ihre Kollegin Birgit Hafner stehen ganz nahe an der Gruppe und passen auf, dass nichts passiert. Marietheres konzentriert sich, überwindet sich und lässt sich schließlich nach hinten wegkippen. Sie landet in den Armen ihrer Mitschüler und der Jubel ist groß. Sofort wird lautstark die Wiederholung des Experiments eingefordert.

Lehrreich ist die Aktion für alle. Marietheres musste ihren Mut zusammennehmen und die Fänger erkennen, was man im Team zu leisten vermag. Die Stärkung der Gemeinschaft und des gegenseitigen Vertrauens ist eines der Schlüsselziele des Projekts "Pack ma's", mit dessen Hilfe Kinder und Jugendliche soziales und couragiertes Verhalten erlernen. Die Kinder erfahren, was eine gut funktionierende Gemeinschaft vermag, in der jeder den anderen achtet und in der ein fairer Umgang herrscht.

"Das ist ein ganz wichtiges Projekt", betont Schulleiter Norbert Nadler. Denn Konflikte würden unausweichlich zum Leben gehören, entscheidend sei jedoch "der richtige Umgang" damit. Es gelte, mit Blick auf die jeweilige Person angemessen zu handeln. "Die Schule müsse auch lehren, Dinge gemeinsam und nicht gegeneinander voranzubringen", sagt Nadler.

Das Projekt "Pack ma's" wurde von zwei Münchner Polizisten für die Jahrgangsstufen drei bis sechs entwickelt. Elke Erdl und Birgit Hafner wurden eigens ein Wochenende lang geschult, um nun als Multiplikatorinnen an der Grund- und Mittelschule Riedenburg tätig zu sein. "Es macht den Kindern großen Spaß", hat Elke Erdl festgestellt. "Sie verlieren bei den Spielen ihre Hemmungen und lassen sich auf alles ein."

Auch wenn an den Riedenburger Schulen brutale körperliche Gewalt, im Gegensatz zu Bildungseinrichtungen an sozialen Brennpunkten in manchen Großstädten, kein Thema ist, so verlaufen die Grenzen dennoch fließend. Schon eine vom Kopf gerissene Mütze, die unerreichbar für den Träger von den Kindern hin- und hergeworfen wird, sei eine Demütigung, erläutert Erdl. Sie nennt in diesem Zusammenhang auch den ungewollten Körperkontakt in einem überfüllten Schulbus. Mobbing und Ausgrenzung, sei es bewusst oder durch Unaufmerksamkeit, gebe es überall. "Gewalt kann sehr unterschiedliche Ausprägungen haben", weiß die Lehrerin.

Auch dieser Erkenntnis nähern sich die Kinder spielerisch. Auf einer Skala von zehn bis 90 müssen sie den Grad der Gewalt festlegen, der verschiedenen Aktionen innewohnt: eine verbale Beleidigung, ein gefoulter Fußballspieler, ein eingeworfenes Fenster, ein Überfall auf eine Bank, ein Boxkampf, eine verschmierte Parkbank oder eine mutwillig verkratzte Autotüre. Die jungen Teilnehmer debattieren unter der Moderation ihrer Lehrerinnen eifrig und sind sich oft uneins in ihren Einschätzungen. Am Ende haben sie erkannt, welche unterschiedlichen Definitionen und Arten von Gewalt es gibt.

Dabei lernen sie nicht nur zu argumentieren und zu ihren Überzeugungen zu stehen. Auch das Verhalten zum Beispiel bei einer Schlägerei wird erörtert. Wie verhält man sich in einer derartigen Gefahrensituation und wie kann man eventuell sogar zur Konfliktbewältigung aktiv beitragen? "Was wir den Kindern in diesem Projekt beibringen, ist nicht nur in der Schule anwendbar", erklärt die Lehrerin Elke Erdl.