Dingolfing
Mit Gurkenwasser gegen Glatteis

Pilotprojekt startet im Winter in Niederbayern – Firma in Schwaben denkt über ähnliches Verfahren nach

18.12.2019 | Stand 02.12.2020, 12:22 Uhr
Wenn die Gurken in die Produktion gehen, bleiben pro Silo rund 10.000 Liter Salzwasser übrig. −Foto: Manuel Birgmann

Dingolfing/Todtenweis - Es riecht salzig und nach Gurken, wenn man die Produktionsräume der Firma Develey in Dingolfing betritt. Mehrere Meter geht es über eine steile Trittleiter nach oben. Von dort kann man in die großen Wannen sehen. Darin schwimmen Tausende Gurken in salzigem Wasser. Wasser, das ab Januar auf niederbayerischen Straßen vor Glätte schützen wird.

Möglicherweise kann auch der Winterdienst in Schwaben demnächst  salziges Wasser  einsetzen: Beim Sauer- und Gemüsekonservenhersteller Durach in Todtenweis wird derzeit geprüft, ob man ein ähnliches Verfahren wie Develey einsetzen kann.

Die  Firma   Develey verarbeitet in Dingolfing jährlich 17 000 Tonnen Gurken. In rund 1000 Silos werden sie mit Salzwasser versetzt. Geht das Gemüse dann in die Produktion, bleiben rund 10 000 Liter Gurkenwasser pro Silo zurück. Zu diesem Zeitpunkt hat das Wasser einen Salzgehalt von etwa neun Prozent. „Eine weitere Verwendung haben wir für das Wasser nicht gehabt“, erklärt der Dingolfinger Werkleiter Thomas Huber. Es wurde über eine Kläranlage entsorgt. Jetzt wird es aufbereitet und als Salz-Sole von den Winterdiensten auf den Straßen ausgebracht.

Woher kommt diese ungewöhnliche Idee? Der direkte Nachbar des Develey-Werks ist der staatliche Bauhof Dingolfing. „Wir haben vor zweieinhalb Jahren mitbekommen, dass dieser im Winter mit Salzwasser arbeitet – nicht mehr mit Streusalz“, erinnert sich Huber. Der Anstoß dazu kam von Develey-Mitarbeiter Patrick Biebl, 28. „Wir haben doch jede Menge Salzwasser übrig, habe ich mir gedacht“, schildert Biebl. 
Eine einfache und doch geniale Idee: Gut für die Umwelt, gut für Develey. Lediglich eine Hürde galt es zu überwinden: Die Salz-Sole braucht einen Salzgehalt von rund 22 Prozent. Das Gurkenwasser von Develey hat einen zu geringen Salzanteil. Außerdem müssen Schwebeteilchen herausgefiltert werden. In mehreren kleinen Versuchen wurde die Umwandlung perfektioniert. Im Herbst dieses Jahres kam das finale Okay. Zahlreiche Tests und Analysen hatten ergeben, dass die Sole ohne Bedenken auf den Straßen ausgebracht werden kann. „Es ist ein gutes Gefühl, dass die Idee jetzt in die Tat umgesetzt werden kann“, freut sich Patrick Biebl. 

Im Januar startet das Pilotprojekt. Dafür stehen auf dem Werksgelände zwei Tanks, in denen die Sole aufgefangen und aufgesalzen wird. Ein Tanklaster fährt die Flüssigkeit dann zu den Straßen- und Autobahnmeistereien, diese wiederum bringen es auf die niederbayerischen Straßen. Zunächst machen der staatliche Bauhof Landshut, der staatliche Bauhof Dingolfing und die Autobahnmeisterei in Wörth an der Isar  mit. Hat das Pilotprojekt Erfolg, ist es möglich, dass auch andere Bauhöfe und Meistereien das aufbereitete Gurkenwasser ausbringen. Bisher stellen die meisten Autobahn- und Straßenmeistereien in Bayern die Sole  im Regelfall selbst her, indem sie Tausalz in Sole-Anlagen mit Wasser mischen. Bayerns Verkehrsminister  Hans Reichhart (CSU) sagte bei der offiziellen Bekanntgabe  des Pilotprojekts vergangene  Woche: „Wir verringern die Menge an Salz, das in die Umwelt gelangt – eine Win-Win-Situation.“

  Das Ministerium hat auch mit der schwäbischen Firma Durach Kontakt aufgenommen. Deren Geschäftsführer Stefan Tarnowski erklärt auf Nachfrage, dass sich die Produktionsprozesse von Develey und Durach nicht vergleichen lassen und das Gurkenwasser in ihrem Fall nicht geeignet sei, weil es einen anderen Salzgehalt hat. Gleichzeitig werde aber aktuell geprüft, ob mit dem Wasser, das bei der Vergärung von Weißkohl zu Sauerkraut entsteht, ein ähnliches Verfahren möglich sei, sagt Tarnowski. Eventuell könne auch dieses gefiltert und zur Sole verarbeitet für den Einsatz auf der Straße aufbereitet werden.

Die richtige Menge Salz ist entscheidend, weiß Andreas Maier, Leiter der Straßenmeisterei Dingolfing. Bei genau 22 Prozent hat das Wasser einen Gefrierpunkt von minus 21 Grad. So kalt wird es in Deutschland so gut wie nie. Hat die Sole aber einen Salzanteil von lediglich zwei Prozentpunkten mehr, liegt der Gefrierpunkt bei minus 3,6 Grad. Das Ausfahren der Salz-Sole hätte den gegenteiligen Effekt: Die Straßen würden sich in Eisflächen verwandeln. „Develey muss garantieren, dass diese Werte stimmen“, erklärt Maier.