Moralisch und ökologisch unverantwortlich

Zur Eröffnung von Primark:

06.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:43 Uhr

Zur Eröffnung von Primark:

Es ist schlichtweg ungerecht, wenn sich reiche Deutsche mit Billigkleidung einen persönlichen Vorteil auf Kosten der Menschen in den Produktionsländern (Indien, Bangladesch, China etc.) verschaffen. Deren Arbeits- und Lebensbedingungen werden durch das Ungleichgewicht zwischen Produktionsleistung und inflationärem Erlös nachhaltig verschlechtert. Dies ist neben politischen Gründen die Ursache für die aktuelle Massenmigration, die sich künftig noch verschärfen wird.

Gegensätzlich positioniert sich der Primark-Chef Krogmann, dem vermeintlich ethische Werte in der Produktion "am Herzen liegen". Mehr Heuchelei geht nicht! Natürlich leiden die asiatischen Näherinnen in den von Primark ausgewählten Fabriken, was die DK-Redaktion billigend hinnimmt, weil Primark "seine Hausaufgaben gemacht" habe.

Kritisch hinterfragt werden müssen die Wertevorstellungen der Käufer. Hat ein deutscher Arbeiter um 1900 drei Monate seiner Arbeitskraft in den Kauf eines Anzuges investieren müssen, so kann ein solches Gewand bei Primark schon für 35 Euro erworben werden, also für den Lohn von drei Arbeitsstunden. Der tröstliche Unterschied: Der Anzug hielt früher mehr als 20 Jahre im Gegensatz zu den Primark-Klamotten, mit denen man sich auch noch optisch outet.

Unkritisches Konsumverhalten ist moralisch und ökologisch unverantwortlich. Natürlich schadet Primark der Umwelt, nicht nur in den Produktionsländern, sondern auch in Ingolstadt. Die Kleiderladungen - in 40-Tonnen-LKW angeliefert - müssen nach kurzem Gebrauch wieder entsorgt werden. Der rasche Turn-over belastet unsere Natur und die Abfallwirtschaft der Stadt Ingolstadt. Die Primark-Umweltphilosophie mit Pappkarton-Recycling zu Einkaufstaschen lässt abends die Mülleimer in der Innenstadt überquellen.

In Erinnerung gerufen sei die Verkaufssituation vor einem Jahrzehnt in der Ingolstädter City, wo sich das angesehene Modehaus Wagner im jetzigen Primark-Gebäude befand, Jahre zuvor gegenüber auch das Modehaus Carlson. Erworben werden konnte Qualitätskleidung mit individueller Fachberatung. Und heute bei Primark: Lieblos aufgetürmte Ramschware, keinerlei Beratung, furchteinflößende Türsteher. Angeboten wird Einheitsware in großer Menge und fraglicher Qualität, aber billig natürlich, was interviewte Kunden "cool" fanden. Anders als am Tag der Nachhaltigkeit war Bürgermeister Mißlbeck als Repräsentant der Stadt bei der Eröffnung des Primark-Stores als "wichtigem Meilenstein für die Altstadt" zugegen.

Dass Primark zur Belebung der Innenstadt führen wird, fällt in den Märchenbereich und konterkariert die inzwischen desolate Situation in der Innenstadt nach einseitig politischer Bevorzugung des Westparks, des Ingolstadt Village und während der vierjährigen (!) Pflasterzeit der Ludwigstraße. Trotz eines "City-Managers" sind mittlerweile weitere Billigläden auf Primark-Niveau in der Fußgängerzone angesiedelt.

Nach dem Gesehenen sind wir augenreibend und mit chemischen Ausdünstungen in der Nase aus dem Primark geflohen. Primark bekräftigt uns, anderenorts qualitativ nur hochwertige Kleidung zu kaufen, weil uns "billig zu teuer ist" und wir eine Verantwortung für die Menschen in den Produktionsländern und für unsere Natur haben. Zum Glück gibt es in Ingolstadt noch einige wenige gute Einkaufsmöglichkeiten. Bei Bedarf fahren wir nach München, Regensburg oder Nürnberg, wo die Stadtväter vieles besser im Griff haben

Sonja und Rainer Schmitt,

Ingolstadt


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"Außerhalb des Geschäftes fordern Demonstranten faire Bedingungen in der Textilproduktion". Da haben sich die DK-Berichterstatter schon sehr vage ausgedrückt. Sie hätten Eva Bulling-Schröter doch etwas zuhören sollen, denn die Kritik war sehr viel weiter gefasst. Die Idee dieser Billigmarken ist unreflektierter Konsum: Kaufen, bald wegwerfen, wieder kaufen... Der Preis macht es möglich. Das ist die Einstellung, die unserer Erde die längst bekannten Probleme bereitet, denn sie bedeutet Rohstoff- und Energieverschwendung, Umweltverschmutzung und -zerstörung. Noch zu den fairen Bedingungen: Dass diese bei einem Preis von Euro 2,50 pro T-Shirt möglich sind, nur durch die "schlanken Organisationsformen des Unternehmens", ist doch sehr zu bezweifeln.

Josef Finger, Manching