Manching
Museum zum Anfassen

Inklusive Führung in Manching zum Tag der Sehbhinderten - Spezieller Koffer in Arbeit

06.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:17 Uhr
Holz, Lehm, Flechtwerk: Die Materialien eines Keltenhauses können auch ertastet werden. −Foto: Foto: Pechtl

Manching (DK) Eine Museumsführung für schwer sehbehinderte und blinde Menschen? Im Kelten- und Römermuseum Manching ist das kein Problem. "Bei uns gibt es Einiges zum Anfassen", sagt Archäologe Joachim Pechtl. Ob der 1:1-Nachbau eines keltischen Hauses und einer Stadtmauer oder ein Stück Raseneisenerz, um nur einige Beispiele zu nennen - mit Repliken ausgewählter Ausstellungsstücke kann das Leben der Kelten und Römer vor 2000 Jahren erfahrbar gemacht werden.

Gestern boten die Manchinger Archäologen zum alljährlichen Tag der Sehbehinderten zwei inklusive Führungen an, an denen natürlich auch nicht-behinderte Menschen teilnehmen konnten. Barbara Limmer wies die Teilnehmer eingangs lediglich darauf hin, dass es im Museum auch etliche Hängevitrinen gibt, die mit dem Blindenstock nicht erfasst werden können. Ansonsten präsentierte die Archäologin die normale Führung, wenngleich sie einige Stationen ausließ.

Gleich zu Beginn konnten die Teilnehmer ein Stück Eisenerz ertasten und erhielten parallel dazu grundlegende Informationen über die alten Kelten und deren Leben. Speziell die Manchinger Verhältnisse interessierten die Teilnehmer. Sie erfuhren von Barbara Limmer, dass es keine Kanalisation gab oder dass die normalen Wohnhäuser 17 Meter lang, mit Stroh gedeckt und ohne Kamin waren. Im Museum ist ein Stück Hauswand aufgebaut, bestehend aus Holzbalken, Flechtwerk und Lehm. Hier konnten die blinden (und natürlich auch nicht-blinden) Besucher die Struktur der Materialien ertasten und so viel besser das Leben vor 2000 Jahren "erfühlen". Außerdem erkundeten sie das Prinzip eines keltischen Schlüssels, der aus einem gebogenen Eisenhaken, einem Loch in der Tür und einem Balken besteht.

Handwerk, Handel und Landwirtschaft, aber auch viele andere Aspekte des Lebens der Kelten stellte Limmer sehr plastisch dar, nicht selten begleitet von Fragen und Kommentaren der Teilnehmer. So erfuhren sie beispielsweise, dass die Kelten zwar Bier tranken (ohne Hopfen), aber Wein überaus begehrt war und das 380 Hektar große Oppidum in Manching ein Zentrum des Handels damit. Auch keltische Kleidung und Schmuck gab es zum Anfassen. Laut Limmer waren die alten Römer übrigens anfangs höchst erstaunt, dass die keltischen Barbaren Hosen trugen - bis die Römer dann im Winter selber welche anzogen.

Mit seiner inklusiven Führung steht das Manchinger Museum nicht allein in der Museumslandschaft. Doch es will noch einen Schritt weiter gehen. Für sehbehinderte und blinde Besucher wird bald ein Museumskoffer zur Verfügung stehen, der an der Kasse ausgeliehen werden kann. Zusammen mit einer Begleitung, einem Leitfaden mit Informationstexten, Plänen und Nachbildungen, die sonst nur bei Führungen genutzt werden, können die Besucher individuell das Museum erkunden. Im Moment befindet sich der Museumskoffer noch in der Testphase und wird ab der zweiten Hälfte des Jahres nutzbar sein - auch für Schulklassen.

Für die Teilnehmer der inklusiven Führung war dieser Besuch des Museums eine bereichernde Erfahrung, wie auch das große Interesse zeigte. Eine Führung funktioniere zwar auch ausschließlich mit Erklärungen, so ein sehbehinderter Teilnehmer aus Vohburg. Aber dann müssen die Beschreibungen wirklich gut sein. "Es muss ein Bild im Kopf entstehen." Mit Objekten zum Tasten wird es einfacher.