Ingolstadt
Mit Charme und Witz gegen Rassisten

Kabarettist Fatih Çevikkollu brachte das Publikum zum Lachen und Nachdenken

06.04.2017 | Stand 23.09.2023, 2:46 Uhr
Kabarettist Fatih Çevikkollu gastierte am Mittwochabend in der Neuen Welt. −Foto: Jessica Roch

Ingolstadt (DK) Vorurteilen tritt er entgegen, Bilder im Kopf löst er auf – mit seinem fünften Soloprogramm „Emfatih“ zeigt der Kabarettist Fatih Çevikkollu, dass es viel mehr Verbindendes als Trennendes zwischen den Menschen gibt. Auch zwischen Christen und Muslimen. Diese Botschaft verbreitet er am Mittwochabend im Rahmen der Ingolstädter Kabaretttage auch in der Neuen Welt.

Der Deutsche mit den türkischen Wurzeln spricht offen über Ressentiments. Er prangert den Rassismus der Sicherheitskräfte in der vergangenen Kölner Silvesternacht an. Er beklagt den zaghaften Umgang der Medien mit dem Judentum bei gleichzeitiger Häme gegenüber dem Islam. Er wundert sich über die hohen Aufklärungsquoten bei terroristischen Straftaten, während die Täter bei Anschlägen auf Asylbewerberheime so gut wie nie ermittelt werden. 

Schlagkraft gewinnt all das aber erst, als er dem Publikum klar macht, dass es selbst nicht vor Rassismus gefeit ist, dass es selbst klischeehafte Vorstellungen im Kopf hat: vom Gemüse-Ali, der türkischen Mutti oder dem orientalischen Türsteher. „Es ist nicht schlimm, dass du diese Bilder im Kopf hast. Sie müssen da auch nicht raus. Du musst Dir nur Gewahr werden, dass sie da sind“, beschwichtigt Çevikkollu den Zuschauer, der kurzzeitig über sich selbst schockiert ist. Seine Spitzen nehmen niemanden aus; sie treffen das Publikum ebenso wie die große Politik, Erdogan, Trump und Petry ebenso wie Angela Merkel und Henriette Reker.

Trotz thematischer Ernsthaftigkeit geht der Spaß dabei nicht verloren und die Stimmung bleibt heiter – und das ist vor allem Çevikkollus grandiosem rhetorischen Talent geschuldet. Er erzählt pointiert, sein rasanter Redefluss fesselt und selbst seine verbalen Angriffe wirken stets überraschend charmant.

Leider muss man an dieser Stelle festhalten, dass Çevikkollu dem Zuschauer zwar immer wieder den Spiegel vorhält, selbst aber auch nicht vollkommen vor stereotypem Denken gefeit ist. Anders lässt es sich kaum erklären, dass der Kabarettist eine weibliche Polizeiuniform vorschlägt: Brustpanzer mit Büstenhalter, Helm mit Loch für den Pferdeschwanz und Schlagstock mit eingebautem Selfie-Stick. Das ist nicht lustig, sondern sexistisch. Aber – und das könnte die Botschaft dieses Abends sein: Es ist eben auch menschlich. Das Wichtigste bei alledem ist, dass man sich seiner eigenen Ressentiments bewusst wird. Und nie aufhört, gegen sie anzukämpfen. 

Jessica Roch