Kelheim
"Müssen wieder mehr an der Basis machen"

CSU im Kreis Kelheim erringt bei Landtagswahl 33,7 Prozent

15.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:39 Uhr
Die Freude ist groß: Petra Högl (Mitte) errang gestern 35,45 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis Kelheim - und wird damit für die CSU im Landtag sitzen. Insgesamt fuhren die Christsozialen im Vergleich zur Landtagswahl 2013 auch in Kelheim ein deutlich schlechteres Ergebnis ein: Waren es damals noch 49,4 Prozent, so sind es diesmal 33,7. −Foto: Goossens

Kelheim (DK) Petra Högl zieht in den Landtag ein. Die 47-jährige CSU-Politikerin aus Dietrichsdorf bei Volkenschwand errang das Direktmandat im Stimmkreis Kelheim gestern mit 35,45 Prozent und beerbt damit ihren Parteifreund Martin Neumeyer, der seit knapp zwei Jahren Landrat im Landkreis Kelheim ist.

Seinen Amtsbonus und den Bekanntheitsgrad als ehemaliger Landrat konnte Hubert Faltermeier von den Freien Wählern nicht nutzen, 23,83 Prozent bedeuteten für ihn Platz zwei.

Genauso wie landesweit erlebte die SPD auch im Landkreis Kelheim ihr Waterloo. Hinter Peter A. Gebhardt von der AfD, der es aus dem Stand auf 11,63 Prozent brachte, und dem Neueinsteiger Daniel Stephan von den Grünen mit 10,50 Prozent, landete SPD-Frontmann Harald Unfried mit beinahe schon kläglichen 5,66 Prozent abgeschlagen auf dem fünften Platz. Großes Bangen herrschte bei der FDP am Wahlabend, ob es mit dem Wiedereinzug in den Landtag klappt. Direktkandidat Jake Curtis erreichte 3,42 Prozent. Die Kandidaten der anderen Parteien landeten unter "ferner liefen": Fritz Zirngibl (Bayernpartei) schaffte 3,72 Prozent, Anne Rottengruber (ÖDP) 2,76 Prozent, Mirco Kalkkuhl (DIE LINKE) 2,18 Prozent und Fabian Helmich (mut) 0,85 Prozent.

Freude über das gewonnene Direktmandat, aber Schmerz über das desaströse Gesamtergebnis herrschte gestern Abend bei der CSU. Kreisvorsitzender Martin Neumeyer empfing seine Nachfolgerin im Maximilianeum mit einem Blumenstrauß. "Petra Högl hat einen tollen Wahlkampf hingelegt und liegt mit ihrem persönlichen Ergebnis über der Partei - das ist die Messlatte", sagte er und bedankte sich beim gesamten Team mit den anderen drei Kandidaten Andreas Diermeier, Hannelore Langwieser und Werner Reichl. Mit dem Ergebnis seiner Partei ist der CSU-Boss angesichts der Umstände zufrieden, auch wenn es unter dem Landesschnitt liegt.

Woran hat es gelegen, dass die CSU so eingebrochen ist? "Ich will keine Schuldzuweisungen vornehmen", sagt Neumeyer, "das gilt sowohl für Horst Seehofer wie für Markus Söder." Als Innenminister habe Seehofer in der Flüchtlingsfrage richtig gehandelt, als er Härte zeigte. "Was wäre denn sonst gewesen? Dann wäre die AfD doch durch die Decke gegangen", meint der ehemalige Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Für den CSU-Kreisvorsitzenden geht es nahtlos weiter. "Jetzt steht im nächsten Frühjahr die Europawahl an, ganz andere Themen, aber genauso wichtig. Und die Landtagswahl hat uns auch schon den nötigen Rückenwind für die Kommunalwahl 2020 gegeben."

Die Siegerin der Wahl, der CSU-Bezirksvorsitzender und Kultusminister Bernd Sibler am frühen Abend als einer der ersten gratuliert hatte, ließ den Tag gestern geruhsam angehen. "Am Wahlsonntag war ich am Vormittag beim Gottesdienst am Gallimarkt, dann habe ich gewählt und anschließend war ich zusammen mit Andreas Diermeier in Hellring", sagt eine glückliche Petra Högl. Ihr Ergebnis habe sie am Ende doch etwas überrascht, gesteht sie, vor allem deswegen, weil sie als Neuling über dem Zweitstimmenergebnis lag. Das Gesamtergebnis ihrer Partei bewertet die frischgewählte Landtagsabgeordnete als "nicht gerade prickelnd, wir müssen einfach wieder mehr an der Basis machen".

Aus dem Stand fährt die AfD im Landkreis Kelheim 11,5 Prozent der Stimmen ein. Direktkandidat Peter A. Gebhardt vereint 11,6 Prozent der Erststimmen auf sich. Das beste Ergebnis gab es für ihn in Wildenberg mit 15,4 Prozent, das niedrigste in 8,0 Prozent in Herrngiersdorf. 11,4 Prozent der Zweitstimmen entfallen auf die AfD (15,5 Prozent in Train, 7,9 in Kirchdorf). Bayernweit liegt die Partei bei etwas über zehn Prozent. Zufrieden mit dem Ergebnis? Grundsätzlich ja, sagt Gebhardt im Gespräch mit unserer Zeitung. "Die Stimmung war relativ gut. Jedoch musste man hier erst den Schock verdauen, weil wir im Vergleich zur Bundestagswahl scheinbar Stimmen verloren haben", erklärt er. Dem sei aber nur bedingt so. Denn: "Unsere Stammwähler haben für uns gestimmt. Die Stimmen der Klientel, die jetzt die Freien Wähler und die Bayernpartei unterstützt haben, haben bei der Bundestagswahl wir bekommen", sagt Gebhardt und verweist auf 18 Prozent, wenn man diese Wählerstimmen für die AfD gewinnen hätte können. "Wir haben also gar nicht so viel verloren, auch vor dem Hintergrund, wie in Bayern der Wahlkampf geführt wurde." Man sei zufrieden und freue sich über die gute Ausgangsposition, auf der man nun aufbauen könne.

In diesem Zusammenhang verweist der Direktkandidat des Wahlkreises Kelheim auf die Landtagswahl in Hessen am 28. Oktober. "Wir werden unsere Kollegen in Hessen unterstützen, dort werden wir noch stabilere Ergebnisse holen können", ist er sich sicher. Denn auch im Nachbarbundesland seien die Grünen zwar im Aufwind. "Aber die Gegenbewegung ist stärker als in Bayern." Wie viele man nun im Landtag des Freistaats bekommt, stehe noch nicht hundertprozentig fest, im Raum stünden 23 oder 24, so Gebhardt. "Sicher ist, dass wir am Donnerstag und Freitag die erste Fraktionssitzung abhalten, Aufgaben verteilen und uns Gedanken über die Ausschüsse machen."

Für Harald Unfried brachte die Landtagswahl "das erwartete tektonische Beben" und stellt eine politische Zäsur im Freistaat dar. "Es tut der demokratischen Kultur im Freistaat gut, dass die politische Alleinregierung der CSU beendet wurde. Das ist aus sozialdemokratischer Sicht allerdings das einzig Tröstliche", so der erste Kommentar des SPD-Kandidaten. Das desaströse SPD-Ergebnis kommt nach Unfrieds Überzeugung aufgrund des morsche Fundaments der Großen Koalition in Berlin keineswegs überraschend. "Der Vertrauensverlust bei der Wählerbasis von Union und SPD hat nun einen Punkt erreicht, der sogar die überlieferte politische Ordnung über den Haufen wirft." Für den Gegner der Großen Koalition in der SPD stellte sich dieser Wahlkampf daher als "die Quadratur des Kreises dar: Mission impossible". Es brauche jetzt nichts weniger und dringlicher als eine Sozialdemokratie, die - auf der Höhe der Zeit - zu ihren Wurzeln zurückfindet. "Davon ist derzeit viel zu wenig zu sehen."

Johanna Werner-Muggendorfer, die Grande Dame der Sozialdemokratie zwischen Altmühltal und Hallertau, trägt schwer an der Niederlage ihrer Partei. "So etwas hätte ich mir niemals vorstellen können", gesteht die Landtagsabgeordnete, die auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte. "Das Einzige, was mich noch freuen kann, ist, dass es die CSU endlich einmal voll erwischt hat. Aber das ist auch kein wirklicher Trost." Für die SPD brechen nach Einschätzung der Kelheimer Kreisvorsitzenden jetzt schwere Zeiten an. Genau wie Unfried will sie nicht ausschließen, dass die Große Koalition in Berlin platzt.

Der in vielen Wahlkämpfen gestählte Hubert Faltermeier blieb am gestrigen Wahlabend betont gelassen. "Für die Freien Wähler ist das ein gutes Ergebnis", kommentierte er den Ausgang der Landtagswahl. Und auch mit seinem eigenen Ergebnis ist er unter dem Strich zufrieden. Anders als vielleicht viele seiner Parteifreunde hatte sich Faltermeier keine Hoffnungen gemacht, der CSU das Direktmandat abzuluchsen. Ob er auf Platz fünf der FW-Niederbayernliste den Sprung in den Landtag schaffen wird, darüber wollte er gestern Abend genauso wenig spekulieren wie über eine mögliche Koalition der Freien Wähler mit der CSU. Auch wenn sich der erfahrene Politiker nicht festlegen wollte, ließ er durchblicken, unter welchen Bedingungen seine Partei bereit sein würde, in ein Regierungsbündnis einzutreten: "Dabei dürfen die Positionen der Freien Wähler nicht untergehen. Es bedarf hier weiterer Gespräche. Und zunächst einmal müssen wir abwarten, wie die Sitzverteilung tatsächlich aussieht."

Ein glücklicher Daniel Stephan meldet sich beim Anruf aus der Redaktion am Telefon. Er ist gerade bei der Wahlparty der Grünen in Kelheim - und begeistert vom guten Ergebnis. "Super", sagt er. Der Direktkandidat aus dem Wahlkreis Kelheim konnte 10,5 Prozent der Erststimmen holen, in Bad Abbach die meisten mit 16,3 Prozent, die wenigsten in Aiglsbach mit 5,3 Prozent. Hat er mit diesem zweistelligen Ergebnis gerechnet? "Ich muss gestehen: So viele hätte ich nicht erwartet. Wir konnten unser Ergebnis bei den Erststimmen im Vergleich zur Wahl 2013 fast verdoppeln." Bei den Zweitstimmen holten sich die Grünen im Kreis 11,5 Prozent (17 Prozent in Abensberg, 6,1 Prozent in Aiglsbach). Bayernweit kommt die Partei auf knapp 18 Prozent - und ist damit die zweitstärkste Kraft im bayerischen Landtag. Ob die Grünen wohl mit der CSU koalieren? "Das wird sich in den nächsten Tagen zeigen, wenn die Gespräche anlaufen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man da noch keine Aussage treffen", meint Stephan. Jetzt wird erst einmal auf das gute Ergebnis angestoßen.

Absolut entspannt genoss auch Jake Curtis den Wahlabend unter den Liberalen in Landshut. Der FDP-Direktkandidat bewertete sein persönliches Ergebnis nüchtern. "Natürlich hätte ich mit deutlich mehr als 3,42 Prozent gewünscht. Aber morgen werde ich wahrscheinlich zufriedener sein als heute." Allerdings habe er ja auch zum ersten Mal kandidiert und sei von Null gestartet. Das soll es auch noch nicht gewesen sein. Jake Curtis will nach eigener Aussage der Politik treu bleiben. Die Europawahl? "Nein", lacht er, "Europa steht auf meiner Agenda nicht ganz oben. Und die Kandidaten sind dazu ja längst aufgestellt." Aber bei den Kommunalwahlen 2020 kann er sich vorstellen, wieder anzutreten.
 

Kathrin Schmied, Harry Bruckmeier