Mit fester Hand das Ruder ergriffen

15.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:55 Uhr

Eichstätt (EK) Zu den bedeutendsten Eichstätter Fürstbischöfen zählt Marquard II. Schenk von Castell. Bemerkenswert ist an ihm seine lange Regentschaft von 1637 bis 1685 wie auch die Tatsache, dass er auf dem Immerwährenden Reichstag in Regensburg als kaiserlicher Prinzipalkommissar eine wichtige Rolle für die Reichsgeschichte spielte. Welche Rolle er für das Eichstätter Hochstift nach dem Dreißigjährigen Krieg einnahm, untersucht nun eine umfangreiche Studie von Genoveva Rausch in der Regensburger Reihe der "Eichstätter Studien". Sie schließt Forschungslücken, die bisher zum Thema "Eichstätt im Dreißigjährigen Krieg" zu bedauern waren.

Genoveva Rauschs Studie, hervorgegangen aus einer Dissertation im Winter 2004/05, nimmt zuerst den Wiederaufbau der Residenzstadt sowie des Hochstifts Eichstätt in den Blick, bevor sie die Bemühungen zur Wiederherstellung geordneter Verhältnisse nach dem Krieg und zur Verbesserung der Finanzlage thematisiert. Weiter werden Verwaltungsstrukturen der Zentralbehörden und der Außenämter dargestellt. Betrachtungen zum "Sozialprofil der Beamtenschaft" runden diesen Teil ab.

Durch die Vorlage zahlloser, auf fast 200 Seiten ausgebreiteten Kurzbiogramme, welche die Autorin in akribischer Archiv-Arbeit recherchiert hat, stellt sie reichhaltiges lokalhistorisch überaus interessantes Quellenmaterial für den Bereich des gesamten Hochstifts zur Verfügung: Die Liste der ermittelten Beamten reicht von Wolf Georg Agricola, der von 1649 bis 1664 Kastner zu Dollnstein war, und dem Mörnsheimer Gerichtsschreiber Albrecht Alberthal (der im Jahr 1642 bezeugt ist) über den fürstbischöflichen Rat Julius Heinrich von Gemmingen (1615-1661) und den Schernfelder Förster Michael Maier (der um 1655 geboren wurde) bis zum Nassenfelser Kastner Georg Zettl (der 1693 starb) oder dem fürstlich bischöflichen eichstättischen Hofrat Johann Martin von Zimmern, der um 1650 wiederholt Urkunden unterzeichnet. Von manchen Familien hat die Autorin tabellarische Genealogien zusammengestellt, die gute Überblicke bieten, etwa von der Arberger Familie Motzel, aus der ein Eichstätter und Generalvikar hervorging, oder von der vielköpfigen Familie Baumgartner.

Für die wissenschaftliche Forschung ergiebig aber sind Rauschs Ergebnisse zum Wirken Marquards II. Schenk von Castell, der als "starke, entscheidungsfreudige Herrscherpersönlichkeit" an der Spitze des Hochstifts stand und schon zu Beginn seiner Regentschaft als 32-Jähriger "mit fester Hand das Ruder ergriff": In Fragen der Jurisdiktion setzte er sich stets geschickt gegen das Domkapitel durch, mit dem er gleichwohl auch einvernehmlich zusammenarbeitete. Sein landesherrliches Schaffen war in den ersten Jahren vom Krieg geprägt, der die Sterblichkeit in Eichstätt nahezu versiebenfachte (1630 gab es hier 141 Verstorbene, im Jahr 1630 waren es schon 982). Nach dem Krieg hatte er Schulden abzubauen, und ab den 1650er Jahren waren die innere Ordnung wiederherzustellen und der Wiederaufbau des zerstörten Hochstifts zu leisten.

Man braucht kein Prophet zu sein, um zu prognostizieren, dass Rauschs Studie schon bald zu den historischen Standardwerken über die Geschichte des Hochstifts Eichstätt zählen wird.