Kelheim
"Muss man jeder Modeerscheinung nachjagen"

10.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:14 Uhr

Großes Interesse: Rund 200 Zuhörer fanden sich im Kelheimer Landratsamt ein, um die Ausführungen von Umweltministerin Ulrike Scharf zu hören.

Kelheim (DK) Lange haben die Menschen im Landkreis Kelheim darauf gewartet, nun hat Umweltministerin Ulrike Scharf den Weg in die Region gefunden, um die Öffentlichkeit erstmals persönlich über den geplanten dritten Nationalpark zu informieren. Ohne die Bürger gehe es nicht, betonte die CSU-Politikerin.

Um die richtige Entscheidung zu treffen, ist der Dialog das A und O. "Es ist wichtig, dass wir miteinander reden. Und es ist schön, dass unsere Umweltministerin Ulrike Scharf heute gekommen ist", schickt Martin Neumeyer vorweg. Der Kelheimer Landrat und CSU-Politiker betont, dass diese Aufschlagveranstaltung, wie er die Zusammenkunft im großen Sitzungssaal des Landratsamts nennt, auf Initiative des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz zustande gekommen ist. Der einzige Tagesordnungspunkt, über den die Kreisräte in dieser für die Öffentlichkeit zugänglichen Sitzung diskutieren: der geplante dritte Nationalpark für Bayern. Die Stimmung: erwartungsschwanger.

Seitens des Landrats gibt es zu Beginn Lob für seine Parteikollegin. "Wenn die Ministerin höchstpersönlich unterwegs ist, kann es sich nur um ein wichtiges Thema handeln", stellt er klar. Und kommt prompt auf den Punkt: "Warum", will er wissen. Warum ein dritter Nationalpark? Wo? Und wie soll er aussehen? Die Ministerin versucht an diesem Nachmittag, Antworten zu geben. Bis ins kleinste Detail ausgefeilte Aussagen kann sie allerdings nicht treffen. Ihr sei bewusst, dass es darum immer wieder Kritik hagle. "Das finde ich erstaunlich, denn uns geht es darum, offen zu sein", erklärt sie. Transparenz sei hier das Stichwort. Ein Prozess ohne vorgefertigtes Ergebnis. "Wir wollen ein Angebot machen, gemeinsam ein Konzept entwickeln und niemandem etwas aufzwingen. Ohne die Menschen der betreffenden Region geht es nicht", betont sie ein ums andere Mal.

Warum also ein dritter Nationalpark? Ulrike Scharf führt in diesem Zusammenhang mehrere Argumente an. Zum einen sieht sie es als klaren politischen Auftrag an, den grünen Reichtum des Freistaats über Generationen hinweg zu erhalten. Des Weiteren könne die Lebensqualität, die damit einhergehe, die Menschen in der derzeitigen Lage nur bereichern. Denn: "So gut aufgestellt wie jetzt war Bayern noch nie." Prosperierende Wirtschaft, Vollbeschäftigung, Wohlstand. Die beste Ausgangslage also. "Bayern als Gesamtpaket stimmt. Diese Gestaltungskraft müssen wir nutzen", wirbt die Umweltministerin für ihre Idee.

Schon im Juli 2016 startete die Suche nach einem geeigneten Gebiet für die Schaffung eines dritten Nationalparks. Am 18. Juli dieses Jahres nun zog das Kabinett eine Zwischenbilanz. Von den vier ursprünglich zu prüfenden Regionen blieben zwei übrig: die Rhön und die Donauauen. Im letzteren Fall erstreckt sich die Gebietskulisse über die Auenbereiche zwischen Neuburg und Ingolstadt die Donau entlang bis nach Kelheim. Die Einbeziehung der Isarauen bei Freising wird als mögliche Ergänzung diskutiert.

Dem Landkreis Kelheim, in dem das östliche Ende der Gebietskulisse liegen würde, bescheinigt Scharf eine einmalige Natur: "Wir diskutieren hier auf einer Grundlage, um die Sie andere Regionen beneiden." Die freifließende Donau, hochwertige Wälder, die Begeisterung der Ministerin ist groß. Und damit sei sie nicht alleine. "Nicht umsonst hat König Ludwig I. die Weltenburger Enge schon 1840 zum Naturdenkmal erhoben", argumentiert sie. Und: "Die Leute wollen eine intakte und unberührte Natur. Je wilder, desto besser." Einer repräsentativen Umfrage ihres Ministeriums zufolge sind 85 Prozent der Befragten für einen dritten Nationalpark. Unter den 200 Besuchern, die den Ausführungen der CSU-Politikerin bis hierhin still zugehört haben, bricht sich angesichts dieser Zahl ein unüberhörbares Raunen Bahn. "Ich merke schon, hier sitzen die anderen 15 Prozent", versucht Scharf die Situation aufzufangen.

Enteignungen wird es nicht geben. Die Menschen werden nicht aus dem Schutzgebiet ausgeschlossen. Auch die Jagd wird nicht ausgesperrt, Fischereirechte bleiben bestehen. Und auch das Erlebnis der Natur vom Wasser aus bleibe selbstverständlich erhalten, betont Scharf. Doch auch 100 neue Arbeitsplätze und zehn Millionen Euro Jahresbudget stimmen den Großteil der Kreisräte dennoch nicht unbedingt gnädig. Immer wieder fragen die Politiker nach dem Mehrwert eines dritten Nationalparks für ihre Heimat. Denn allein eine Steigerung des Besucheraufkommens sei zu wenig, an Tourismus mangle es ohnehin nicht. "Ich habe mit einigen Gastronomen geredet. Während der Saison sind sie jetzt schon voll ausgelastet", sagt Neumeyer - der sich dennoch noch nicht für oder wider einen Nationalpark aussprechen will. "Ich brauche noch mehr Material."

Josef Hofmeister (CSU) dagegen findet deutliche Worte. "Muss man denn jeder Modeerscheinung nachjagen", fragt er sich mit Blick auf das von Scharf angeführte "ursprüngliche Naturerlebnis". Vor 50 Jahren habe man begonnen, Naturlandschaften zu kultivieren. "Drehen wir diese Entwicklung nun wieder um" Gegen diesen Vorwurf wehrt sich Scharf vehement. Sie verweist noch einmal auf die ihrer Meinung nach einmalige Chance, die sich dem Freistaat aktuell biete. Riedenburgs Bürgermeister Siegfried Lösch (CSU) hat in diesem Zusammenhang eine ganz eigene Erklärung, warum das Umweltministerium das Vorhaben so dringlich forciert: "Mir scheint, der Freistaat will hier Wiedergutmachung für die dritte Startbahn in München und das Riedberger Horn leisten", sagt er.

Ob des eingeschränkten Zeitrahmens der Zusammenkunft gelingt es an diesem Freitagnachmittag nicht, alle Fragen anzuhören und umfassend zu beantworten. Ulrike Scharf verweist auf den Fragenkatalog unter www.np3.bayern.de. Und versichert: "Solange es Gesprächsbedarf gibt, werde ich gerne noch einmal kommen."