Waidhofen
Mit Fackeln zum Ort der Tat

Leser unserer Zeitung bei einer speziellen Hinterkaifeck-Wanderung

29.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr
  −Foto: Hutter

Waidhofen (SZ) Fackelwanderungen zu jenem Ort, an dem vor mittlerweile 91 Jahren sechs Menschen ermordet wurden, gibt es mittlerweile regelmäßig. Unsere Zeitung bot eine ganz besondere Variante an: Buchautor Peter Leuschner war nämlich mit von der Partie.

66 treue Leser unserer Zeitung trafen sich am Freitagabend in Waidhofen, um einen spannenden Abend zu erleben. Binnen einer Stunde waren alle Tickets vergriffen gewesen. Peter Leuschner begrüßte sie und gab ihnen direkt Gelegenheit, Fragen zu stellen. Dabei gab er viel Detailwissen preis. Auf die Nachfrage eines Teilnehmers sagte er: „Heute könnte der Fall durch DNA-Spuren innerhalb weniger Stunden aufgeklärt werden.“ Die Beweisstücke seien allerdings heute weitgehend nicht mehr vorhanden, da sie 1944 bei einem Anschlag auf das Augsburger Justizgebäude verbrannt seien.

Auch die noch recht junge Theorie, es könnte sich um einen Ehrenmord gehandelt haben, der im Bereich des Waffenhandels anzusiedeln sei, wurde an dieser Stelle diskutiert. Nachdem der Finder des Briefs, der diese Theorie stützen soll, jedoch weder Original noch eine Kopie dieses Fundstücks je der Öffentlichkeit präsentiert habe, könne diese Theorie nicht ernster genommen werden als jede andere – auch wenn sie durchaus schlüssig klingen möge. „Solange das Verbrechen nicht aufgeklärt ist, ist alles möglich“, stellte Leuschner fest.

Danach durften sich die Besucher für die bevorstehende Laternenwanderung von 4,3 Kilometer Länge stärken. Im Waidhofener Gasthof genossen sie die ersten drei Gängen eines Vier-Gänge-Menüs. Unter der Führung von Sieglinde Bogenrieder und Gästeführerin Maria Weibl machten sich zwei Gruppen auf den etwas unheimlichen Weg Richtung Hinterkaifeck. Bewaffnet mit nichts mehr als einer Laterne, ging es über Feldwege, vorbei an Wäldern und Wiesen. „Viktoria Gabriel hatte im Beichtstuhl 700 Goldmark hinterlegt. Wer auch immer sie bekommen sollte, bekam sie aber nicht, denn der Pfarrer war schneller“, erzählte Weibl mit einem Schmunzeln vor der Waidhofener Kirche Mariä Reinigung.

Auf dem Weg nach Hinterkaifeck erfuhren die Gäste, wer den Spargel nach Schrobenhausen brachte, wie es kommt, dass der Boden hier so gut dafür geeignet ist, und worauf sie beim Spargelkauf und -verzehr im Besonderen achten sollten. Die Tierwelt kam in den Geschichten ebenfalls nicht zu kurz – vom Biber, der seinen Lebensraum an der Paar hat, bis hin zur Entwicklung der Jagd in der Gegend. Und auch die Geschichte von dem unterirdischen Tunnel, der zwischen dem einst auf dem Eichberg vor Gröbern thronenden Schloss und dem Regens-Wagner-Kloster zu Hohenwart verlief und noch immer vorhanden sei, faszinierte die Zuhörer.

Etwa auf halber Strecke nach Hinterkaifeck wurde es dann mysteriös. Die Teilnehmer erfuhren vieles über die Hintergründe der Tat, über den Wahrheitsgehalt gängiger Theorien und über den eigentlichen Tathergang in allen schrecklichen Einzelheiten. Am Marterl in Hinterkaifeck angekommen, gedachten alle Teilnehmer mit einem Gebet der Verstorbenen und Weibl entzündete eine Kerze.

Unter der dort stehenden gigantischen und etwa 120 bis 150 Jahre alten Fichte warnte sie jedoch die Männer davor, rechts von dem Baum hindurchzugehen – dies soll ihnen angeblich ihre Manneskraft rauben. Ausprobieren wollte es dann doch keiner der männlichen Teilnehmer.

Zurück im Gasthof in Waidhofen wurden die Teilnehmer mit heißem Punsch am Feuer im Garten empfangen, ehe ihnen das von vielen mittlerweile heiß ersehnte Dessert serviert wurde – eine Variation von zart schmelzender Eiscreme, Schokoladen-Tiramisu und Joghurt-Pannacotta.