Schrobenhausen
Mit Wäscheklammern im Wald

Was es mit der sogenannte Verjüngungsinventur der Forstwirtschaft auf sich hat

05.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:44 Uhr
Hier zeigt Guido Zitzelsberger (l.), wie er prüft, ob das Bäumchen groß genug ist, um bei der Inventur erfasst zu werden. Am grünen Stab sind dazu entsprechende Markierungen angebracht. −Foto: Heidrun Budke

Schrobenhausen (SZ) Förster fungieren zurzeit als Datensammler. Sie wollen feststellen, wie gut die Chancen für den Baumnachwuchs sind. Unterwegs mit Forstexperten im Stadtwald.

Verbiss, Ausfegen und Waldverjüngung - was für den Laien Fremdsprache ist, gehört für den Fachmann zum alltäglichen Sprachgebrauch und natürlich weiß ein Förster, Jäger oder Waldbauer gleich, worum es dabei geht. Nicht ganz so geläufig ist dagegen auch in Fachkreisen das Inventurverfahren für das "Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung", mit dem wichtige Erkenntnisse bezüglich des natürlichen Nachwachsens des gemischten Baumbestandes gewonnen und nicht zuletzt Abschussempfehlungen für Schalenwild getroffen werden. Um dieses Verfahren zu erklären, hatte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in den Schrobenhausener Wald bei Königslachen geladen.

Andreas Hahn, Bereichsleiter Forsten des AELF Pfaffenhofen erklärte zunächst Grundlegendes: Das Gutachten wird bereits seit 1986 im dreijährigem Rhythmus erstellt - und zwar für alle 750 Hegegemeinschaften in Bayern. Ziel ist es, die Situation der Waldverjüngung zu bewerten und in diesem Zuge den Verbiss und die Fegeschäden durch Schalenwild festzustellen.

So weit, so gut für den Fachmann. Für den Laien erklärt, bedeutet dies: Es wird gezählt, ob ausreichend junge Bäumchen aus eigener Kraft im Wald wachsen und beobachtet, wie sehr diese Bäumchen damit zu kämpfen haben, dass Rehe ihre Knospen abzupfen oder Rehböcke ihre kleines Geweih daran scheuern und dadurch die Rinde beschädigen.

Um diese Daten zu sammeln, wird eine Waldinventur durchgeführt. Eine Inventur kennt fast jeder aus dem Supermarkt oder aus dem Betrieb. Aber wie soll das im Wald ablaufen? Und tatsächlich ist das eine echte Herausforderung - das wird deutlich, als Hahn und Revierförster Guido Zitzelsberger das Verfahren auf dem Papier erklären. Verständlicher wird alles, als die Gruppe in den Wald geht und an einem sogenannten Inventurpunkt haltmacht.

Diese Punkte sind im Vorfeld auf der Karte ausgewählt worden. Ganz Bayern wird in Quadrate mit jeweils zirka 1,2 Kilometern Seitenlänge eingeteilt. In der Mitte wird dann ein Rasterpunkt gesetzt. Für das Gutachten aufgenommen werden Daten aus derjenigen Verjüngungsfläche, die diesem Punkt am nächsten liegt. Das heißt, schon allein die Suche nach dieser Fläche kann einige Zeit und den einen oder anderen Fußmarsch in Anspruch nehmen, denn unter Umständen gibt es an diesem Rasterpunkt noch nicht einmal Wald. Dann heißt es für den Aufnehmenden - das ist in der Regel der Revierförster, wie hier Guido Zitzelsberger - Auto fahren und laufen, bis die nächstgelegene Fläche gefunden ist, die dazu noch weitere Details wie etwa eine Mindestgröße erfüllen muss.

Hat Zitzelsberger die passende Verjüngungsfläche gefunden, geht es nach genauen Vorschriften an die Datenaufnahme: An einer Geraden werden fünf Stichprobenpunkte festgelegt und mit einer rot-weißen Stange markiert. Im Umkreis dieser Stange werden 15 Einzelbäumchen untersucht. Die müssen sich in Verbisshöhe befinden, heißt: Sie müssen mindestens 20 cm hoch und nicht größer als 1,20 Meter sein. Erfasst werden jeweils Baumart und Höhe, der Verbiss an einem Leittrieb, der Verbiss im oberen Drittel des Bäumchens und Fegeschäden. Damit Zitelsberger keinen Baum doppelt zählt, hat er sein eigenes Verfahren: Er markiert jeden gezählten Winzling mit einer Wäscheklammer. Genau 14 Stück hat er in einem Beutel dabei. Pfiffig, und sicher der langjährigen Erfahrung geschuldet.

Beeindruckend für den Laien ist, wie genau der Verbiss erkannt werden kann. Die Interessenten, die sich an diesem Morgen die Inventur erklären lassen, sehen nicht nur, ob Reh, Hase oder Maus am Bäumlein geknabbert haben, sondern sogar, ob die Knospe vor ein oder zwei Jahren abgebissen wurde. Aufgenommen werden die Daten gleich vor Ort im Wald in einem Computerprogramm, das keine Fehleingaben zulässt. Mittels Maßband wird der Radius erfasst, in dem die geprüften kleinen Bäume wachsen, der Wert wird ebenfalls festgehalten. Zusätzlich aufgenommen werden fünf Bäumchen, die kleiner sind als 20 Zentimeter.

Diese Prozedur wird in den nächsten Monaten an 550 Inventurpunkten im Bereich des Landwirtschaftsamtes Pfaffenhofen vorgenommen, in ganz Bayern gibt es etwa 22 000 Aufnahmepunkte - ein enormer Aufwand, der übrigens in keinem anderen Bundesland so betrieben wird.

Und was ist der Sinn dieser Inventur? Auf Basis des Zahlenwerkes - das den Waldbauern und Jagdgenossen zu Verfügung gestellt wird- entsteht ein Gutachten, das Aufschluss darüber gibt, wie es um die Entwicklung das natürlich wachsenden Waldes in Bayern bestellt ist, welchen Schaden das Schalenwild anrichtet und welche Abschusshöhe in welchem Revier empfohlen wird, um genügend jungen Bäumen das unbeschadete Wachsen zu ermöglichen. Andreas Hahn betont: "Ziel ist, einen gesunden, vielfältigen Wald zu erhalten, der dann dem Schalenwild wiederum genug Deckung und Äsung bietet, um in größerer Zahl dort leben zu können."