Ingolstadt
Mit Handschuhen zum Halbmarathon

Läufer und Zuschauer kämpfen mit Kälte und Regen - Verena Bentele mit neuem Begleiter unterwegs

05.05.2019 | Stand 23.09.2023, 6:52 Uhr
Zwischen bunten Regenschirmen hindurch führt der Weg der Teilnehmer des FitnessRun - darunter Verena Bentele mit ihrem Begleitläufer Michael Pausder. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Gummistiefel und Handschuhe waren notwendige Accessoires beim 19. Ingolstädter Halbmarathon: Sowohl die Teilnehmer des RunningKids und des FitnessRun als auch die Besucher haben am Samstag mit Regen und Kälte gekämpft.

Für die Läufer am Abend herrschten aber optimale Bedingungen - und so kam zumindest am Start auch endlich die gewohnte Partystimmung auf.

Verena Bentele steht frierend im Klenzepark und wartet auf den Beginn des FitnessRun. Sie ist vor einer Stunde mit dem Zug aus Berlin angereist und wollte eigentlich am Halbmarathon teilnehmen. Diesen musste sie tags zuvor aber absagen, weil ihr Begleitläufer erkrankt ist. Den braucht die 37-Jährige dringend, denn Bentele ist von Geburt an blind. Heute in Ingolstadt zu laufen, will sich die zwölffache Paralympics-Siegerin im Skilanglauf und Biathlon aber nicht nehmen lassen - da stört sie der Regen wenig. "Ich war Wintersportlerin, ich hasse schlechtes Wetter", scherzt sie.

Weil dem natürlich nicht so ist, hat sich die Präsidentin des Sozialverbands VdK kurzerhand dessen Landesgeschäftsführer Michael Pausder als Begleitläufer geschnappt. Weil er sich den Halbmarathon nicht zutraut, laufen die beiden den knapp sieben Kilometer langen FitnessRun. "Das ist eine große Herausforderung", gibt Pausder zu. Damit meint er nicht den Lauf, sondern seine neue Aufgabe als Benteles Begleiter. So warten die beiden - an den Händen über ein gelbes Band verbunden - nun ein Stück vor den anderen Läufern auf den Startschuss.


Mit anderen Problemen haben zuvor die Teilnehmer des Kinderlaufs zu tun: Der angekündigte Regen ergießt sich über die jüngsten Läufer. Veranstalter Roland Muck - ausgestattet mit Regenhose - entscheidet sich, die erste Gruppe eher auf die Tilly-Wiese zu schicken. "Es ist hektischer als sonst, weil wir alles schneller durchziehen wollen. " Er ergänzt schmunzelnd: "Kinder müssen lernen, dass man nass werden kann, wenn man draußen etwas unternimmt. "

Die Moderatoren versuchen, Stimmung zu verbreiten ("Regen macht schön und lässt die Kinder wachsen. "), während diese zwischen orangefarbenen Hütchen durch den Schauer rennen. Manchmal wirkt das: Zwei Mädchen erreichen das Ziel lachend Hand in Hand. "Die haben erkannt, worauf's ankommt", ruft einer. Bei anderen müssen Mama und Papa Überzeugungsarbeit leisten. "Du weißt doch, dass ich bei so einem Wetter nicht laufen kann", jammert ein Bub - der am Ende aber wie jedes Kind eine Medaille um den Hals bekommt. Eine Anerkennung gerade für unzählige Schul- und Kindergartengruppen, die sich gezielt mit Lauftraining auf diesen Tag vorbereitet haben.

Für Michael Pausder gilt das nicht. Er spricht sich noch kurz mit Verena Bentele über die Kommandos ab, während sich die anderen Läufer - manche mit Walking Sticks, andere im Bierflaschen-Kostüm - mit einem lautstarken "We will rock you" aufwärmen und schließlich von Zehn runterzählen. Nach dem Startschuss führt ihr Weg an wenigen hartgesottenen Zuschauern vorbei auf den Donausteg, wo Bentele und Pausder zwischen bunten Outfits verschwinden: Allein 325 Teilnehmer tragen für den wertungsfreien Lauf das grüne Shirt der Airbus-Kollegen, fast doppelt so viele werden beim Halbmarathon antreten.

Knapp 40 Minuten später erreichen Bentele und Pausder die Exerzierhalle. Die blinde Sportlerin lobt ihren Begleiter: "Wir haben niemanden umgelaufen, und ich bin nicht in die Donau gefallen. " Nur einen Baum habe sie gestreift, fügt sie lachend an, ehe sie sich am VdK-Stand noch einer anderen Sache widmet: Sie nimmt die Petition "Das Altenheim Fechtgasse muss bleiben" des neuen Freundeskreises der Heilig-Geist-Spital-Stiftung entgegen, um ein Zeichen für die Teilhabe alter, kranker und behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben zu setzen. Der Freundeskreis will mit der Petition an OB Christian Lösel erreichen, dass die Heilig-Geist-Bewohner - darunter 36 VdK-Mitglieder - in der Innenstadt bleiben können. "Es geht um Integration und darum, dass die Bewohner selbstständig sind", sagen Edith Möller und Bernd Rachner vom Freundeskreis.

Dass Integration zumindest beim Halbmarathon funktioniert, beweisen Volker Simm und seine Schützlinge. Der Lehrer der Förderschule des Caritas-Zentrums St. Vinzenz nimmt mit vier Schülern am Staffellauf teil. Einer davon ist Antony - laut Simm ein echtes Lauftalent. "Wir haben einmal pro Woche auf der Bahn trainiert", berichtet der 15-Jährige, der den Startschuss kaum erwarten kann.

So geht es auch den anderen Teilnehmern, die neben der Anspannung angesichts der sportlichen Herausforderung auch der Kälte entkommen wollen. Der Regen hat endlich aufgehört, dafür weht jetzt ein Wind über die Konrad-Adenauer-Brücke. Wo im vergangenen Jahr Schwitzen angesagt war, ziehen die Läufer ihre langen Hosen heuer erst kurz vor Beginn aus. "Absoluten Respekt, das bei fünf Grad auf euch zu nehmen", ruft OB Lösel, ehe er die Pistole in die Hand nimmt. "Das zeugt von Überzeugung. Ich hoffe, dass ihr schnell warm werdet. "

Als dann Queens "We are the champions" aus den Lautsprechern erklingt und die Zuschauermenge einstimmt, herrscht endlich die Partystimmung, für die die Ingolstädter Laufveranstaltungen so beliebt sind. "Es ist angerichtet", heißt es, als die Sportler losjoggen. Zweieinhalb Minuten dauert es, bis sich der letzte in Richtung Innenstadt aufgemacht hat. Sei es auf der kleinen Tribüne an der Donaustraße oder begleitet durch die Trommler am Rathausplatz - zum Anfeuern sind vielleicht nicht so viele Fans wie sonst gekommen, aber Veranstalter Muck zählt doch wieder Tausende Zaungäste, die am Ende 2121 Läufer ins Ziel begleiten.

Mehr zum Thema:
Den Liveblog zum Ingolstädter Halbmarathon können Sie hier nachlesen.

Tanja Stephan