Hamburg
Münchner Geniestreich

FC Bayern siegt nach toller Leistung mit 3:0 in Hamburg und enteilt der Konkurrenz immer weiter

04.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:52 Uhr

Hamburg (DK) Tabellenführer Bayern München hat die Gunst der Stunde genutzt und mit dem ersten Sieg beim Hamburger SV seit sechs Jahren seinen Vorsprung auf sieben Punkte ausgebaut. Im 95. Nord-Süd-Duell der Fußball-Bundesliga gab es einen ungefährdeten 3:0 (1:0)-Sieg des FCB.

Es war kein Abend für Erklärungen, es war ein Abend für die Begeisterung: „Allererste Sahne“ sagte der eine Trainer und der andere sprach vom „Geniestreich“. Auch die Zuschauer im Hamburger Volkspark wirkten am Ende keinesfalls unzufrieden, obwohl ihr HSV 0:3 verloren hatte. Ein ausgesprochen gnädiges Resultat aus Hamburger Sicht. Aber immerhin hatten die 57 000 eine geniale Fußballmannschaft gesehen – und einen Frank Ribery, für den alleine sich die Investition einer Einrittkarte gelohnt hat.

In der 83.Minute stellte Bayern-Trainer Jupp Heynckes die Hamburger Zuschauer vor ähnliche Probleme, wie zuvor elf Hamburger Spieler: Die Anzeigentafel zeigte die Nummer sieben: Frank Ribery sollte vom Platz gehen. Endlich, aus Sicht der HSV-Akteure. Doch wie so einen Mann verabschieden? Einige Zuschauer pfiffen laut, was in diesem Fall schlicht als Anerkennung einer außergewöhnlichen Leistung gewertet werden kann. Die anderen klatschten, manche standen auch auf – und das für einen Spieler des Gegners. Wenn derlei im Fußball passiert, muss in der Tat etwas Außergewöhnliches passiert sein.

In der Statistik des Spiels taucht der Name Ribery dreimal auf – jeweils in engem Bezug zu einem Tor. Der Franzose war schlicht an allen drei Münchner Treffern beteiligt, die nicht einfach erzielt wurden, sondern Ausdruck einer spielerischen Leichtigkeit waren, die jedwedes Gerede von einer Novemberkrise als Geschwätz entlarvten. „Wenn so Krisen aussehen, nehme wir die gerne mit“, sagte ein entspannter Thomas Müller, der an dem rauschhaften Auftritt der Bayern auch spektakulär beteiligt war.

Vermutlich war es die spielentscheidende Szene, als der Nationalspieler nach Franck Riberys Befreiungsschlag in den Strafraum kurvte, von Hamburgs Torhüter Rene Adler aber bis zur Außenlinie abgedrängt wurde. Als Adler nicht energisch genug zupackte, zirkelte Müller den Ball ganz frech aus scheinbar unmöglichem Winkel zwischen Adler und dem Pfosten ins Netz. Das war der Akt, den HSV-Trainer Thorsten Fink später als „Geniestreich“ wertete.

Fink hatte mit einer abenteuerlichen Mittelfeldvariante die Bayern überraschen wollen. Wie die Spanier bei der EM spielte Fink ohne nominellen Mittelstürmer, Rafael van der Vaart sollte die Spitze ausfüllen, dahinter agierten mit Tolgay Arslan, Milan Badelj und Tomas Rincon drei Akteure, die theoretisch für Akzente sorgen sollten, aber praktisch nur damit beschäftigt waren, die Bayern-Offensive zu zerstören. Fink verteidigte am Ende diese Defensiv-Taktik, die über weite Strecken aufgegangen sei, was nur bedingt richtig ist.

Die andere Lesart: Außer einem Van der Vaart-Knaller, der an Dantes Bein hängen blieb und einem Weitschuss von Thomas Rincon, hatte der HSV keine Torchance. Allgemeines Expertenurteil zur Pause: Mit der Taktik hat sich Fink verzockt, wohl auch, weil seine Akteure von Bayerns Spielfreude so unter Druck gerieten, dass sie mit zunehmender Spielzeit den Überblick verloren. Wie in Minute 40, als aus einem Hamburger Angriffsversuch das 0:1 fiel: Frank Ribery schlug mit einer Bogenlampe den Ball am eigenen Strafraum irgendwie Richtung HSV-Tor.

Was wie eine Verzweiflungstat aussah, entpuppte sich als genialer Angriffszug, denn Thomas Müller legte per Kopf den Ball auf Toni Kroos, der alleine Richtung Adler zog. Der Hamburger machte alles richtig, fuhr die Arme aus, hielt den ersten Schuss und drängte Kroos ab. Eigentlich war die Situation entschärft, doch nicht für diese Bayern. Statt blind nach innen auf den gedeckten Nationalspieler Müller zu passen, legte Nationalspieler Kroos das Spielgerät auf den heranstürmenden Nationalspieler Schweinsteiger, was per Flugkopfball das 0:1 für die Hamburger bedeutete.

Nach der Pause korrigierte Fink seine Taktik, brachte Artjoms Rudnves in die Spitze und beorderte Van der Vaart für Rincon ins Mittelfeld. Weil aber dem 0:2 schnell das 0:3 (53.) durch Kroos folgte, hatte das für das Ergebnis keine Bedeutung mehr, das Spiel war entschieden.

Die Bayern ließen die Hamburger im Mittelfeld kombinieren, passten aber auf, dass sie nicht in die Gefahrenzone kamen, was unter dem Strich die tadellose Leistung der Münchner nur besiegelte und von ihrem eher nordisch geerdeten Trainer Jupp Heynckes mit seltenem Lob geadelt wurde: „Allererste Sahne.“ Thorsten Fink schaute derweil bedröppelt drein: „Wir waren sehr weit weg von einem Sieg.“