Ingolstadt
Mordfall Hinterkaifeck: Ermittlungen über die Ermittler

19.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:17 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Rolle der Polizei bei den Ermittlungen ist genauso sagenumwoben wie der Hinterkaifeck-Mord selbst. Genau darum dreht sich eine Ausstellung im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt, die am 23. September beginnt. Wir nehmen sie zum Anlass für eine kleine Serie.

In der Nacht zum Mittwoch, 5. April 1922, trafen Kriminaloberinspektor Georg Reingruber und sein Team auf dem Einödhof ein. Sie sperrten den Tatort nicht ab, sie nahmen keine Fingerabdrücke, sie hatten es vielmehr eilig, hier wieder wegzukommen. Und: Sie machten nur ganze fünf Fotos vom Tatort. Und das, obwohl die Polizei bei ihrem Eintreffen sechs Leichen vorfand, einige grausam zugerichtet, mit brutal zertrümmerten Schädeln. In Hinterkaifeck starben Bauer Andreas Gruber (63), dessen Frau Cäzilia (72), die gemeinsame Tochter Viktoria (35), deren beiden Kinder Cilli (7) und Josef (2) sowie die Magd Maria Baumgartner (44), die mutmaßlich wenige Stunden vor ihrer Ermordung erst auf dem Hof eingetroffen war.

MYTHOS HINTERKAIFECK (2)

Erst nach und nach erschloss sich ihnen die Dimension, die Tragweite dessen, was Hinterkaifeck bedeutete. Der Fall ließ Georg Reingruber nicht mehr los. Und im Nachhinein wird er sich etliche Male geärgert haben, dass er sich am Tatort nicht mehr Zeit nahm.

Was war das: Schlamperei? Lustlosigkeit? Überforderung? Mitglieder des Internetforums hinterkaifeck.net haben sich in den vergangenen Jahren selbst auf Spurensuche begeben, haben Ermittlungen über die Ermittler angestellt: Olaf Krämer (50, Finanzplaner aus Königsbrunn), Sophie Mathisz (40, Kommunikationsdesignerin aus Neumarkt), Erwin Einfalt (50, Objektmanager aus Gersthofen) und Jasmine Kaptur (42, Meteorologin aus Stuttgart). Dieses Quartett steht auch hinter der Konzeption der Ausstellung in Ingolstadt.

Sie gruben einen älteren Kriminalfall aus, den Reingruber mit seinem Team 1916 sehr viel professioneller angegangen war. "Sie hätten ganz andere Möglichkeiten gehabt", sagt Jasmine Kaptur. Zusammen mit ihren Mitstreitern rollte sie das Umfeld in München von damals auf: Die Polizei wurde gerade strukturell reformiert, eine Reihe politischer Morde hielt die Beamten auf Trab. Tiefer und tiefer tauchten sie in die Welt des Georg Reingruber ein. Warum gibt es nur fünf Tatortfotos? Hatten sie womöglich ganz einfach nicht mehr belichtbare Platten dabei? "Wenn ich weiß, dass ich nur fünf Fotos machen kann, was fotografiere ich dann", fragt Jasmine Kaptur. "Genau das, was fotografiert worden ist: den Tatort an sich und die Situation, wie die Opfer aufgefunden wurden."

Den Mitgliedern des Internetforums ist es nicht gelungen, den Toten ein Gesicht zu geben. Keine Hochzeitsbilder, keine Familienfotos, nichts. Solche Fotos existieren im Waidhofener Umfeld, doch bis heute hat sie niemand preisgegeben.

In der nächsten Folge: Fragen über Fragen.