Ingolstadt
"Mit zwei Punkten mehr wäre es gut"

FCI-Sportdirektor Angelo Vier über den Saisonstart, Spielertransfers und Trainer Stefan Leitl

03.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:45 Uhr
−Foto: Puchner/dpa

Ingolstadt (DK) Sportdirektor Angelo Vier (kleines Foto) ist seit gut einem Jahr beim FC Ingolstadt im Amt. Vergangenen Freitag ging die Transferperiode in Deutschland zu Ende. Gleichzeitig verabschiedeten sich die Schanzer mit einem 3:2-Sieg gegen Erzgebirge Aue nach einem holprigen Saisonstart in die Länderspielpause. Wir zogen mit dem 46-Jährigen ein Zwischenfazit.



Herr Vier, vier Spiele, fünf Punkte, welc2he Note geben Sie dem FCI für den Saisonstart in der 2. Bundesliga?

Angelo Vier: Ich benote nicht. Aber ich kann sagen, dass wir von vier Spielen nur eines verloren haben. Regensburg war in Ordnung, Greuther Fürth war sehr gut, aber wir haben uns nicht belohnt, Magdeburg war ein besonderes Spiel, in dem wir gut dagegengehalten haben, und gegen Aue haben wir verdient gewonnen. Aber wir haben noch ein paar Sachen an denen wir zu arbeiten haben.



Was sind das für Dinge?

Vier: Gegen Aue haben wir nach dem Tor ein bisschen nachgelassen. Hätten wir das sehr gute Spiel gegen Fürth gewonnen, hätten wir wohl noch etwas mehr Sicherheit und mentale Stärke gehabt und hätten auch gegen Aue 90 Minuten unser Spiel durchziehen können. Dazwischen lag aber eben auch das Pokalspiel in Paderborn (1:2), und das war schlecht. Aber wenn wir in der Liga zwei Punkte mehr auf dem Konto hätten, wäre es gut, dann wäre das ein gelungener Start.



Mit zwei Punkten mehr läge der FCI im Soll?

Vier: Ja. Gegen Fürth zwei mehr und noch ein Punkt in Regensburg, das wäre möglich gewesen.



Die Mannschaft hatte die größten Probleme mit Gegnern, die ein starkes Angriffspressing spielten. Fehlen da noch die Lösungen?

Vier: Welches Team hat gegen physisches Pressing keine Probleme? Das ist immer schwer. Wir müssen in solchen Spielen dagegenhalten, warten und dann in den Phasen zuschlagen, in denen der Gegner nicht mehr so stark anläuft. Je mehr Erfolgserlebnisse wir haben, je eingespielter und sicherer wir sind, desto besser können wir auf solche Situationen reagieren. Daran werden wir arbeiten.



Sind die Probleme noch dem Findungsprozess nach dem personellen Umbruch geschuldet oder liegt es am Spielsystem?

Vier: Das hat schon mit der Findungsphase zu tun. Erfolgserlebnisse sind wichtig für uns, weil eine Mannschaft mit Siegen und Sicherheit schneller zusammenwächst. Darum waren auch die drei Stürmertore gegen Aue so wichtig. Wir haben genug Qualität, die dann in unseren Druckphasen auch zur Geltung kommt. Aber es braucht Zeit, dass die Mannschaft ein Gefühl dafür bekommt und sich auch Leistungsträger herauskristallisieren, die den Takt vorgeben.



Bisher stimmt die Balance zwischen Kampf und Spiel aber noch nicht.

Vier: Wir haben die Typen für beides in der Mannschaft. Jetzt müssen wir eine Symbiose finden. Auch die spielerisch starken Jungs müssen dagegenhalten, auch wenn es vielleicht keinen Spaß macht. Wir müssen wieder dahin kommen, wofür der FCI in der Bundesliga stand. Da hieß es, dass das eine unangenehme Mannschaft ist gegen die keiner gerne spielen möchte.



Wie lange darf dieser Prozess dauern?

Vier: Eine Zeitspanne kann man da nicht vorhersagen. Je eher man Erfolgserlebnisse hat, desto schneller kann das gehen. Wir haben ja nicht nur neue Spieler geholt, sondern wollen auch die Struktur der Mannschaft verändern. All das muss erst wachsen. Alle Jungs wollen, sind ehrgeizig und marschieren. Das ist das Wichtigste.



Sind Sie überrascht, dass angesichts des Umbruchs so schnell Kritik an Trainer Stefan Leitl aufkam?

Vier: Ja, das finde ich schon extrem. Mich wundert auch, wo das herkommt. Wir haben uns für einen jungen Trainer aus dem Verein entschieden, was am Anfang ja auch gut aufgenommen wurde. Stefan ist ehrgeizig und arbeitet akribisch. Aber erwartet man, dass gleich alles perfekt läuft und wir alle in Grund und Boden spielen? Das ganze Trainerteam entwickelt sich und wird mit den Aufgaben wachsen. Das ist ganz normal. Natürlich hat er seine Vorstellungen, aber er reflektiert sich und kommuniziert viel mit der Mannschaft, dem Trainerteam und auch der sportlichen Leitung. Das Anspruchsdenken im Umfeld ist schon sehr groß. Wenn jemand jede Woche einen klaren Sieg sehen will, dann muss man ein Stückchen weiter fahren. Es gibt in Deutschland nur eine Mannschaft, die das aktuell liefern kann. Das ist der FC Bayern München.


Aber der FC Ingolstadt hat ja schon zum Ziel, im oberen Tabellendrittel mitzuspielen.

Vier: Wir waren in der Vorsaison Neunter und wollen uns auf jeden Fall verbessern. Wir haben junge Spieler geholt, die brauchen Zeit und Sicherheit. Und wenn man es genau nimmt, haben wir jetzt fünf Punkte, vor einem Jahr hatten wir nach vier Spieltagen drei. Also haben wir uns dahingehend schon verbessert. Man muss die Dinge auch mal positiv sehen und sich über jeden Sieg freuen. Ich glaube, das ist ein wenig verloren gegangen.



Sie sind seit einem Jahr in Ingolstadt und früher als Spieler auch in Deutschland ziemlich herumgekommen. Was ist hier anders als beispielsweise in Bielefeld, Osnabrück oder Oberhausen? Wie nehmen Sie Ingolstadt wahr?

Vier: Die Region und Bayern bringen es halt mit sich, dass in allen Dingen ein hoher Standard herrscht. Der FCI ist ein junger Verein. Hier müssen wir versuchen, die Leute zu begeistern, damit sie ins Stadion kommen. Aber das Anspruchsdenken ist schon sehr hoch. In allen Bereichen, nicht nur im Fußball. Aber das muss man relativieren. Der FC Ingolstadt war zwei Jahre lang in der Bundesliga. Das war sensationell und gut. Aber die Entwicklung war so rasant, das war nicht selbstverständlich. Das muss man schon einordnen und auch anerkennen, was gemacht wird und den Verein in allen Bereichen unterstützen. Da gibt es schon in einigen Dingen Unterschiede zu anderen Städten, Vereinen und Umfeldern.



Als Sportdirektor waren Sie erstmals für eine Sommertransferperiode verantwortlich. Sie haben neun Spieler verpflichtet, aber Wunschstürmer Andreas Voglsammer aus Bielefeld kam nicht. Warum nicht, und gab es für diesen Fall keinen Plan B?

Vier: Wir haben immer gesagt: Voglsammer wäre das i-Tüpfelchen gewesen. Er stammt aus Bayern und hätte auch mit seinem Charakter und seiner Art, Fußball zu spielen, gut zu uns gepasst. Aber wir sind im Angriff sehr gut aufgestellt. Deshalb mussten wir nicht unbedingt noch einen weiteren Stürmer verpflichten.



Dann haben Sie jetzt ja noch Geld übrig.

Vier: Der Verein hat sich wirtschaftlich etwas erarbeitet. Voglsammer wäre für unsere Verhältnisse aber schon etwas Besonders gewesen. Geld haben wir deshalb nicht übrig, das benötigt der Verein ja auch für andere Dinge.



Dario Lezcanos Wechselwunsch hat sich zerschlagen. Ist er wieder mit vollem Herzen beim FCI?

Vier: Dario ist voll da. Das haben wir ja gegen Aue gesehen. Er ist ehrgeizig und konzentriert sich voll auf den FCI. Da mache ich mir keine Sorgen.



Wie weit sehen Sie den Umbau der Mannschaft umgesetzt?

Vier: Man braucht eine bis drei Transferphasen für einen kompletten Umbau. Es gibt schon noch ein paar Positionen, auf denen wir handeln wollen und von der Altersstruktur her auch müssen. Es hängt aber auch von der Entwicklung der Spieler ab, wie sich die Mannschaft verändert. Wenn einige unserer Spieler durch die Decke schießen, werden sicher andere Vereine aufmerksam. Aber insgesamt haben wir jetzt schon einen großen Schritt gemacht. Es ist wichtig, einen gut und ausgeglichen besetzten Kader zu haben, um auch Langzeitverletzte wie aktuell Christian Träsch und Almog Cohen kompensieren zu können.



Wie lautet die Zielsetzung für die nächsten Wochen?

Vier: Wir wollen die Leistungsschwankungen Stück für Stück verringern und als Mannschaft weiter zusammenwachsen und uns verbessern. Dann wird sich auch ein Kern herauskristallisieren, der die Mannschaft durch die Saison führen wird.

Das Gespräch führte

Gottfried Sterner.