Mit 42 Jahren ist es genug

Meisterpanther Greg Classen hat seine bewegte Eishockey-Karriere beendet - Teilnahme am ERC-Legendenspiel

21.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:09 Uhr
Für den ERC absolvierte Greg Classen 61 Partien in der Meistersaison 2013/14. Zwei seiner vier Treffer gelangen ihm gegen den späteren Finalgegner Kölner Haie. −Foto: Bösl

Ingolstadt/Berlin - Eine lange Reise ist vorbei: Mit Gregory Dean Classen, genannt Greg, hat der älteste noch aktive Deutsche Eishockey-Meister von 2014 seine bewegte Karriere jetzt endgültig beendet.

Der Titel mit dem ERC Ingolstadt war für den 42-Jährigen nur einer von vielen Erfolgen. 2015 wäre nach einer Messerattacke allerdings nicht nur die sportliche Laufbahn des ehemaligen Stürmers beinahe jäh beendet gewesen.

"Ich bin als 16-Jähriger von zu Hause ausgezogen, um Eishockey zu spielen. Das war vor 27 Jahren. Es war jedes Jahr eine Schinderei, mental und körperlich", bilanziert der Kanadier gegenüber unserer Zeitung. "Deswegen genieße ich jetzt erst mal ein bisschen das Nichtstun. " Zum Legendenspiel des ERC am 23. Februar in der Saturn-Arena streift Classen allerdings noch einmal das Ingolstädter Trikot über. "Da freue ich mich drauf", sagt er.

Zuletzt war Classen in der Saison 2018/19 spielender Co-Trainer beim Oberligisten Rostock Piranhas und sammelte in 54 Partien bemerkenswerte 49 Scorerpunkte. "Ich habe mir nach der vergangenen Saison alle Optionen offengelassen, weil ich noch nicht bereit für eine endgültige Entscheidung war", erzählt er. "Am Ende des Sommers haben mich ein paar Teams angerufen, aber auch da habe ich um Bedenkzeit gebeten. "

Nachdem der Stürmer einige kleinere Verletzungen auskuriert hatte, fühlte er sich um den Jahreswechsel herum bereit für ein Engagement für den Rest der Saison. "Aber bis zur vereinbarten Frist haben wir uns nicht einigen können. Da war ich dann so weit zu sagen, dass ich aufhöre. Es war ein langer Prozess, aber diese Zeit habe ich wahrscheinlich gebraucht", sagt Classen. Allerdings vermisse er schon jetzt das Gefühl, "wenn man einen guten Pass spielt oder ein Tor vorbereitet. Wenn man etwas zum Teamerfolg beitragen und mit 20 Kumpels einen Sieg oder Erfolg feiern kann. Es gibt nicht viel Besseres. "

Und Erfolge konnte Classen in seiner Karriere einige feiern: Nach seiner Zeit als Jugendspieler bei den Nipawin Hawks in seiner kanadischen Heimatprovinz Saskatchewan und zwei Jahren am College in Boston gelingt ihm im Jahr 2000 der Sprung zu den Nashville Predators in die beste Eishockey-Liga der Welt. "Zu der Zeit hatte ich sehr viel Selbstvertrauen, habe wahrscheinlich mein bestes Eishockey gespielt und es entgegen der Erwartungen in die NHL geschafft", erinnert sich Classen, der 90-mal in der Eliteliga auflaufen darf.

Es folgen glorreiche Jahre in der American Hockey League bei den Milwaukee Admirals, mit denen der Linksschütze 2004 als einer der Führungsspieler den Calder Cup gewinnt. Ab 2010 wird Classen - nach Gastspielen in Finnland, den USA, der Schweiz, Hamburg und Iserlohn - dauerhaft im Geburtsland seines Vaters und Großvaters heimisch: Mit den Kölner Haien scheitert er 2013 nur knapp im Finale der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) an Berlin. "Danach stand ich ohne Vertrag da", berichtet Classen, "bis Niklas Sundblad anrief. " Der neue Trainer des ERC offeriert ihm einen Probevertrag bei den Panthern. "Das war ein bisschen stressig, aber im Nachhinein hat es sich gelohnt", sagt Classen lachend.

Denn aus zunächst zwei Monaten Ingolstadt werden acht, aus Hauptrundenplatz neun am Ende sensationell die Meisterschaft. "Ich war im Herbst meiner Karriere und kein so wichtiger Bestandteil des Teams wie damals in Milwaukee. Trotzdem gehört diese Saison zu den Höhepunkten meiner Karriere. Wie viel dieser Titel für den Klub und für Ingolstadt bedeutet, habe ich erst später realisiert", sagt der Allrounder, der beim ERC auch als Verteidiger aushilft.

Von Ingolstadt wechselt Classen zu den Lausitzer Füchsen in die DEL2 - wo sich das dunkelste Kapitel seines Lebens ereignet. Nach der Saisonabschlussfeier seines Teams in Dresden wird Classen von einem Unbekannten niedergestochen, muss notoperiert werden und verbringt zwei Monate im Krankenhaus. "Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort. Ein Zentimeter tiefer, und er hätte meine Schläfe erwischt. Aber ich hatte großes Glück, tolle Ärzte und erfreue mich wieder bester Gesundheit", sagt er. Es klinge wie ein Klischee, aber es stimme: "Ich weiß das Leben jetzt mehr zu schätzen. " Vor einem Jahr sind die Ermittlungen eingestellt worden. Der Täter wurde nie gefasst.

Mit seiner Freundin Susan lebt Classen in Berlin. Ob er dem Eishockey als Trainer treu bleibt, aus seinem Hobby Modedesign eine Vollzeitbeschäftigung macht oder irgendwann nach Kanada zurückkehrt, hat er noch nicht entschieden. "Ich habe noch keinen Plan. Meine Freundin arbeitet in Berlin, und ich bin gerade der Hausmann", sagt er und lacht. Das Ziel mag noch unbekannt sein - doch Classens neue Reise hat begonnen.

Alexander Petri