München
Mord wegen Handyvideos: Angeklagter gesteht Messerattacke

15.01.2021 | Stand 23.01.2021, 3:33 Uhr
Eine Bronzeplastik der römischen Göttin der Gerechtigkeit, Justitia. −Foto: picture alliance/dpa/Symbolbild

Ein Streit um ein angebliches Handyvideo endete für einen 17-Jährigen tödlich. Sein mutmaßlicher Mörder gesteht die Tat vor Gericht - doch dem Opfer gibt er eine Mitschuld.

Am Anfang stand ein Streit um ein Video. Am Schluss war ein Mensch tot. Wegen der tödlichen Auseinandersetzung vom April 2019 steht ein 23-jähriger Afghane seit Freitag wegen Mordes vor dem Landgericht München I. Im Zorn soll er einem 17-jährigen Kontrahenten mehrmals mit einem Messer in den Oberkörper gestochen haben.

Zum Prozessauftakt standen zwei deutlich unterschiedliche Versionen des Geschehens im Raum: die der Staatsanwaltschaft und die des Angeklagten. In der Darstellung der Anklage gerieten am Karfreitag 2019 zwei Gruppen in Streit, weil einer der Beteiligten glaubte, das spätere Opfer habe ihn gegen seinen Willen mit einem Smartphone gefilmt. Es kam zu einer kurzen Schlägerei.

Bei einem zweiten Aufeinandertreffen sei der Angeklagte hinzugekommen. Er habe das arglose Opfer mit einem Messer zweimal in den Oberkörper und mehrere Male in die Beine gestochen. Ein weiterer Beteiligter habe Stiche in den Oberschenkel bekommen. Der 17-Jährige schleppte sich nach dem Angriff zu einem nahen Elektromarkt und brach zusammen. Zwei Wochen später starb er in einem Krankenhaus. Der Angeklagte floh nach Frankreich, wo er einen Tag vor dem Tod des Opfers festgenommen wurde.

Der Angeklagte gab dem später Verstorbenen in seiner Aussage eine Mitschuld am Verlauf des Streits. Er berichtete, dass er kurz zuvor in einem Telefonat mit seiner Familie erfahren habe, dass sein Vater und sein Bruder in Afghanistan ums Leben gekommen seien. Danach habe er mehrere Bier und Ecstasy-Tabletten gekauft und konsumiert. Im Laufe der Auseinandersetzung habe das spätere Opfer zunächst Geld von ihm gefordert, weil dessen Mobiltelefon beim tätlichen Streit zuvor beschädigt worden war. Das habe er abgelehnt.

Der Mann habe ihm Faustschläge verpasst, dann sei er von vier Männern umzingelt und mit Schlägen und Tritten traktiert worden. Daraufhin habe er ein Klappmesser gezogen und zugestochen. Er könne sich jedoch nicht erinnern, dass er dem 17-Jährigen gleich mehrere Stiche verpasst habe, sagte er. Auch habe er nicht wahrgenommen, wie schwer die Verletzungen des Opfers waren. „Ich wusste nicht, was ich da eigentlich tue“, sagte er.

Richter Norbert Riedmann wies den 23-Jährigen auf Unstimmigkeiten in seinen Angaben hin. So hatte er gegenüber der Polizei angegeben, bei der Tatwaffe habe es sich nicht um ein Messer, sondern um einen Nagelklipser gehandelt. Auch den zeitlichen Ablauf, den der Angeklagte geschildert hatte, könne er nicht nachvollziehen. „Wie kommt es, dass Sie bis dahin praktisch alles wissen und jetzt, wo es eng wird, praktisch nichts?“, fragte er den mutmaßlichen Täter.

Der Zeuge, dem der Angeklagte in den Oberschenkel gestochen haben soll, schilderte den Angreifer vor Gericht als ausgesprochen brutal. Er habe aggressiv gewirkt und einen „bösen Blick“ gehabt. Das spätere Todesopfer habe nach der Attacke nicht mehr sprechen können und wie in Trance gewirkt. „Ich habe an seinem Körper fast nur Blut gesehen“, sagte der 20-Jährige. Für das Verfahren sind sieben Verhandlungstage bis Ende Februar angesetzt.

dpa