Ingolstadt
Missverständnis oder versuchte Entführung?

Verhandlung: 25-Jähriger muss sich wegen Entziehung Minderjähriger verantworten - Polizist wird als Zeuge befragt

17.12.2021 | Stand 23.09.2023, 22:20 Uhr
Die Verhandlung findet im Amtsgericht Ingolstadt statt. −Foto: Eberl (Archiv)

Ingolstadt - Wollte ein 25-jähriger Mann ein Kind zu sich ins Auto locken?

Um diese Frage geht es derzeit am Amtsgericht Ingolstadt, der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet: Entziehung Minderjähriger.

Zur Vorgeschichte: Der Angeklagte soll am 27. Juni 2021 auf einem Kinderspielplatz im Piusviertel einen Jungen mit Schokolade angelockt haben, um ihn mitzunehmen. Die Mutter schritt rechtzeitig ein, sodass sie laut eigener Aussage Schlimmeres verhindern konnte.

Am Freitag, dem zweiten Verhandlungstag, stand der Polizist im Zeugenstand, der am 28. Juni mit einem Arzt zu dem Angeklagten in die Zelle gegangen war, um die Haftfähigkeitsuntersuchung durchzuführen. Der 25-Jährige hatte über Kopfschmerzen geklagt, weil er nach eigene Aussage geschlagen worden sei, und um ärztliche Betreuung gebeten hatte.

Als sie die Zelle betreten hätten, erzählt der Zeuge, sei der Angeklagte aufgestanden und habe ihn gefragt, warum er eingesperrt sei. Da der Angeklagte nicht gut Deutsch spricht, hat ihm der Polizist "in einfachem Deutsch mit Händen und Füßen" erklärt, dass es in Deutschland nicht erlaubt ist, ein Kind mitzunehmen. Der 25-Jährige habe ihm geantwortet, dass er das Kind mitnehmen wollte, damit es mit seinem eigenen Kind spielen kann: "Ich mitnehmen Kind, spielen mit meinem Kind. " Am ersten Verhandlungstag hatte der Angeklagte berichtet, dass der Junge fast täglich mit seiner Tochter spielt. Diese Aussage hat der Polizist nach der Untersuchung seinem Kollegen, der mit dem Sachverhalt betraut war, mitgeteilt. Auf Nachfrage, ob der Arzt das Gespräch mitbekommen habe, meinte der Zeuge, dass es möglich sei, er aber nicht wisse, ob der sich daran erinnern könne, weil der Arzt viele solcher Untersuchungen mache.

Die Verteidigerin wollte vom Zeugen wissen, ob es sein könne, dass er die Aussage ihres Mandanten missverstanden habe? "Für mich war es unmissverständlich klar", so der Polizist. Es sei eine Rechtfertigung gewesen, warum er am Spielplatz war und was er versucht habe. "Ich hab nicht weiter nachgefragt. " Und ob es sein könne, dass ihr Mandant die Aussage auf die Vergangenheit bezogen habe? "Hat er gemeint: Mein Kind hat mal mit dem Kind gespielt? " Das könne er nicht ausschließen, sagte der Zeuge. Dem Polizisten platzte aber irgendwann der Kragen, als die Verteidigerin immer wieder den genauen Wortlaut der Aussage ihres Mandanten hören wollte. "Das habe ich doch schon sieben Mal gesagt. Ich mache mich hier zum Affen", beschwerte er sich. Richter Michael Fein ermahnte die Anwältin, dass der Zeuge das nun wirklich oft genug gesagt hätte.

Die Verteidigerin wollte auf einen zweiten Punkt genauer eingehen: Wurde der Angeklagte belehrt und wenn ja, von wem? Der Polizist im Zeugenstand konnte dazu nur angeben, dass er auf Nachfrage die Auskunft von seinem Kollegen bekommen hätte, dass dies bereits geschehen sei. Von wem genau, wisse er aber auch nicht. Die Anwältin beantragte eine Unterbrechung der Verhandlung, weil es nicht der Zeuge selbst war, der den Angeklagten belehrt hat. Deshalb werden die Kollegen des Zeugen befragt, um diesen Sachverhalt zu klären.

Da für den nächsten Verhandlungstag insgesamt sieben Zeugen geladen sind, sagte Richter Fein bereits voraus, dass es höchstwahrscheinlich nicht der letzte sein werde. "Bei sieben Zeugen, werden vermutlich nicht alle erscheinen", so Fein.

DK

Doris Mayr