Eichstätt
Mit 30 km/h durchs Altmühltal

Heute vor 120 Jahren fuhr zum ersten Mal ein Zug von Eichstätt nach Kinding

06.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:18 Uhr
Reger Betrieb Anfang der 1950er-Jahre am Bahnhof Eichstätt Stadt mit dem Bahnhofsgebäude aus dem Jahre 1900. −Foto: Sammlungen Leonhard Bergsteiner und Rudi Hager

Eichstätt (hid) Bis Ende des 19. Jahrhunderts war das mittlere Altmühltal verkehrstechnisch kaum erschlossen. Während ringsum Bahnlinien entstanden, lag die Region um Kipfenberg und Kinding weit abgeschlagen. Am 7. November 1898 änderte sich dies entscheidend: Heute vor 120 Jahren fuhr zum ersten Mal planmäßig ein Zug von Eichstätt nach Kinding.

Im Jahr 1885 war die Eisenbahn in die Stadt Eichstätt gekommen. Nachdem 1870 die Bahnlinie Ingolstadt-Treuchtlingen zunächst an der Stadt vorbei gebaut worden war, erhielt die Bischofsstadt 15 Jahre später endlich einen Bahnanschluss in Schmalspurausführung. Die Verbindungsstrecke Eichstätt Bahnhof - Eichstätt Stadt galt schon nach kurzer Zeit als eine der rentabelsten Strecken Bayerns. So lag es nahe, dass bald darauf Wünsche laut wurden, die Bahn ins untere Altmühltal zu verlängern.
Zähe Verhandlungen waren nötig, bis man sich zum Bau der Talstrecke bis Kinding durchgerungen hatte. Eine wichtige Frage stellte die Spurbreite dar. Angesichts der geringeren Baukosten entschied man schließlich, die Strecke von Eichstätt aus in Schmalspur (1000 mm) weiter zu führen. Der Eichstätter Abgeordnete Ziemlich hatte hierfür mit dem Ausspruch "Lieber schmalspurig fahren als breitspurig laufen!" in der bayerischen Abgeordnetenkammer geworben. Am 17. Juni 1896 schließlich wurde das Lokalbahngesetz zum Bau von 26 Lokalbahnen erlassen, darunter die Strecke Eichstätt Stadt - Kinding.

Alle Orte an der zu bauenden Linie waren mit dem Streckenverlauf einverstanden. Für Pietenfeld und Landershofen war ein gemeinsamer Haltepunkt geplant worden. Daraus entfachte sich eine heftige Diskussion zwischen den beiden Orten und schließlich wurde jedem Dorf eine eigene Haltestelle zugestanden. Grösdorf dagegen verzichtete auf einen eigenen Haltepunkt.

Im Oktober 1897 begann man mit den Bauarbeiten an der Strecke nach Kinding. Hier waren neben einheimischen Kräften auch viele Italiener beschäftigt, die von einem verfrühten Schneefall am 6. Oktober überrascht wurden - viele von ihnen sahen zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee. Die Trasse war von Anfang an auf Normalspurbreite von 2,40 Meter angelegt worden und verlief bis Kipfenberg auf der rechten, danach bis Kinding auf der linken Talseite.
Zum Verlegen der Schwellen und Schienen wurden die bayerischen Eisenbahntruppen herangezogen, die den Oberbau am 25. Juli 1898 bis Walting und am 17. September bis Kinding fertigstellten. Auch die Telefonanlage entlang der Strecke wurde vom Militär eingerichtet.
Bei den Umfahrungen von Pfünz und Arnsberg waren umfangreiche Erdarbeiten (wegen Hochwasserschutz), im Bereich des Bahnhofs Walting größere Sprengungen notwendig. Vor Walting wurde eine heute noch vorhandene Stützmauer angelegt. Das größte Bauwerk an der Strecke war die Altmühlbrücke bei Kipfenberg: Sie hatte drei Öffnungen von je 30 bis 35 Meter lichter Weite. Die Entfernung Eichstätt - Kinding betrug über das Tal 30,16 Kilometer (Luftlinie: 18 Kilometer), der Höhenunterschied 15 Meter. Die größte Steigung Richtung Kinding musste mit 15 Promille zwischen Freiwasser und Aumühle in Eichstätt sowie an der Kipfenberger Altmühlbrücke bewältigt werden. Die gesamte Strecke war auf eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ausgelegt. Damit dauerte eine Fahrt von Eichstätt Stadt nach Kinding 110 Minuten, in der Gegenrichtung sogar 115 Minuten.
Nachdem Eichstätt im Jahr 1885 nur ein wenig repräsentatives Bahnhofsgebäude erhalten hatte, war im Zuge der Erweiterung der Bahnlinie nun ein massives Steingebäude mit Vordach und Güterhalle geplant worden, das allerdings erst 1900 fertiggestellt wurde. Daneben erhielten Kipfenberg und Kinding noch in Bruchstein-Sichtmauerwerk ausgeführte Bahnhöfe, in denen Bahnhofsvorsteher und Bahnbeamte wohnten. Kleinere sogenannte "Agenturgebäude" in Holzbauweise mit Güterschuppen und Dienstraum gab es in Pfünz, Walting, Pfalzpaint, Gungolding und Arnsberg. Heute sind alle Gebäude mit Ausnahme der Bahnhöfe Eichstätt Stadt und Kinding wieder verschwunden. Im August war die Strecke fertiggestellt, es folgten Belastungsproben der Brücke bei Kipfenberg am 22. August 1898. Diese waren ohne Beanstandung ausgefallen, doch trotzdem dauerte es noch bis Ende Oktober, bis wirklich alles fertiggestellt war. Die technische Prüfung der gesamten Anlage konnte erst am 29. Oktober 1898 stattfinden.

Als offizielle Eröffnung der Strecke wurde der 7. November 1898 festgelegt, die feierliche Einweihung fand mit dem um 7.55 Uhr in Eichstätt Stadt abfahrenden Zug statt. Lok und Wagen waren festlich geschmückt, Böllersalven kündigten die erste Fahrt eines Zuges nach Kipfenberg an. An dieser Eröffnungsfahrt nahmen die Mitglieder des Eisenbahnkomitees, der Eichstätter Bürgermeister Mager, Bezirksamtmann Müller und Postmeister Stiglhofer teil.
Alle Stationen waren geschmückt und weiß-blau beflaggt. Die Bevölkerung nahm regen Anteil an diesem Ereignis und in jedem Ort wurde der erste durchfahrende Zug mit Hochrufen begrüßt.

Was so verheißungsvoll begonnen hatte, währte leider nur bis 1973. Obwohl man die Bahn bis Beilngries erweitert und die Schmalspurtrasse in den 1930er-Jahren auf Normalspur umgebaut hatte, ging die Rentabilität der Strecke nach 1950 rapide zurück. 1955 wurde der Personenverkehr nach Beilngries, 1960 der Personenverkehr nach Kipfenberg eingestellt. Was blieb, war eine beschauliche Güterbahnstrecke, die bis 1970 nach Kinding betrieben wurde, danach noch drei Jahre bis Kipfenberg. Am 2. Juni 1973 fand die letzte offizielle Fahrt nach Kipfenberg statt. Noch im August desselben Jahres wurden die Gleise zurückgebaut und die Eisenbahn im Altmühltal war damit Geschichte.Ausstellung
Die bereits im Jurabauernhof-Museum Hofstetten den Sommer über gezeigte Ausstellung zur Bahnstrecke Eichstätt - Kinding geht nun in Kipfenberg in Verlängerung.

Wer sie in Hofstetten verpasst hat oder noch einmal gern sehen möchte, hat dazu Gelegenheit im Römer- und Bajuwaren-Museum auf Burg Kipfenberg. Eröffnet wird die Ausstellung am Samstag, 24. November, um 17 Uhr durch Bürgermeister Christian Wagner und Kreisheimatpfleger Dominik Harrer. Bis zum 10. März 2019 kann sie an allen Sonn- und Feiertagen besucht werden. Auch der Film der letzten Eisenbahnfahrt nach Kipfenberg vom 2. Juni 1973 ist dort wieder zu sehen. 

hid