München
München, Kafka und die Beatles

Das O-Team begibt sich auf seiner "Magical Mystery Tour" auf künstlerische Spurensuche durch die Landeshauptstadt

25.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:45 Uhr

 

München (DK) „Das große Theater von Oklahoma ruft euch! Es ruft nur heute, nur einmal! Wer jetzt die Gelegenheit versäumt, versäumt sie für immer! Wer an seine Zukunft denkt, gehört zu uns! Jeder ist willkommen! Wer Künstler werden will, melde sich!“

Dieser Aufruf stammt aus Franz Kafkas unvollendetem Roman „Amerika“. Ein Plakat an einer Straßenecke wirbt für dieses Theater. Und Karl, der Protagonist, lässt sich davon betören. Im September kommt das Oklahoma-Theater nach München. Dann wird die Stadt eine einzige große Bühne. Zumindest, wenn es nach dem Wunsch Samuel Hofs geht. „Magical Mystery Tour“ nennt der 1981 in Stuttgart geborene Regisseur und Bühnenbildner sein Projekt, das von der Bundeskulturstiftung gefördert wird, und das er mit seiner Theatergruppe, dem O-Team, und dem Münchner Pathos-Theater realisiert.

Angelockt von den Mythen und Geschichten, die sich um München ranken, wollen Hof und sein Team dem Künstlerbegriff nachspüren. „Natürlich handelte es sich dabei nicht nur um ein Münchner Phänomen, aber hier sind viele Dinge einfach extremer“, sagt Samuel Hof. Welche Rolle spielen freie Künstler für eine Stadt? Wie geht eine Gesellschaft mit Subkultur um? Das sind Fragen, die das O-Team beschäftigt. „Ein Stück weit wollen wir natürlich das Bohème-Leben ausprobieren.“

Nicht umsonst nimmt der Projekttitel „Magical Mystery Tour“ Bezug auf eine legendäre Reise: „Magical Mystery Tour“ heißt auch ein Musikfilms der Beatles aus dem Jahr 1967, der von einem merkwürdigen Trip durchs West Country in einem gemieteten Bus handelt – ohne festes Drehbuch.

„Wir fahren mit zwei Kleinbussen durch München, erkunden einzelne Stadtviertel, docken uns an verschiedene Institutionen an, treffen Leute und übernachten jeden Tag woanders“, erklärt Samuel Hof. „Eigentlich begeben wir uns in die Rolle des fahrenden Volkes, denn wir planen immer wieder Aktionen im öffentlichen Raum.“

Ein paar Anlaufstationen stehen schon fest: etwa die Kultureinrichtung Lothringer13, die Buchhandlung „Wortwahl“ zwischen Gärtnerplatz und Viktualienmarkt, das Pathos- Theater, die Kunstakademie, das Volkstheater und natürlich auch das ehemalige „Café Stefanie“ in der Maxvorstadt, das an der Wende zum 20. Jahrhundert ein beliebter Treffpunkt für die Schwabinger Bohème war. Kurt Eisner und Heinrich Mann verkehrten hier, Paul Klee und Frank Wedekind. Sie machten das „Café Stefanie“ zu einem der wichtigsten Künstlertreffpunkte. Deshalb will Samuel Hof diesem Ort später ein eigenes Projekt widmen.

Zwangsläufig wird auch das Oktoberfest Teil der Recherchetour durch München werden. „Wenn man außerhalb Münchens über München spricht, wird immer wieder das Oktoberfest genannt. Es ist ein Identifikationsmerkmal der Stadt“, erklärt Samuel Hof.

Neben ihm sind noch die Produktionsdramaturgin Antonia Beermann, der Schauspieler Folkert Dücker und die Bühnen- und Kostümbildnerin Nina Malotta mit von der Partie: Zu viert starten sie am 8. September auf dem Gelände des Pathos-Theaters auf ihre Recherchetour. „Unsere Ausgangsposition, mit der wir spielen: Ganz München ist eine Bühne“, erläutert Samuel Hof. „Wir wollen die Leute ja auch dazu animieren, bei uns einzusteigen. Man muss gar nichts können.“

Bis zum 28. September ist das Quartett in München unterwegs. Es wird einen Blog geben und kurzfristig angekündigte Happenings, Lesungen und Diskussionen. „Es wird jeden Tag irgendwo eine Aktion stattfinden“, meint Samuel Hof. „Vielleicht werden wir auch kleine Bustouren anbieten, bei denen wir den Münchnern etwas über ihre Stadt erzählen.“

Die Ergebnisse der dreiwöchigen Recherchetour werden im nächsten Projektteil ausgewertet. Im Oktober 2014 ist dann die Premiere von „Die Verschollenen“ im Pathos-Theater geplant – in Koproduktion mit der portugiesischen Gruppe Companhia de Teatro de Braga. Denn „Der Verschollene“ ist Kafkas ursprünglicher Titel seines Romans, den sein Freund Max Brod postum unter dem Titel „Amerika“ veröffentlichte.

Bei der „Magical Mystery Tour“ ist mitmachen übrigens ausdrücklich erwünscht. Gemäß dem Motto von Kafkas Oklahoma-Theater: „Wir sind das Theater, das jeden brauchen kann, jeden an seinem Ort! Verflucht sei, wer uns nicht glaubt!“