Pfaffenhofen
Mit 80 noch täglich 130 Stufen zur Turmuhr hinauf

30.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:49 Uhr

Die Schäch Fanny war mit ihrem Bäckerei- und Kramerladen an der Scheyerer Straße ein Anziehungspunkt für viele Generationen Pfaffenhofener Schulkinder.

Pfaffenhofen (PK) Wenn wir vom Hauptplatz am Pfaffelbräu-Eck links abbiegen, folgt gleich nach der hohen Toreinfahrt zum Hinterhof des ehemaligen Brauereianwesens das erste zur Scheyerer Straße gehörende Wohnhaus. Hier lebte lange Zeit der Uhrmacher Franz Herzinger, der im Erdgeschoss einen kleinen Laden hatte.

 Außerdem kümmerte er sich im Auftrag der Kirchenverwaltung um die Turmuhr der Stadtpfarrkirche St. Johannes Baptist. Von 1946 bis 1956 stieg er täglich die 130 Stufen auf der schmalen Holztreppe bis zum Uhrwerk hinauf, um den zwei Zentner schweren Stein des Uhrgewichts mit einer Handkurbel in 300 Umdrehungen hochzuziehen – dafür bekam er 400 D-Mark Jahreslohn, eine für heutige Verhältnisse lächerliche Summe für eine beschwerliche Arbeit, die er noch im Alter von über 80 Jahren ausübte. Anscheinend hielt ihn die körperliche Betätigung aber fit. Franz Herzinger, in der Freizeit ein begeisterter Cellospieler und Sänger bei der Liedertafel und beim Kirchenchor konnte am Silvestertag 1973 seinen 100. Geburtstag feiern. Am 27. September 1975 schlug dem Uhrmacher und ältestem Bürger der Kreisstadt im 102. Lebensjahr die letzte Stunde.
 
Das angrenzende Friseurgeschäft Huber-Randak war einst das Mesnerhaus. Wegen Einsturzgefahr musste es 1832 abgebrochen werden. Die Pfarrkirchenstiftung tauschte das Grundstück mit dem nebenstehenden Gebäude an der Ecke zur Auenstraße. Der Mesner Feßl war der letzte Kirchendiener, der dieses Haus bewohnte. 1976 wurde das desolate Gebäude nach gründlicher Renovierung zu einem Heimatmuseum für religiöse Volkskunst umgestaltet.

Nach der Abzweigung der Auenstraße befand sich auf der linken Seite (stadtauswärts) lange Zeit ein großes Kaufhaus. "Ludwig Hufnagel - Schnitt-, Woll-, Eisenwaren", stand mit großer weißer Schrift über den fünf Schaufenstern, wo heute in einem Neubau Optik Johannes für den richtigen Durchblick sorgt. Im Kaufhaus Hufnagel fanden die Frauen Büstenhalter, Strapsgürtel und Blusen aber auch Stoffballen in modischen Farben und Mustern. Vieles, was man heute einfach von der Stange kauft, nähte und strickte man sich damals selber. Auch Besen, Gießkannen, Rechen und Eisenwaren, von der Sense bis zu Hammer und Nägel, gab es hier zu kaufen. Einen Tag vor Einmarsch der Amerikaner wurde das Haus bei dem letzten Fliegerangriff durch Brandbomben völlig zerstört. Jahre später, nach dem Wiederaufbau, eröffnete Antonio Bellanca hier das erste italienische Restaurant in der Kreisstadt, das Capri.

Vor der Ampelkreuzung, die jetzt zu einem Verkehrskreisel umgebaut wird, stand über 400 Jahre lang das Scheyerer Tor. Im Jahre 1808 wurde es, da es nach dem Abriss der Stadtmauer längst seine Bedeutung verloren hatte, für 424 Gulden an einen Privatmann verkauft. Sieben Jahre später kaufte es die Stadt für 800 Gulden wieder zurück, da man Platz zur Erweiterung der Straße benötigte. Aber erst im Jahre 1893 wurde das historische Gebäude als letztes von ehemals vier Stadttoren abgerissen.

In einem alten Stadtplan ist die Scheyerer Straße von der heutigen Kreuzung Richtung Hauptplatz noch mit Kirchengasse bezeichnet. Weiter stadtauswärts nannte man sie Augsburger Straße und später Schrobenhausener Straße. Im Jahre 1927 bekam sie ihren jetzigen Namen.

Südlich der Stadtpfarrkirche stand einst in einem großen Obstgarten der alte Pfarrhof. Ein herrschaftliches, villenähnliches Gebäude, umgrenzt von einer Mauer, auf der ein mit wildem Wein berankter Eisenzaun befestigt war. Der schlechte bauliche Zustand zwang zu einem Neubau, den man nebenan errichtete und der leider wenig Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger besitzt. Architektonisch besser gelungen ist der mittlerweile auf dem Platz des alten Pfarrhofes errichtete Neubau des Pfarrzentrums.

Die älteren Bürger erinnern sich bestimmt noch an den angrenzenden Laden der ehemaligen Lebensmittelkette "Gubi" (gut und billig). Im Obergeschoss hatte der Kinderarzt Dr. Dollinger seine Praxis. Wenn er mit seinem VW-Käfer durch die Straßen kreuzte, machte er Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer schon von Weitem mit lautem Hupen auf sich aufmerksam.

Auf dem damals noch freien Grundstück neben dem Gubi-Laden errichtete Anton Daubmeier im Jahre 1966, nachdem er seinen Besitz am Hofberg wegen des Neubaus des Landratsamtes verlassen musste, sein neues Schreib- und Spielwarengeschäft. 20 Jahre später erwarb die Familie Daubmeier zur Erweiterung ihres Geschäftshauses auch das angrenzende Gubi-Anwesen.

Viele Erinnerungen sind mit Bäckerei Schäch (Richthammer) verbunden, die vor einigen Jahren von der Stadt Pfaffenhofen erworben und für den Ausbau der Ampelkreuzung abgerissen wurde. Es war ein Stück "Alt-Pfaffenhofen" – der letzte "Tante-Emma-Laden" wie man heute liebevoll sagt. Ein enger Raum, mit Backwaren, Seifen, Putz- und Waschmitteln in vollgepfropften Regalen. Hinter der Theke stand die "Schäch Fanny", die kleine Frau mit einem ganz großen Herz für die Kinder. Auf der Theke lockten hohe Bonbongläser mit braunem Kandiszucker, mit Himbeer- und Minzbonbons und vielen anderen Naschereien. Für die Kinder eine gute Gelegenheit, sich auf dem Weg zur Schule noch schnell etwas Süßes mitzunehmen – und wenn das Taschengeld nicht reichte, packte die Schäch Fanny für die Kleinen auch mal gratis ein paar Süßigkeiten in die Tüte.

Direkt gegenüber vom Laden der Schäch-Fanny befand sich einst das Elektrogeschäft von Franz Ecker. Nach der Betriebsaufgabe wechselten sich verschiedene Mieter ab, bis der Tierschutzverein mit seiner Herberge für Katzen und Kleintiere hier vorübergehend eine Bleibe fand. Viele Jahre sah man traurige Katzenaugen aus vergitterten Fenstern blicken. Nach dem Abbruch des Hauses für den Verkehrskreisel im letzten Frühjahr hat jetzt endlich der Bau einer neuen Tierherberge an der Weiberrast begonnen.

Nach der Einmündung der Schulstraße steht an der Ecke das Anwesen der ehemaligen Metzgerei Sieber. Der starke Verkehr an der viel befahrenen Kreuzung , der lebensgefährlich enge Gehsteig und die fehlenden Parkplätze sind wohl der Grund dafür, dass der Laden seit der Schließung der Metzgerei nun schon lange leer steht.

Die Eckbehausung gegenüber war seit 1861 im Besitz von Balthasar Kraft, einem bekannten Maler und Lithografen – nach dem in der Stadt eine Straße benannt ist. Ein stattliches Wohn- und Geschäftshaus mit zwei Läden und einer reich mit Stuckarbeiten verzierten Fassade. Leider ging vieles bei einer späteren Renovierung verloren, nur die beiden großen Figuren von Maria und Josef sind noch als letzte Zeugen der einstmals prächtigen Fassade erhalten geblieben. Balthasar Kraft vererbte das Anwesen 1893 an seinen Sohn, einen Grottenbauer und Fotografen, der in dem Haus ein Atelier einrichtete. 1913 wechselte das Haus in den Besitz der Bäckerei Neumeir (Schattenhofer), die über viele Jahrzehnte einen großen Kundenstamm versorgte. Der Fruchthof Pfab, der seine Anfänge in einem Laden am Platzl hatte, sorgte bis vor Kurzem mit frischem Obst und Gemüse weiter für regen Zuspruch im Haus. Jetzt hat auch der Gemüseladen wegen der Baumaßnahme für den neuen Kreisverkehr das Haus verlassen. Neuer Mieter ist eine Fahrschule.

Aus der einstigen Schmiede von Josef Furtmayr, an der Ecke zur Quellengasse, wurde das "Wirtshaus zur Schmiede", wie es sein Besitzer Anton Schober nannte. Ein gemütliches Lokal, in dem allabendlich in der Gaststube ein offenes Schmiedefeuer brannte und das weibliche Personal die Gäste in Dirndlkleidung bediente. Neue Mieter folgten: aus dem Wirtshaus wurde eine Pizzeria, ein Steakhaus und ein "Historisches Restaurant" – so steht es heute an der Fassade.

Fortsetzung folgt