Mitreißende Stärke in der Passion

06.04.2009 | Stand 03.12.2020, 5:03 Uhr

Alpenländisch verwurzelt und modern im Ton: die Passion der "Windrose" in der Pfarrkirche von Heilig Geist. - Foto: Heumann

Neuburg (lm) Wie oft ist er musikalisch schon um den Globus gewandert, zur Passion 2009 kommt der Chor Windrose (bedingt) alpenländisch daher. Die Einschränkung ist so notwendig wie im Grunde falsch. Natürlich ist die geografische Heimatangabe treffend, wer freilich Anheimelndes gar erwartet, liegt bei "Oana geht um im Land" des Duos Diehl/ Keller total verkehrt.

Das ist Volksmusik nach Entdeckung der Atonalität, wenn man so will, Carl Orff fortgeschrieben um die Erfahrung neuer Kriege und ungeheuerlicher Katastrophen. Diehl/Keller selbst nennen ihr Werk eine Passion im "alpenländischen Volkston".

Die Spur Carl Orff liegt desto näher, war Komponist Wilhelm Keller Leiter des Orff-Instituts in Salzburg, Textdichter Walther Diehl Redakteur beim Bayerischen Rundfunk. Und eine Spur aus der Theorie und ihrem profunden Wissen darum kommender Akademismus ist dem Ergebnis nicht abzusprechen. Entsprang Volksmusik einst dem Herzen, ist Kellers/Diehls Volkston ein geschicktes Kopfprodukt, das gerade in seiner Schlichtheit gelegentlich doch gekünstelt wirkt. Ihre große, impulsiv einfach mitreißende Stärke hat diese Passion überdies in den Volksszenen. Pure Urgewalten schleudern dem Zuhörer da entgegen, und die Windrose entfaltet dazu all ihren jugendlichen, ebenso impulsiven Impetus, gepaart mitsängerischer Qualität. Mit Anstand werden auch die reichlichen, nicht allesamt ganz unproblematischen Solostellen gemeistert.

Diese Musik rührt ein ums andere Mal an Grenzen, des Schönsingens sowieso, des Singens überhaupt. Die Passion Jesu verbietet einfach alle Schönheit. Das brutale Geschehen, Verhöhnung, Folterung, auf qualvolle Weise praktizierte Todesstrafe: Unweigerlich geht jedes Singen in einen einzigen Schrei, Aufschrei über. Und es sind, schier körperlich wahrnehmbar, die Momente, wo Musik das Unbegreifliche hinter dem Wort fassbar macht.

Ihre Heimat hat diese Passion im Salzburger Land, ist Gegenstück des Salzburger Adventssingens. Der Not gehorchend, bricht Werner Lecheler für seine Neuburger Fassung viel wie weit herunter von der dem Ort und der Tradition dort verpflichteten Opulenz. Teilen sich in Salzburg verschiedene wie höchst unterschiedliche Formationen die Aufführung, konzentriert sich die Windrose-Fassung ganz aufs Eigentliche, rückt das biblische Geschehen, den theologischen Gehalt desto puristischer ins Zentrum.

Der Verzicht offenbart freilich auch die Endlichkeit der zur Verfügung stehenden kompositorischen Ausdrucksmittel. Länger als die Stunde, die es dauert, dürfte das Werk auch nicht währen. Musiker unterschiedlichster Provenienz führt Werner Lecheler für dieses Unterfangen zusammen. Da spielt plötzlich der Volksmusikant Ludwig Ried mit dem Jazzer Josi Voigt, assistiert von Richard Golder, Soloposaunist der Stadtkapelle, und und und. Stets präsent in Orff’scher Manier ein starkes Schlagwerk, zu dem sich aber auch zarte Töne von Harfe oder Hackbrett fügen oder auch die Oboe der Patricia Altenstrasser, der förmlich solistische Aufgaben zuwachsen.