Eichstätt
Mit "Hockern" zu Tal gesaust

17.12.2010 | Stand 03.12.2020, 3:20 Uhr

Mariensteiner Skifahrer in den 1950er Jahren (von links): Heinz Flieger, Eckehard Schönfelder, Martin Arzenheimer, Josef Ettle, Adolf Zengerle und Elmar Ettle auf dem Schlitten. ? Reproduktion: je

Eichstätt (EK) Wenn vor 50 oder 60 Jahren Ski unterm Christbaum lagen, so waren das manchmal nur etwas bessere Fassdauben. Die Schuhhalterung bestand aus einem Federdraht, einfache Riemen hielten die Stiefelspitzen. Und doch ist damit die Jugend die steilen Jurahänge "wie der Teufel" hinabgesaust.

"Wintersportzentren" waren nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Lüften, in Marienstein und Rebdorf und an anderen Orten. Die Mariensteiner Abfahrt befand sich auf der "Kuhweide", die heute mit der Siedlung Am Wald bebaut ist. Die meisten Skifahrer starteten ganz oben am Waldweg und glitten im Schuss hinunter. Fast immer endete die rasante Fahrt bei einem Geländeabsatz mit einem schweren Sturz, und der Rennläufer rutschte bis ans Ende der Piste. Das "Gschau" bekam der Mariensteiner Bürgermeister Franz Klein, der in eleganten Schwüngen das Steilstück spielend meisterte. Er hatte das Skifahren bei den Gebirgsjägern gelernt.
 

ANNO DAZUMAL

Alten Berichten zufolge waren die Winter einst sehr schneereich; etwa so, wie im Dezember dieses Jahres. Dies rief natürlich nicht nur Kinder auf den Plan. Aber: Es gab auch Ärger. So sah sich der Magistrat von Eichstätt veranlasst, im Dezember 1842 im Intelligenzblatt zu verkünden: "Das so genannte Schleifen oder Schlittenrutschen in den Gassen ist nachdrucksamst verboten." Untersagt war auch das Schlittschuhlaufen auf der Altmühl, wenn sie nicht fest genug zugefroren war, sowie in der Nähe von Fischlöchern.

Im Adressbuch der Stadt Eichstätt von 1907 ist ein Eis- und Rodlklub verzeichnet, dessen Vorsitzender der Rechtsanwalt Karl Völkl war. Später nahm sich der Touring-Club der Wintersportler an und richtete Meisterschaften aus, die im Tiefen Tal ausgetragen wurden.

Die Rodler wurden auf die Berghänge verwiesen. 1907 stand in der Straßenpolizeiordnung unter Paragraph 20: "Das Schlittschuhlaufen und Schlittenfahren ist auf öffentlichen Plätzen und Straßen, an welchen Gefahr für sich selbst oder Vorübergehende besteht, verboten." Wobei zu bedenken ist, dass zu dieser Zeit noch kein Auto in Eichstätt fuhr. Die Stadtväter gingen damals sogar so weit, sogar das Schneeballwerfen unter Strafe zu setzen.

Ein interessanter Bericht über die Winterfreuden in den Jahren um 1910 ist dem Böhminger Lehrer und Heimatforscher Anton Gäck zu verdanken. Er schilderte Erlebnisse aus seiner eigenen Kindheit in der Heimatzeitung. Danach fuhren die Kinder mit Schlitten und aus Brettern selbst zusammengenagelten "Hockern" vor allem die Michelsbergstraße hinter. Sie blieben auch bei grimmiger Kälte bis zum "Gebetläuten" draußen. Eine andere Schlittenbahn war bei der Schießstätte, "Scheibn" genannt. Von dort konnte bis in die Försterstraße hinein geglitten werden. Hochbetrieb herrschte auf der Bucher Straße, wo sich überwiegend Erwachsene vergnügten, "weil die Bahn arg steil war, und der Schlitten gut gelenkt werden musste". Wie Anton Gäck weiter notierte, gefror in dieser Zeit sogar öfter der Birktalbach zu. Das ergab eine lange Eisbahn bis zur Mündung in die Altmühl.

Interessant ist, dass die bekannten Bock- oder Hörnerschlitten zuerst in Eichstätt gebaut wurden, und zwar bei Wagnermeister Steck. Die Rodel wurden aus Eschenholz gefertigt, die Einzelteile unter Dampf gebogen. Bernhard Steck kam im Jahr 1830 nach seinen Gesellenwanderjahren nach Eichstätt, die ihn nach Wien, Salzburg und München geführt hatten. Er heiratete in die Werkstätte des Hofwagners Bachmeier ein und betrieb das Unternehmen sehr erfolgreich weiter. Jährlich gingen von Eichstätt "einige hundert Schlitten" in viele Gegenden Bayerns.

Bald fand auch das Skifahren im Jura und Altmühltal Anhänger. Dass dieser Sport auch Skeptiker fand, belegt eine Anekdote aus den 1930er Jahren. Damals wollten drei Geistliche Herren im Herrengrund bei Landershofen das Brettlrutschen versuchen. Mit dabei war der spätere Bischof und Kardinal Joseph Schröffer. Die Priester gingen zuerst zum Bischof und erbaten sich die Erlaubnis dafür. Diese wurde ihnen erteilt.

In den 1970er Jahren kam es zu einer Wintersport-Euphorie im Landkreis mit dem Bau mehrerer Skilifte und der Anlage von Loipen. Auch Kreismeisterschaften wurden ausgetragen. Die Abfahrtsrennen stiegen wegen der Schneesicherheit im Gebirge. Das Langlauf-Championat wurde auf dem Rundkurs Buchenhüll, erstmals 1978, zuletzt 1987, gestartet.