Pfaffenhofen
Mit Wortklauberei zum Konsens

Stadträte bringen Verkehrskonzept einstimmig auf den Weg ohne Zeitvorgabe für Sperrungs-Entscheidung

23.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr

Foto: DK

Pfaffenhofen (PK) Nach einer denkwürdigen Debatte hat sich der Pfaffenhofener Stadtrat einstimmig zu einem Verkehrskompromiss durchgerungen: Ein großes Maßnahmenpaket wird ausgearbeitet - vorerst aber ohne die umstrittene Sperrung der Hauptplatzdurchfahrt. Damit hat sich ein Bürgerentscheid erledigt.

Das Verkehrskonzept ist beschlossen: von Schikanen auf Einfallstraßen über Lückenschlüsse beim Radwegenetz hin zur Ausweitung der Fußgängerzone. Nur die Sperrung der Hauptplatz-Durchfahrt als entscheidender, aber auch umstrittener Punkt bleibt vorerst außen vor. Darüber wird voraussichtlich erst der neue Stadtrat ab 2020 entscheiden - nach Abschluss der übrigen Maßnahmen. Darauf haben sich die Stadträte nach langem Ringen mit einem einstimmigen Grundsatzbeschluss geeinigt. Somit kann es in den kommenden Monaten an die Details gehen, wie beispielsweise Parkraumkonzept oder Hauptplatzumgestaltung aussehen sollen. Fest steht allerdings: Es soll eine Zwischenlösung geben, bei der der Fußgängerbereich am südlichen Hauptplatz erweitert wird (siehe Grafik), ehe die Straße dauerhaft durch Granitpflaster ersetzt wird.

Dieser Konsens war hart umkämpft: Die CSU drohte sogar, einen Bürgerentscheid notfalls durch eine Verwaltungsklage zu erzwingen - quasi wegen des "Kleingedruckten": Bei Punkt fünf des Beschlusses (siehe Kasten rechts) hieß es im Verwaltungsvorschlag noch, dass über die Sperrung des Hauptplatzes für den Durchgangsverkehr nach Abschluss der restlichen Maßnahmen 2020 entschieden werde. Laut Stadtjurist Florian Erdle ist diese Formulierung zwar rechtlich sauber und käme dem Ansinnen des Bürgerbegehrens sogar entgegen. Doch in den Augen der CSU-Fraktion suggerierte diese Formulierung einen Automatismus, dass die Entscheidung in zwei Jahren ohne Wenn und Aber erneut auf die Agenda kommt.

Fraktionssprecher Martin Rohrmann nannte das eine "Verhohnepipelung", um das erfolgreiche Bürgerbegehren der CSU zu untergraben. Er lehne es ab, diesen Punkt "in ein zeitliches Korsett zu pressen". Ähnlich äußerte sich Rohrmanns CSU-Stadtratskollege Michael Kaindl: "Solange ein funktionierendes Gesamtkonzept nicht umgesetzt ist, kann die Sperrung des Durchgangsverkehrs kein Thema sein", argumentierte er. "Es würde doch keinem ein Zacken aus der Krone fallen, wenn auf unbestimmte Zeit auf eine mögliche Sperrung verzichtet würde."

Wie berichtet, wollten die Bunten eine Sperrung ursprünglich schon heuer realisieren. Sie haben Anfang Februar aufgrund des laufenden Bürgerbegehrens aber eingelenkt - "um Druck aus dem Kessel zu nehmen", so Herker. Und um "zumindest Schritte in die richtige Richtung zu gehen". In der mehrstündigen Debatte tat sich der Bürgermeister aber schwer, der CSU nicht nur durch inhaltliche Kompromisse, sondern auch durch kollegialen Tonfall entgegenzukommen - giftige Spitzen und Spott zogen sich durch die Wortbeiträge. So trug beispielsweise der Vorwurf Herkers, die CSU betreibe "Profilierung durch Polarisierung", nicht gerade zu einer einvernehmlichen Lösung bei. "Das ist eine Unterstellung, die sie nicht nötig haben", konterte Altbürgermeister Hans Prechter (CSU). "Lassen Sie bitte diese überheblichen Töne, dass irgendeine Person oder Gruppierung im Besitz der alleinigen Wahrheit ist", ermahnte er die Runde. Vermittlungsversuche wagte auch SPD-Sprecher Markus Käser: "Die endgültige Entscheidung zur Durchfahrt fällt in 2020", sagte er. "Aber vielleicht können wir uns auf den Weg bis dahin einigen."

Prechter machte schließlich einen Gegenvorschlag: Die strittigen Punkte 4 und 5 erst einmal streichen, um mit der Beschlusslage nicht schon jetzt dem Jahr 2020 vorzugreifen. Käser reagierte mit einem Antrag zur Geschäftsordnung: Die Sitzung wurde unterbrochen, bis die Bunten nach einer Dreiviertelstunde einen Kompromiss anboten, bei der die Punkte 4 und 5 zwar inhaltlich getrennt werden - ohne aber von der Festlegung auf das Jahr 2020 abzurücken. Abermals wurde die Sitzung unterbrochen, bis die CSU ihrerseits einen Vorschlag erarbeitet hatte: die schlichte Streichung der Jahresangabe "2020" in Punkt vier. Unter dieser Prämisse fiel der Entschluss nach fast drei Stunden Sachvortrag und Debatte schließlich einstimmig. Und weil damit die Forderungen des Bürgerbegehrens "Lebendiger Hauptplatz ohne Hindernisse" erfüllt ist, entfällt auch die Grundlage für einen Bürgerentscheid, wie der Stadtjurist mit Verweis auf die Gemeindeordnung erklärte.

SPD-Chef Käser wertet den Kompromiss als Erfolg. "Das ist deutlich mehr, als wir noch vor einem Jahr diskutiert haben - wir schaffen einen großen Schritt zur Verkehrsentlastung und hin zur nachhaltigen Mobilität", sagte er. Aber auch die CSU wertet den Beschluss als vollen Erfolg: "Unser Bürgerbegehren wurde vollständig umgesetzt und wir haben erreicht, dass das Thema erst dann neu entschieden wird, wenn die übrigen beschlossenen Maßnahmen des Verkehrskonzepts umgesetzt sind", argumentierte CSU-Ortsvorsitzender Christian Moser - "auch wenn das länger dauern sollte, als bis 2020."

All die Wortklauberei um das Jahr 2020 bleibt am Ende aber nur Kosmetik: Denn der Stadtrat kann sich verbindlich nur für die eigene Periode festlegen. Nach der Kommunalwahl im besagten Jahr 2020 hat der neue Stadtrat freie Hand, wann und wie er zum Thema Durchfahrtssperre entscheiden will.

Kommentar

Beide Seiten feiern ihn als Erfolg. Aber eigentlich sollte nach diesem neuen Stadtratsbeschluss zum Verkehrskonzept weder der CSU, noch den Bunten zum Feiern zumute sein. Einerseits, weil die Bunte Koalition sich sichtlich schwer tut mit ihrem Einlenken, das sie zwanghaft zu einem Erfolg umzudeuten versucht. Dabei scheint sie vielmehr um Schadensbegrenzung bemüht gewesen zu sein -zu großwar offenbar die Sorge vor einem Bürgerentscheid mit ungewissem Ausgang. Andererseits, weil die CSU mit ihrer mangelhaften Chancenverwertung nicht zufrieden sein darf. Statt die starke Position durch das erfolgreiche Bürgerbegehren auszunutzen, lässt sich die überrumpelte CSU-Fraktion letztlich auf eine unglückliche Formulierung ein: Sie wollte eine neue Entscheidung des Stadtrats über die Durchfahrtsperre nicht auf das Jahr 2020 festgelegt wissen und ließ die Jahreszahl "2020" streichen. Böswillig interpretiert könnte das allerdings einen neuen Anlauf der Sperrungsbefürworter bereits 2019 ermöglichen, sobald die rechtliche Bindungswirkung nach einem Jahr ausgelaufen ist. Diese Möglichkeit hat SPD-Bürgermeister Thomas Herker auch schon süffisant angedeutet. Sicherlich: So eine Finte wäre politisch unklug und ist blanke Theorie. Trotzdem hat die CSU ihre größte Chance seit Langem vergeben, als starke Opposition zu glänzen. Statt den Kompromiss beispielsweise als "Erfolg von Vernunft und Bürgerwillen gegen bunten Aktionismus" zu feiern, beschränkte sie sich auf glanzlose Wortklauberei. Zumindest einen Trost gibt es: Das in der Sache richtige Verkehrskonzept ist auf den Weg gebracht - Sperrung hin oder her. Michael Kraus