Münchner Notizen

Von Alexander Kain

07.02.2020 | Stand 02.12.2020, 12:01 Uhr

Die alten Lateiner hatten einen Spruch: Quod licet Jovi, non licet bovi!

Zu Deutsch: Was Jupiter darf, steht einem Ochsen nicht zu. Im heutigen Sprachgebrauch würde man sagen: Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe. Genau das war diese Woche in Thüringen zu sehen. Man müsse keine Wahl annehmen, "wenn man von Neonazis ins Amt gehievt wurde", erzürnte sich die Grünen-Fraktionschefin im Münchner Landtag, Katharina Schulze, über den Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich von der FDP, weil der auch von den Abgeordneten der AfD (einem Hort für Rechtsextreme) mitgewählt wurde. Dass die Grünen sich allerdings seit mehr als 25 Jahren von der Linken (einem Hort für Linksextreme) in Landesparlamenten entweder dulden lassen oder sogar gemeinsam mit ihnen auf der Regierungsbank sitzen, findet sie hingegen offensichtlich ganz okay. Das ist bemerkenswert.

Dass die AfD für einen freiheitlich demokratisch denkenden Menschen politisch völlig unappetitlich ist, steht völlig außer Zweifel. Aber aus politischer Opportunität die Linke zu verharmlosen? Die Keimzelle der Linken war schließlich die PDS - und damit die einstige DDR-Staatspartei SED. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer hat dafür Schulze im Landtag heftig den Kopf gewaschen.

Wie glaubwürdig Kreuzers kleiner Wutausbruch indes war, wird sich demnächst in Thüringen zeigen, wenn es zu einer Neuwahl des Ministerpräsidenten kommt. In all der Aufregung wurde ja tatsächlich auch spekuliert, dass man seitens der CSU-Schwester CDU nun den alten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow doch akzeptieren oder sogar mitwählen könnte - also einen der Linken. Wie bemerkte der SPD-Fraktionschef im Landtag, Horst Arnold, spitz in Richtung CSU? Man unterschätze die Rolle, die die CDU in der DDR als linientreue Blockflöte gespielt hat.

Derweil muss Schulze ein bisserl aufpassen, nicht zum Heißsporn zu werden: Denn ihre "Neonazis"-Äußerung im Plenum bezogen AfD-Abgeordnete auch auf sich, zudem qualifizierte Schulze die AfD pauschal als "faschistische Partei". Landtagspräsidentin Ilse Aigner wies Schulze dafür zurecht, nur "im Fall einer Person" (dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke) sei die Bezeichnung Nazi "gerichtlich festgestellt", aber halt "nicht generell". Von einer formellen Rüge, wie von der AfD gefordert, sah Aigner ab. Dennoch könnte das ganze justiziabel werden.

Dabei hatte der Landtag erst kürzlich Schulzes Immunität aufgehoben, weil sie vor anderthalb Jahren NPD-Demonstranten in München den Stinkefinger gezeigt hatte. 500 Euro Strafe muss sie deshalb zahlen. "Das Mittel war falsch. Die Abgrenzung gegen Rechtsextremismus ist weiter richtig und wichtig", sagte Schulze.