Altmannstein
Mit Weitblick und Tatkraft: Norbert Hummel wird 60

19.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:39 Uhr
Aus dem Leben: Norbert Hummel im Fasching, als neu gewählter Bürgermeister, beim Fliegenfischen und als Moderator bei der Feuerwehr-Modenschau (1998). −Foto: Ammer, Janda, Archiv

Es läuft nie alles glatt, das Leben hat bisweilen scharfe Kanten. Doch Norbert Hummel weiß sie zu nehmen - selbst die, die ihn ins Rathaus geführt hat. Am Freitag feiert der Altmannsteiner Bürgermeister seinen 60. Geburtstag. Und auch wenn er sich fragt, wo all die Jahre geblieben sind, weiß er eines sicher: "Es war eine schöne Zeit."

60 Jahre? "Ich kann es eigentlich gar nicht glauben. Ich schaue aus wie ein 60-Jähriger, aber ich fühle mich nicht wie einer." Norbert Hummel lächelt. Auf einem Bankerl vor der Burg, mit Blick über Altmannstein. Eigentlich kann es doch erst ein paar Jahre her sein, dass er in die Schule gekommen, in den Beruf eingestiegen ist. Dass er und seine Frau das Haus umgebaut haben, die Kinder gekommen sind. Und er weiß nicht, wo sie hin sind, die 42 Jahre zwischen 18 und 60 - die unbeschwerten Momente und die schmerzlichen. "Aber wenn du deine Kinder anschaust, siehst du, dass du schön langsam alt wirst." Dann lacht er. Das soll jetzt nicht so klingen, als würde er schon 100 werden. Doch eines sagt Altmannsteins Bürgermeister rückblickend mit Gewissheit: "Ich bereue nichts."

Wenn man seine Weggefährten nach ihm fragt, stößt man immer wieder auf eine ähnliche Charakterisierung: "Er ist ein besonnener und überlegter Mensch und ein sehr guter Freund", sagt Josef Ofner, Bürgermeister der Partnergemeinde Hüttenberg. Sein Beilngrieser Amtskollege Alexander Anetsberger bewundert Hummels "sonore Stimme, die er auch in der größten Aufregung nicht hebt. Alleine an seiner Wortwahl merkt man, dass er grantig ist." Und noch etwas: "Seinen Mut, im Hochsommer seine Anzugsordnung dahingehend zu lockern, Sandalen ohne Socken zu tragen." Georg Halbritter erzählt von einer geselligen Schafkopfrunde und einem langjährigen Freund, "jemand, auf den man sich verlassen kann". Und das nicht nur im Sauspiel, sondern auch als Aufsichtsratsvorsitzender der Raiffeisenbank. Doch eine Frage stellt man sich, auch bei der Waldbesitzervereinigung: Wie viele Hard-Rock-Café-Shirts besitzt der Mann? Immerhin wurde er damit sogar zur Lederhosn gesichtet.

"Sieben", verrät Hummel nach kurzem gedanklichen Zählen. Nicht alle selbst gekauft, aber viele. Der Altmannsteiner ist einer, der gerne reist - am liebsten nach Italien. Aber lieber nicht zu lang. "Ein paar Tage, das reicht dann schon." Denn Hummel ist auch einer, der gerne nach Hause kommt. Zu Familie und Freunden, in die wunderschöne Gegend rund um Altmannstein.

Der Schambachursprung, der Kreutberg - alles Orte, an die er gerne geht, an denen er die Natur auf sich wirken lässt. "Da merkt man, dass man mit der Gegend hier verbunden ist, dass sie die Heimat ist, und dass sie es wert ist, dass man sich für sie einsetzt." Landschaft, Orte, Kultur, all das gab auf gewisse Weise den Ausschlag, dass Hummel schließlich Bürgermeister wurde. Etwas, das er nie vorgehabt hatte, etwas, das nie so gekommen wäre, hätte das Leben nicht seine Ecken und Kurven. Und rückblickend war es für ihn der richtige Schritt. "Ich habe es keine Sekunde bereut."

Dieser Weg beginnt mit einem Fest. Mit 25 Jahren ist Hummel Festleiter bei der 425-Jahr-Feier des Schützenvereins. Ein prägendes Erlebnis - "ich habe zum ersten Mal gemerkt, was es bedeutet, Verantwortung zu tragen". Die Erfahrung ist ein Startpunkt, auch beruflich. "Ich wollte etwas aufbauen, organisieren." Ein zweiter entscheidender Moment: Als er mit 30 zum ersten Mal in den Gemeinderat gewählt wird. Und zwar nicht für die CSU, sondern über eine neugegründete unabhängige Liste, da es mehr Kandidaten als Listenplätze bei der CSU gab. "Das war für mich eine ganz spannende Zeit." Zwölf Jahre später werden Forderungen laut, er solle doch gegen Bürgermeister Adam Dierl kandidieren. "Damals wollte ich beruflich nicht aufhören." Er wechselt zurück in seine politische Heimat, die CSU. "Das war einschneidend, aber im Nachhinein der richtige Weg."

Das Jahr 2011 verändert vieles. Hummels Vater stirbt, Dierl erleidet einen Schlaganfall. Als Stellvertreter übernimmt Hummel zusammen mit der dritten Bürgermeisterin Hannelore Eichenseher und Verwaltungsleiter Manfred Zippel die Amtsgeschäfte. Das alles neben seinem Beruf als Abteilungsleiter für IT-Systeme. Nach einigen Monaten steht fest: Dierl kehrt nicht ins Rathaus zurück. Für Hummel stellt sich wieder die Frage nach dem Bürgermeisteramt. Doch 2011 ist noch nicht zu Ende. Hummel erkrankt - ein bösartiger Tumor, der rechtzeitig erkannt wird und ohne Komplikationen operiert werden kann. Trotzdem finden die Bürgermeisterwahlen erst im Juli 2012 statt: "Ich wollte Gewissheit haben, es bringt ja nichts, wenn du gewählt wirst und nach einem halben Jahr wieder aufhören musst."

Die Entscheidung zu kandidieren, fällt Hummel völlig jenseits von den Fragen nach Arbeitszeit oder Geld. "Es waren Emotionen, ich wollte das einfach machen." Und das viele berufliche Reisen gefällt ihm nicht mehr. Viel lieber will er für die Gemeinde etwas bewegen. Das ist ihm ein Herzensanliegen, auch heute noch. Er deutet vom Bankerl aus hinüber auf den eingerüsteten Bergfried, der gerade renoviert wird. "Das ist das Wahrzeichen von Altmannstein, es ist 900 Jahre oder älter. Für mich ist es schön und befriedigend, wenn ich sehe: Das bleibt." Selbst wenn ein anderer vielleicht frage: "Was will er mit dem alten Glump?" Ihm bereitet es Freude - und "das kann man materiell nicht bewerten".

Eine Einstellung, vor der der Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl den Hut zückt: "Es kommt nicht oft vor, dass eine erfolgreiche Führungskraft aus der Industrie bereit ist, sich ganz und gar in den Dienst der Heimatgemeinde zu stellen." Umso mehr sieht er Hummel als Glücksfall für Altmannstein und den ganzen Landkreis. "Er ist fair, gerecht und herzensgut. Und wenn es um die Interessen seiner Gemeinde geht, ist er gleichzeitig enorm durchsetzungsstark."

91,8 Prozent holt Hummel bei der Wahl, doch er bleibt bescheiden: Sicher sei es ein tolles Gefühl gewesen, "aber spätestens nach einer Woche ist das Geschichte. Man kann nicht von den 91 Prozent leben." 60 bis 70 Stunden die Woche arbeite er als Bürgermeister, "alle Viere von sich strecken geht vielleicht mal am Sonntagnachmittag". Wenn nicht Haushalt oder Garten rufen. Auch Tomaten und Zucchini wollen Aufmerksamkeit. Ebenso wie die vielen Vereine. Und das, obgleich der mehrfache Schützenkönig das Schießeisen längst an den Nagel gehängt hat, ebenso wie sein Engagement bei den Damischen Rittern. Auch wenn ihm das großen Spaß gemacht hat: "Wenn du eine Stunde trommelst, dann ist alles befreit. Nicht einmal, dass ich danach schlecht drauf gewesen wäre."

Manchmal bleibe selbst zu wenig Zeit für die Freunde. Und für Hobbys. Wandern und Fliegenfischen zum Beispiel. Fliegenfischen? Er schmunzelt. Ja, da brauche man wenig Vorbereitung, dafür sei man immer beschäftigt. Irgendwann habe er den Angelschein gemacht, hauptsächlich der Kinder wegen. Nur, dass die Kinder nicht so richtig Lust darauf hatten. Aber Hummel erinnert sich an schöne Urlaube: Er wandert den Gebirgsbach hoch, um zu fischen. Seine Frau liest.

Seine Frau. Sie prägt viele entscheidende Momente seines Lebens. Der Erste: "Natürlich als ich sie kennengelernt habe, sowas vergisst man nicht." Dann das Haus, die drei Kinder. "Das ist prägend." Rückblickend sagt Hummel: "Bis zu meinem 50. Geburtstag war ich völlig unbeschwert, ohne Schicksalsschlag." Im Januar 2017 stirbt Dagmar Hummel. "Meine Frau war der Mittelpunkt der Familie. Und der ist jetzt nicht mehr da." Hummel erzählt vom großen Loch, aus dem man erst wieder rauskommen müsse, wie wichtig es sei, dass die Familie zusammenhält, "dass diese nicht beginnt, sich in alle Winde zu zerstreuen". Und von guten Freunden. "Man braucht nicht viele, aber zwei sollte man schon haben." Er ist froh, wieder jemanden kennengelernt zu haben. Doch auch, wenn das Leben lebenswert ist, wenn es schöne Momente hat, manchmal kommen die Erinnerungen durch. Und Hummel weiß: "Das ist auch gut so."

Aufgewachsen ist der Altmannsteiner in der Schermühle, mitten im schönen Schambachtal. "Es war eine behütete Kindheit, aber wir hatten auch viele Freiheiten." Mit zehn Jahren habe es nichts Wichtigeres gegeben, als möglichst schnell mit den Hausaufgaben fertig zu werden und nach draußen zu kommen. "Weil, wenn dich der Vater erwischt hat, hast irgendwas am Hof helfen müssen." Hummel erzählt von Banden in wechselnder Zusammensetzung und vom Umzug der Schule ins neue Gebäude. "Wir hätten zwar nicht reingehen dürfen, aber wir waren schon immer drin, als die Schule gebaut worden ist." Dann kamen die Kinder aus den Ortschaften dazu. "Wir waren halt die Altmannsteiner und haben gemeint, wir haben das Sagen", erinnert sich Hummel. Schnell stellte sich aber heraus: Auch die anderen Kinder haben ihre Meinungen und Banden. "Dann hat sich das ziemlich schnell vermischt." Sein Berufswunsch zu dieser Zeit? "Bauer! Aber es ist Gott sei Dank anders gekommen." Sein Großvater war vor allem Müller, der Vater schon mehr Landwirt. Mit fünf Kühen, 30 Schweinen, ein paar Hühnern, Wald, Feldern und Wiesen. Damals im Vollerwerb, aus heutiger Sicht viel zu klein, um davon leben zu können. Vom Bankerl aus betrachtet, breitet sich gleich unter Hummel das Schambachtal aus, das schon als Kind sein Reich war.

Heute sind es weniger die Banden und mehr die Partnerschaften, die ihm am Herzen liegen. "Man kann daraus für die eigene Gemeinde viele Themen mitnehmen." Und wie tatkräftig er mit anpackt, beweist eine surreale Szene bei einem Baumpflanz-Festival im spanischen Partnernaturpark: Mit einer langen Spitzhacke bricht Hummel den rissigen Boden auf, gräbt mit bloßen Händen ein Loch in die andalusische Pampa, begleitet von sphärischer Querflötenmusik. Alexander Anetsberger krempelt die Ärmel seines Hemdes hoch, Hummel - in Hard-Rock-Café-Shirt und Sandalen - pflanzt schon das Altmannsteiner Bäumchen. Und dann gleich noch das von Landrat Anton Knapp. Irgendwo zwischen Disteln und Idealisten.

"Zu dieser weltweit einzigartigen Partnerschaft hat er sowohl als Ratsherr als auch als Bürgermeister viel beigetragen", freut sich Dietmar Roth aus dem Naturpark María-Los Vélez und meint natürlich weit mehr als Hummels Geschick im Bäumepflanzen. "Ich habe Norbert als besonnenen, warmherzigen und verlässlichen Freund kennen und schätzen gelernt." Roth erinnert sich auch gerne an die Besuche der Andalusier in Bayern, "an die herzliche Gastfreundschaft in Altmannstein". Und Hummel freut sich über die Möglichkeit, "unser Brauchtum und unsere Kommunen vorzustellen". Sprachlich leichter tue er sich allerdings in Hüttenberg. In Österreich oder Norditalien könnte er sich sogar vorstellen, zu leben.

"Die Berge haben es ihm angetan", freut sich Josef Ofner. Und erzählt von einer geplanten Wanderung in Kärnten von einer Almhütte aus. "Als wir aus dem Auto raus sind, haben wir schon die ersten Freunde getroffen." Nach drei Stunden habe Hummel zu ihm gesagt: "Wandern gehen wir heute eh nimmer, oder?" Ofner lacht fröhlich. Man müsse das verstehen: Norbert Hummel ist in Hüttenberg längst gut bekannt - auch für seine Herzlichkeit.

Kein Wunder, dass die Kärntner ihm da besonders viel Glück und Gesundheit wünschen, wie Marktrat Hans Kuffer und seine Frau Jutta von einem Besuch beim traditionellen Reiftanz in der Partnergemeinde berichten: Das Pritschen soll an diesen Festtagen Glück und Gesundheit bringen, es wird einem also gewissermaßen der Hintern für die guten Wünsche versohlt - in diesem Fall der von Norbert Hummel. "Für Gesundheit und Glück muss man leiden, das trifft mich auch immer", weiß auch Ofner. Denn natürlich brauchen gerade Bürgermeister viel davon - "das bemerkt man an der Festigkeit der Schläge".

Und was wünscht sich der Jubilar selbst? "Ein paar ereignisreiche Arbeitsjahre, ich wäre mental noch nicht so weit, in Altersteilzeit zu gehen." Für den Geburtstag selbst will er nur eines: "Nicht zu viele Reden." Norbert Hummel schmunzelt. Ob dieser Wunsch zu erfüllen ist? Und später vielleicht irgendwann ein Enkelkind, "aber das kann ich nicht beeinflussen". Doch am Allerwichtigsten ist ihm: "Dass wir in der Familie gesund bleiben und dass man zufrieden ist. Alles andere kommt ganz von selber."
 

Isabel Ammer