Ingolstadt
Mit dem Messer eines Nagel-Sets

Beschuldigter im Gitarren-Prozess wegen weiterem Vorfall angeklagt

16.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:01 Uhr

Ingolstadt (DK) Auch das kommt vor: Trotz Vorführbefehls erschien eine Zeugin, die helfen sollte aufzuklären, ob der 44-jährige Angeklagte im Oktober 2018 in seiner Wohnung in Neuburg mit einer Gitarre auf den Kopf seines Opfers eingeschlagen hatte (DK berichtete mehrfach), nicht vor dem Landgericht Ingolstadt.

Deshalb konzentrierte sich die 1. Strafkammer gestern auf ein weiteres Delikt, das demselben Angeklagten vorgeworfen wird: In der Nacht zum 6. Januar 2018 soll er einem 42-jährigen Bekannten vor einer Kneipe in Neuburg mit einem Messer eine etwa fünf Zentimeter lange Schnittwunde über dem linken Auge zugefügt haben. Das Amtsgericht Neuburg hat ihn deshalb wegen gefährlicher Körperverletzung erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Berufung wurde mit dem Gitarren-Prozess verbunden.

In beiden Verfahren können nur das jeweilige Opfer und der mutmaßliche Täter über das eigentliche Tatgeschehen berichten. Weitere unmittelbare Zeugen gibt es nicht. Der Geschädigte sagte aus, dass es vor dem Lokal zum Streit und dann zu einer Rangelei gekommen sei. Er und der Angeklagte seien "umgefallen". Nachdem sie beide wieder aufgestanden wären, habe der Beschuldigte auf ihn eingeschlagen. Dabei sei ihm ein "glänzender" Gegenstand in dessen rechter Hand aufgefallen. Dass es sich dabei um ein Messer gehandelt und er selbst eine Schnittwunde erlitten hat, habe er erst anschließend realisiert.

Ganz anders die Darstellung des Angeklagten: Der Geschädigte habe ihn verbal provoziert und ihm dann mehrfach ins Gesicht geschlagen. Um die Schläge abzuwehren, habe er seinen Schlüsselbund zu Hilfe genommen. "Daran war auch ein Maniküre-Set angebracht, aus dem sich ein Multifunktionsmesser gelöst hat", gab der Angeklagte an. Kurze Zeit nach der Tat habe er den Tatort verlassen. Was mit dem Set und dem Messer in der Folge geschehen sei, wisse er nicht. "Die Verletzungen des Geschädigten bedauere ich", ließ der Angeklagte über seinen Dolmetscher noch ausrichten. Sein Verteidiger Klaus Wittmann (Levelingstraße) hatte einleitend gesagt: "Er hat aus Verwirrung, Furcht und Schrecken gehandelt. "

Ob sich das Gericht um den Vorsitzenden Konrad Kliegl von einer Notwehrlage wird überzeugen lassen, ist fraglich. Dagegen spricht, dass der Angeklagte einem unmittelbar nach der Tat aus dem Lokal herbeigeeilten Zeugen lediglich zugerufen haben soll: "Ich habe ihn geschlagen". Zudem soll er noch in derselben Nacht dem Opfer per WhatsApp auf russisch sinngemäß gedroht haben: "Wenn Du zur Polizei gehst, tue ich Dir etwas an". Andererseits hat der Geschädigte im Krankenhaus angegeben, er habe sich die Verletzung beim Sturz gegen eine Bordsteinkante zugezogen. Wollte er etwas verbergen?

An der Schuldfähigkeit dürften keine Zweifel bestehen. Mit etwa 1,2 Promille zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte für seine Verhältnisse gering alkoholisiert. Zum Vergleich: Im Gitarren-Fall wurde bei ihm eine Blutalkoholkonzentration von etwa 3,5 Promille festgestellt. Strittig war, ob das Ergebnis der Blutuntersuchung überhaupt verwertet werden darf. Klaus Wittmann argumentierte, dass es an der dafür erforderlichen wirksamen Anordnung fehle.

Am kommenden Montag sollen die Beweisaufnahme abgeschlossen und die Plädoyers gehalten werden. Das Urteil ist dann für nächsten Donnerstag vorgesehen.

Andreas Müller