Ehekirchen/Diedorf (DK) Das Foyer des Rathauses Ehekirchen mausert sich immer mehr zur Galerie: Regelmäßig stellen Kunstschaffende dort aus, viele aus der Region.
Derzeit präsentiert Bildhauerin Ulrike Hahn, die zwar in Diedorf lebt, aber aus Dinkelshausen stammt, Skulpturen aus Mooreiche. Unter dem Titel "Lass Dich berühren" verleihen die sechs Werke aus schwarzem Holz dem lichtdurchfluteten Foyer eine beinahe mystische Aura.
Ulrike Hahn strahlt Wärme aus und Gelassenheit, wenn sie über ihre Arbeit im Allgemeinen sowie die mitgebrachten Stücke erzählt. Ihr Bruder lebt mit seiner Familie noch in ihrem Heimatort Dinkelshausen und die Geschwister freuen sich, sich zu sehen. "Ich bin mit zwei Seiten groß geworden, wie viele Kinder auf dem Land: Wir mussten viel arbeiten, aber wir hatten auch viel Freiraum. " Schon immer habe sie beim Spielen auf dem Feld aus einem Klumpen Lehm voller Begeisterung etwas geformt. Mit liebevoller Bewunderung verweist sie auf ihren Vater: "Er hat oft in seiner Werkstatt gearbeitet, Dinge gebaut, etwas kreiert. " Offensichtlich hat sie dies geprägt und ihr ein gutes Stück Kreativität mitgegeben.
Auf dem Speicher des elterlichen Hofes lagerten Mooreichen - so wie bei vielen Landwirten, die im Moos Felder bewirtschafteten, ist sich Hahn sicher. Zum Verbrennen habe man das Holz nicht verwenden können, weil es zu hart ist. So hätten die Menschen die schwarzen Stämme wohl aufgehoben, weil sie spürten, dass das etwas Besonderes sei. Hahn fand die Mooreichen als Kind eher unheimlich, machte auf dem Speicher lieber einen Bogen darum. Erst als sie in einer schwierigen persönlichen Situation war, begann sie, mit dem Material zu arbeiten.
Die Verbindung zur Kindheit war ein Grund, aber sie wählte die Mooreichen nicht "kopfmäßig", wie Hahn es nennt, sondern "die Dinge kommen auf mich zu und ich nehme mich ihrer an". Was sie fasziniert ist, wie alt das Holz schon ist, denn die Mooreichen entstanden über einen Zeitraum von Jahrhunderten oder Jahrtausenden, in denen die Stämme in Moor- oder Sumpflandschaften gelegen haben. Jedes Stück sei individuell und charakteristisch, meint die Künstlerin, deshalb nähert sie sich bei der Bearbeitung langsam an. Ein bis zwei Jahre kann es durchaus dauern, bis Hahn eine Skulptur aus Mooreiche fertig hat. Sie arbeitet nur manuell, ohne irgendwelche Maschinen: "Da habe ich Angst, dass das zu schnell geht, ich zu viel wegnehme, was ich ja nicht wieder hinzufügen kann. " Sie sei "sehr behutsam", sagt Hahn, auch wenn es Momente gibt, in denen sie gern schneller arbeiten würde: Und zwar dann, wenn sie eine Idee hat, etwas sieht, dass das Holz ihr anbietet. Dann mahnt sie sich selber zur Geduld. Es sei eine Seele im Stamm, ist sie sicher, denn man müsse sich vor Augen halten, wie lange ein Baum gestanden habe, bevor er im Moor versunken ist und was im Laufe der Jahrhunderte für Geschichten an ihm vorüber gegangen seien.
Gleichzeitig gebe es aktuelle Themen, die die Künstlerin beschäftigen - Politisches zum Beispiel oder menschliche Schicksale - und die unmittelbar in ihre Arbeit einfließen. So haben auch die Werke, die sie derzeit in Ehekirchen ausstellt Titel wie "Weltgeschehen" oder "Lebenskreislauf".
Es ist beeindruckend, was Hahn aus den Holzstücken herausarbeitet: Manches ist abstrakt, braucht viel Fantasie. Andere Exponate sind schon auf den ersten Blick berührend und jeder zweite, dritte oder vierte Blick, jeder Perspektivwechsel bringt neue Eindrücke, neue Interpretationsmöglichkeiten.
So, wie sich die Künstlerin Zeit bei der Arbeit lässt, ist die Empfehlung an die Besucher der Ausstellung, sich Zeit zu lassen mit jedem der sechs Kunstwerke, um die Farbe, die Nuancen, das Fließen des Holzes und der Strukturen, das Zusammenspiel der herausgearbeiteten Figuren und die Feinheit der Gesichter und Hände zu erkennen und auf sich wirken zu lassen. Das Licht im Rathaus-Foyer in Ehekirchen ist perfekt für diese Ausstellung, davon ist auch Hahn überrascht. Mancher wird sich fragen, warum sie "nur" sechs Skulpturen mitgebracht hat: "Platz ist wichtig", sagt die Künstlerin, "lieber weniger und vor allem viel Licht", das ist ihr wichtig.
Das ist es auch, was Hahn an ihrem Grundstück in Diedorf so gut gefällt, denn auf über 2000 Quadratmeter Fläche gibt es reichlich Platz. Hier wohnt sie und hier hat sie ihr Atelier: "Ich wohne am Waldrand auf einem naturbelassenen Grundstück. Der Blick geht über das Anhauser Tal - hier habe ich Ruhe. " Ihre drei Kinder bezieht sie in die Arbeit mit ein. Wenn ein Kunststück fertig ist, macht sie einen Vorschlag zur Namensgebung und der wird dann diskutiert. "Es ist spannend, was die Kinder in den Skulpturen sehen und wie nah es oft dem kommt, was ich ausdrücken wollte", freut sie sich als Künstlerin und als Mutter. Überhaupt findet es die gelernte Waldorf-Erzieherin wichtig, Kinder künstlerisch zu fördern: "Kinder tragen eine Urkreativität in sich," weiß sie als Profi, "wenn man das aktiv anspricht, legt man den Grundstein für eine Kreativität im Erwachsenenalter - und zwar nicht nur in der Kunst, sondern in allen Berufen und Positionen. "
Einen Traum hat Hahn: In ihrem Vorrat an Mooreichen befindet sich ein sehr großes Stück. "Das möchte ich ganz lassen und sehr langsam daran arbeiten, bis eine Skulptur daraus entsteht. " Aber das sei ein Projekt, das sich sicher über zehn Jahre hinziehen könne und dafür fehlt ihr momentan noch die Ruhe. Am Ende entsteht daraus ein Werk, das an keine Zeit gebunden ist und das ist etwas, was Hahn an ihrer Arbeit wichtig ist: "Es gibt Dinge, die sind einfach modern, bei Mooreiche gilt das nicht. Was ich mache, ist zeitlos. "
Die Ausstellung in Ehekirchen ist noch bis zum 6. Juni zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu besichtigen.
Heidrun Budke
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