Eichstätt
"Muslimische Migranten wurden migrierte Muslime"

Wirkungszusammenhänge aufdecken: Zum Wintervortrag der Hamburger Professorin Alexa Färber über den "Islam in der Stadt"

07.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:31 Uhr

Eichstätt (EK) In deutschen Großstädten tritt „die sprichwörtliche Hinterhofmoschee aus ihrem Schattendasein heraus auf die sichtbare Seite der Stadtlandschaft“: Diese Erkenntnis vermittelte die Hamburger Professorin Alexa Färber in ihrem Wintervortrag über das Thema „Islam in der Stadt – urbaner Islam“.

Die Referentin ist Mitarbeiterin in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingerichteten Forschungsprojekt „Urbane Kultur und ethnische Repräsentation“ an der Humboldt-Universität zu Berlin und beschäftigt sich an der staatlichen „Hafen City-Universität“ Hamburg mit „Stadtanthropologie“ und „Stadtethnologie“.

In ihren Studien geht es Färber um die Wirkungszusammenhänge zwischen Stadt und Religion, oder genauer: zwischen städtischen Lebensformen und religiöser Praxis. Denn den bisherigen Ansatz vieler Disziplinen, „Säkularität als passende Folie für Urbanität“ zu sehen, hält Alexa Färber nicht mehr für geeignet.

Bislang habe man Muslime vor allem als Migranten wahrgenommen, ihre religiöse Praxis betrachtete man dagegen als nebensächlich. Vielmehr stand die Frage nach der Integration in den Arbeitsmarkt in den 1970er bis 1980er Jahren im weiteren Zentrum des Interesses; seit 2001 geht es im Zusammenhang mit Muslimen auch um Sicherheitsaspekte – „aus muslimischen Migranten wurden migrierte Muslime“. Färber geht es dagegen darum, den Alltag der hier lebenden Muslime und ihr Wirken in Vereinen, in denen sie sich engagieren, zu untersuchen.

\tDabei zeige sich, dass islamisches Gemeindeleben in einer Großstadt anders aussehe als in einer Kleinstadt, in einer Industriestadt anders als in einer Universitätsstadt. In jedem Fall aber „reagieren Muslime im urbanen Kontext und prägen ihn mit“. Anhand zahlreicher Bilder veranschaulichte die Referentin, in welchem Variantenreichtum sich Muslime in einer Stadt wie Berlin präsentieren, wo Moscheen von der ersten Migranten-Generation in ehemaligen Fabriketagen angelegt worden seien, während die heutige Entwicklung dahin gehe, sich repräsentativere Bauten zuzulegen – wie etwa die Sehitlik-Moschee in Neukölln. Diese gelte bereits als Berliner Sehenswürdigkeit und werde in das touristische Programm von Stadtrundfahrten mit einbezogen.

Inzwischen differenziere sich die Moscheenlandschaft Berlins aus, etwa in asiatische oder in arabische Gebetsräume. Träger von Moscheebauten seien Vereine unterschiedlicher Ausrichtung – etwa die „Türkisch-islamische Union“, islamische Fördervereine, Türkisch-demokratische Kulturvereine oder der „Verein islamischer Kulturzentren“. In Berlin gebe es aktuell 85 Moscheebauten. Oft kam es zu Namenswechseln und Umzügen, zu Austritten und Eintritten bei den Vereinen; bis in die 1990er Jahre habe sich eine hohe Mobilität beobachten lassen. Seit Räume oft aber nicht mehr nur gemietet, sondern gekauft werden, nimmt ihre Sichtbarkeit zu. Bei Neubauten orientiere man sich an der Erreichbarkeit und an der Parkplatzsituation. Zu unterscheiden seien bei den Bauten „Nachbarschafts-, Stadtteil- und Stadtmoscheen“, die zweite Gruppe gebe es in Berlin fast in allen Bezirken, aber nur im Westen der Stadt: „Auch noch 23 Jahre nach dem Fall der Mauer wird diese durch die Verteilung der Moscheen nachgezeichnet.“

Dagegen seien Stadtmoscheen einmalig in der Stadt, da sie etwa von religiösen Minderheiten wie Gemeinden mit mystischer Ausrichtung genutzt werden. Färber plädierte dafür, Moscheen nicht nur als religiöse, sondern auch als urbane Orte zu betrachten, wozu man europäische Städte miteinander vergleichen sollte.