Zell
Mit 90 noch immer am Herd

25.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:11 Uhr
Da gab?s viel zu telefonieren für Marie Müller an ihrem 90. Geburtstag, im neuen Sessel vom Sohn auch gleich doppelt so bequem. −Foto: Foto: Heumann

Zell (lm) "Kannst du melken?" Wie drei Worte doch ein ganzes Leben bestimmen können. Marie Müller hatte es damit nicht schlecht getroffen - so viel das heißen mag, wenn die Familie gerade alles verloren hat. Zwei Dinge aber verlor Marie Müller nie: ihren Lebensmut wie ihre Lebenslust. Am Montag feierte die rüstige Frau ihren 90.Geburtstag.

War das ein Kommen und Gehen am Zeller Kanal, das Telefon stand selten lange still. Marie Müller liebt das Gesellige, pflegt ihre Kontakte. Und da kommt an so einem Tag einiges halt auch zurück. Heuer erstmals fährt die Frau wenigstens nicht mehr bis in die Stadt. Nicht weil die Kondition etwa nachließe, der Verkehr wird ihr einfach allmählich zu viel.

Den Haushalt versorgt sie allein und mit dem Kochen ist es so, dass Marie Müller eher noch die anderen mitversorgt als umgekehrt. Ihre Dampfnudeln genießen Kultstatus innerhalb der Familie. Nur auf dem mit Holz geschürten Ofen gelingen die so, darauf schwört Marie Müller. Überhaupt die alten, angeblich einfachen Hausmannsgerichte, eine Brotsupp'n, eine abgeschmalzte Kartoffelsuppe - so was muss man erst mal können. Viele Zutaten dazu kommen aus dem eigenen Garten. Gut, für den Sohn, der mit seiner Familie das Stockwerk über der Mutter, die seit einem Jahr Witwe ist, bewohnt.

Ach so, das Melken. Damals, 1945, in der Wirtsstube in Kleinhohenried war die Welt rasch eingeteilt, die Bauern wählten nach Geschick und eigenem Gutdünken. Gelernt hatte Marie das Melken, als sie in der oberschlesischen Heimat zum so genannten Pflichtjahr zu einem Bauern kam - und blieb, weil es ihr gefiel. Die Bauernarbeit machte Marie Müller auch dann noch viele Jahre, bis sie 1962 ihren Mann heiratete, einen Baumaschinisten, der in Zell schon ein Haus hingestellt hatte. Im Rödenhof auf dem Flüchtlingsball - der hieß wirklich so - waren sich die beiden begegnet. So wurde Marie Müller Zellerin, bald auch zweifache Mutter, brachte sich ein im Ort, war im Frauenbund aktiv und bei den Gartlern, bewies einmal mehr ihren sprichwörtlich grünen Daumen. Die Gemeinschaft, das Miteinander mit Freundinnen und Bekannten schätzt die Frau noch heute, selten, dass sie bei einem Seniorennachmittag beim Hauber in Bruck fehlt. "In Zell ist ja nichts los", bedauert die jung gebliebene 90-Jährige. Viele sind es heute nicht mehr, die in Alt-Zell geblieben sind. Aber wer kein Land hatte, für den gab's kaum eine Alternative. "Mit dem Geld von der Absiedlung hätten wir gerade den Keller gekriegt. " Der Neffe gleich in der Nachbarschaft, der Sohn mit im Haus, die Tochter nicht weit weg, mit den beiden Enkeln einen guten Kontakt: eine heile kleine Welt.