"Mittlere Katastrophe"

Drohende TSV-Insolvenz hätte finanzielle Folgen für die Marktgemeinde Aindling

25.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Der Spielbetrieb läuft noch: Doch dem TSV Aindling droht weiter die Insolvenz. - Foto: Kerpf

Aindling (DK) Am Montag saß Tomas Zinnecker wieder an seinem Schreibtisch. Den Urlaub hatte der Bürgermeister der Marktgemeinde Aindling im Osten der Republik verbracht. Dresden, die Mecklenburgische Seenplatte und der Spreewald waren die Ziele. Als TSV-Präsident Ludwig Grammer am 17. August beim Amtsgericht Augsburg den vorläufigen Insolvenzantrag stellte, sei er gerade an der Müritz gewesen, einem See innerhalb der Mecklenburgischen Seenplatte, erinnert sich Zinnecker.

Das Gemeindeoberhaupt war allerdings vorab schon informiert worden von Grammer, dass dem TSV aufgrund der nicht zu stemmenden Forderungen von Finanzamt und Sozialkassen nichts anderes übrig bliebe als der Gang vor das Konkursgericht. Für den „Verein und die Gemeinde“ sei das eine „mittlere Katastrophe“, betont Zinnecker. Der TSV sei ja nicht irgendein Verein, sondern der größte (860 Mitglieder) in Aindling und dazu einer, der den Namen der Gemeinde in den vorangegangenen zwei Jahrzehnten durch seine Fußballer in den Freistaat hinausgetragen hat.

Die Kommune hängt beim TSV mit einer Bürgschaft im Rahmen des Sportheimneubaus drin. Die beläuft sich im Moment noch auf gut 360 000 Euro. Zinnecker legt Wert auf die Feststellung, dass der Verein den Verpflichtungen bei der Rückzahlung stets nachgekommen sei.

Zinnecker wird sich am Mittwoch mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Christian Plail treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Das Ergebnis müsse auf alle Fälle die Fortsetzung des Spielbetriebs sein, bedeutet der Frontmann der 4300-Einwohner-Gemeinde. Dabei geht es ihm nicht nur um den Fußball, sondern auch um die anderen Abteilungen wie Tennis, Volleyball, Stockschießen, Damengymnastik und Kinderturnen. Vor allem der Nachwuchs in den verschiedenen Sparten liegt dem Politiker am Herzen. „Dass alles den Bach runtergeht, darf nicht passieren“, sagt Zinnecker; es müsse weitergehen, und sei es über einen „Nachfolgeverein“.

In der Vergangenheit habe die Gemeinde dem TSV bei verschiedenen Maßnahmen „kräftig geholfen“, hebt Zinnecker hervor. Was Unterstützung in der existenzbedrohenden aktuellen Lage angeht, seien ihm aber die Hände gebunden. „Würde ich Steuergelder in den Verein pumpen, machte ich mich strafbar“, stellt der Jurist klar. Dazu seien die beiden Sportheime und die Tribüne keine Objekte, die die Kommune erwerben könnte, um dem dann als Mieter auftretenden Verein aus der Bredouille zu helfen. „Wir können nicht etwas kaufen, was uns ohnehin schon gehört“, erklärt Zinnecker. Das ist laut Gesetzeslage der Fall, weil der TSV die Immobilien auf Gemeindegrund errichtet hat.

Seit gut 13 Jahren steht Zinnecker inzwischen an der Spitze des Marktes, 2014 ist er zum dritten Mal gewählt worden. Dass er sich jetzt mit der „schwierigsten Situation“ in seiner bisherigen Amtszeit auseinandersetzen muss, daraus macht er kein Hehl. Trotzdem hat der 56-Jährige bei aller Unbill nicht jegliche Zuversicht verloren. „Wir dürfen die Flinte nicht ins Korn werfen; wenn wir scheitern, wäre es eine Katastrophe.“

Der TSV Aindling ist seit rund vier Jahren in seiner Existenz bedroht. Im November 2011 wurde bei einer Razzia die Aindlinger Steueraffäre öffentlich. Präsident Ludwig Grammer und drei weitere frühere und aktuelle TSV-Funktionäre müssen sich dazu strafrechtlich verantworten. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug im untersuchten Zeitraum zwischen 2003 und 2011 bei der Bezahlung der Amateurfußballer des langjährigen Bayernligisten. Darauf stehen Freiheits- oder Geldstrafen.

Der Schaden für Sozialversicherungen und Staat liegt laut Anklage bei insgesamt rund 2,1 Millionen Euro, wie die „Augsburger Allgemeine“ berichtet. Demnach fordern die Sozialversicherungen 1,6 Millionen Euro vom Verein zurück und die Steuerhinterziehung beläuft sich auf mindestens 480 000 Euro. Der Verein zahlte den Spielern laut Staatsanwaltschaft hohe Summen „schwarz“ aus, also an Fiskus und Sozialkassen vorbei. Die 2,1 Millionen Euro sind aber nur zum Teil sogenanntes „Schwarzgeld“. Insbesondere bei der Sozialversicherung addieren sich die hohen Strafzinsen und Nachzahlungen zu dieser hohen Schadenssumme auf.