Berlin
Mit der Gefahr leben

Nach dem Terroralarm in Bremen zeigen sich Politiker und Sicherheitsexperten alarmiert – Lob für die Polizei

01.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:36 Uhr

Berlin (DK) Bremen unter Polizeischutz: Zum dritten Mal innerhalb von sechs Wochen hat eine Terrorwarnung die Bewohner deutscher Städte aufgeschreckt. Schwer bewaffnete Polizisten waren am Wochenende in der Hansestadt zum Schutz der Bevölkerung und wichtiger Gebäude im Einsatz. Ein gewaltbereiter Libanese, der sich Maschinenpistolen zum Weiterverkauf beschafft haben soll, hatte die Warnung vom Samstagmorgen ausgelöst.

Bremen gilt als eine Hochburg radikaler Islamisten. Mitte Februar hatte die Polizei in Braunschweig wegen Hinweise auf einen drohenden Anschlag mit islamistischem Hintergrund einen Karnevalsumzug abgesagt, im Januar war eine „Pegida“-Demonstration in Dresden verboten worden.

Deutschland im Visier von islamistischen Terroristen? Wird die Gefahr größer? Innen- und Sicherheitsexperten in Berlin zeigten sich gestern alarmiert. „Nach Dresden, Braunschweig und Bremen fällt es mir immer schwerer zu sagen, dass nur eine abstrakte Gefahr bestünde“, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach, gegenüber unserem Berliner Büro. Schließlich würden derartige Maßnahmen nicht ohne Hinweise auf konkrete Terrordrohungen ergriffen.

„Ich habe keine Panik, bin aber in Sorge“, sagte der CDU-Politiker. Der Innenausschuss des Bundestags werde sich intensiv mit der Bedrohung befassen und sich auch informieren, inwieweit auf Länderebene genügend Maßnahmen gegen die Radikalisierung in Haftanstalten ergriffen würden. Bosbach kritisierte zudem den starken Personalabbau bei der Polizei in einigen Ländern. „Das kann nicht so weitergehen.“

Lob für die Polizei allenthalben – auch wenn bei den Verdächtigen keine Waffen gefunden wurden und sie wieder auf freien Fuß gesetzt werden mussten. „Es ist wichtig, Hinweise auf islamistische Bedrohungen auch in Deutschland sehr ernst zu nehmen“, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt gegenüber unserem Berliner Büro. „Ich bin froh, dass die Einsatzkräfte frühzeitig alert und besonnen reagiert haben“, so Göring-Eckardt. Zugleich forderte sie mehr Prävention. „Wir sollten mehr für Jugendliche tun, die in Extremismus abrutschen.“

Das Berliner Innenministerium bestätigte, dass Deutschland nach wie vor im Fokus des dschihadistischen Terrors stehe. „Hieraus resultiert eine hohe Gefährdung für die innere Sicherheit, die jederzeit in Form von Anschlägen unterschiedlicher Dimensionen und Intensität real werden kann“, sagte ein Sprecher.

Derzeit gelten 270 Personen in Deutschland als so genannte Gefährder. 200 mutmaßliche Dschihadisten sind aus dem Irak, Syrien und anderen Ländern zurückgekehrt, davon mindestens 35 mit Kampferfahrung.

Muss Deutschland nun mit der Gefahr leben? „Der Terror ist nicht mehr abstrakt, sondern sehr konkret“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gegenüber unserem Berliner Büro. Auch wenn es bislang keine Toten oder Verletzten gebe, greife dieser in das Leben ein. „Die bundesdeutsche Öffentlichkeit wird sich daran gewöhnen müssen“, sagte Wendt. Der Polizeigewerkschafter lobte die bisher ergriffenen Maßnahmen gegen den dschihadistischen Terror, beispielsweise den Entzug von Reisepässen und Personalausweisen oder das Vorgehen gegen die Finanzierung des Terrors. „Die Politik reagiert behutsam, jede Hektik ist fehl am Platz“, sagte Wendt. Er forderte zugleich, dass die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt werden müsse. Die Polizei brauche zudem mehr Personal, besonders die Spezialeinheiten müssten aufgestockt werden.

Die Linke im Bundestag lehnte indessen den Ruf nach einer Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ab. „Ein solch intensiver Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger ist nicht zu rechtfertigen“, sagte die rechtspolitische Sprecherin Halina Wawzyniak, unserem Berliner Büro.