Mit Scheinwerkverträgen agiert?

29.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr

Ingolstadt (DK) Gerichtlich wollen 15 ehemalige Angestellte zweier für Audi tätiger Fremdfirmen ihr Beschäftigungsverhältnis klären lassen. Die Klageerhebung hatte ihnen, wie bereits berichtet, zunächst ein Zutrittsverbot für das Gelände des Autoherstellers und als Folge die Kündigung durch ihre Arbeitgeber eingebracht. Gestern trafen sich die Beteiligten vor der Ingolstädter Kammer des Arbeitsgerichts München wieder, nachdem ein Gütetermin gescheitert war.

Der Sachverhalt ist für juristische Laien schwer zu verstehen. Auf einen einfachen Nenner gebracht geht es darum, dass die in der Informationstechnik tätigen Mitarbeiter über ihre Firmen bei der Technischen Entwicklung im Audi-Werk eingesetzt waren, einige seit 13 Jahren. Büros, PCs, Telefone, Kopierer und andere Arbeitsmittel seien komplett von Audi gestellt und sie selbst in die Betriebsabläufe eingebunden gewesen, argumentieren die Kläger. Sie hätten bei ihrer Arbeit auch vom Audi-Personal Anweisungen erhalten.

Die Betroffenen waren daher von Scheinwerkverträgen ausgegangen und hatten sich um ihre Übernahme durch Audi bemüht. Als daraus nicht wurde, wollten sie ihren tatsächlichen Status per Klage gegen Audi feststellen lassen, was dort offenbar auf großes Missfallen stieß. Nach einem Werksbetretungsverbot erhielten sie im Januar von den Fremdfirmen, papiermäßig ihre offiziellen Arbeitgeber, die Kündigung.

Anstellung, verdecktes Arbeitsverhältnis, Arbeitnehmerüberlassung, Dienstleistungsvertrag, Eingliederung, Werksvertrag oder vielleicht doch Scheinwerkvertrag? Verwirrende Begriffsmonster tauchen auf, wenn es darum geht, was der Normalbürger schlicht eine Stelle nennt. Da verwundert es nicht, dass die Materie sich auch noch juristisch als durchaus kompliziert darstellt. Darauf wies jedenfalls Karoline Schönleben, Vorsitzende der Ingolstädter Arbeitsgerichtskammer, beim gestrigen Termin hin.

Es seien in anderen Sachen noch einige Entscheidungen am Bundesarbeitsgericht und bei zwei Landesarbeitsgerichten in der Schwebe, die in den Ingolstädter Fall eventuell hineinspielen, sagte sie. „Die von uns zu beurteilende Frage hängt von so vielen offenen rechtlichen Bewertungen ab, dass ich keine Prognose zum Ausgang wage.“

Da die Scheinwerkvertragsthematik sehr schwierig sei, regte Schönleben einen Vergleich an. Mit dem Angebot einer Abfindung von gut 1,4 Bruttomonatsgehältern multipliziert mit der Zahl der Beschäftigungsjahre sei darüber bereits diskutiert, bekam sie zur Antwort. Der Vorschlag sei aber von der einen oder anderen Seite als inakzeptabel verworfen worden. „Oh mei, das ist echt schwierig“, entfuhr es da der Richterin, um gleich darauf vorzuschlagen, es doch einmal mit zwei Monatsgehältern als Berechnungsbasis zu versuchen. Nach einigem Hin und Her nahmen die Parteien den Rat an. Die Verhandlungen sollen bis Ende August abgeschlossen sein, am 12. Oktober erfolgt dann ein neuerlicher Termin am Arbeitsgericht. Sollte es zu einer Einigung kommen, würde die Frage, ob Audi tatsächlich mit Scheinwerkverträgen agierte, unbeantwortet bleiben.

Für die 15 entlassenen Mitarbeiter geht das Warten weiter. Ein paar stehen mittlerweile anderswo in Lohn und Brot. Einige Betroffene beklagten sich gestern darüber, dass sie von ihrer Firma keine ordentlichen Arbeitszeugnisse bekämen. „Man legt uns Steine in den Weg.“ Sie widersprachen zudem Aussagen ihrer früheren Chefin, wonach versucht worden sei, sie durch Gehaltserhöhungen im Betrieb zu halten. „Es war umgekehrt: Wir wollten mehr Geld, aber das haben wir nicht gekriegt. Statt dessen haben sie uns rausgeworfen.“