Ingolstadt
Millionen für Sicherheit - doch es bleibt ein Restrisiko

Auch beim Bayernoil-Mitbewerber Gunvor ist man gespannt auf einen Bericht zu den Unglücksursachen

03.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:45 Uhr

Ingolstadt/Kösching (hl) Das schwere Unglück bei Bayernoil macht deutlich, dass selbst ausgeklügelte Sicherheitssysteme und strengste Auflagen für den Betrieb komplexer und potenziell gefährlicher Anlagen keine hundertprozentige Sicherheit bieten können.

Es ist ähnlich wie bei Flugunfällen: Umgerechnet auf die Gesamtbetriebszeiten sind schwerwiegende Zwischenfälle aufgrund technischer Mängel oder menschlicher Fehler zwar äußerst selten - aber sie kommen vor und können hochdramatische Folgen haben.

Noch ist die Ursache der heftigen Explosion, die am Samstag in aller Frühe in der Vohburger Raffinerie Millionenschäden verursacht und zum Glück nur wenige Verletzte gefordert hat, nicht geklärt. Deshalb gehen die Spekulationen über die Hintergründe des bislang größten Unglücks in der über 50-jährigen Geschichte der Petrochemie in der Region Ingolstadt noch wild durcheinander. Heftig debattiert wird vor allem bei jenen, die die Raffinierietechnik und die mit ihr verbundenen ganz erheblichen Sicherheitsauflagen am besten kennen: Bei den Ingenieuren und Chemikanten des betroffenen Unternehmens, aber eben auch in der zweiten Raffinerie vor den Toren der Stadt - bei Gunvor in Kösching.

"Auch unsere Kollegen in Vohburg sind wohl am Freitagabend noch davon ausgegangen, dass alles Erdenkliche für die Sicherheit getan worden ist", verdeutlicht Uwe Bernhard, Prokurist und Sicherheitschef bei Gunvor, die grundlegende Einstellung aller Beschäftigten in einer Raffinerie und auch in anderen Chemiebetrieben: Safety first, Sicherheit zuerst, ist das eherne Prinzip, und entsprechend interessiert ist man auch bei Gunvor, wo im Prinzip die gleichen Prozesse ablaufen wie bei Bayernoil, den Grund für den plötzlichen Kontrollverlust in der Anlage des Mitbewerbers zu erfahren.

Sollte es vermeidbare Schwachstellen oder Fehler im Sicherheitssystem gegeben haben, so will man daraus lernen und Dinge ändern oder nachjustieren. Es wird davon ausgegangen, dass nach Abschluss der polizeilichen Untersuchungen und Vorliegen etwaiger Gutachten ein detaillierter Bericht zu den Unglücksursachen in Vohburg auf entsprechenden Informationsplattformen der chemischen Industrie veröffentlicht und in der gesamten Branche breite Beachtung finden wird.

Die regelmäßigen Betriebsstillstände aufgrund von vorgeschriebenen TÜV-Untersuchungen (alle fünf Jahre) und die damit oft einhergehende Erneuerung oder Modernisierung von Anlagenteilen sind in allen Raffinerien eine Säule der Betriebssicherheit. Die zweite Säule stellen qualifizierte Ausbildung und beständige Fortbildung aller technischen Mitarbeiter auch in Sicherheitsfragen dar. Gunvor-Experte Uwe Bernhard: "Schon Auszubildende werden da von der ersten Minute an sensibilisiert. " Trotz aller Technisierung sei der Faktor Mensch immer noch unverzichtbar, verdeutlicht Bernhard: Was die Mitarbeiter bei ihren Kontrollgängen mit Augen, Ohren und Nasen wahrnehmen, sei genauso wichtig wie die automatische Sensorik - vielleicht sogar noch bedeutender, weshalb auf solche manuellen Inspektionen auch nicht verzichtet werden könne.

Die Kosten für den gesamten Aufwand sind zwar schwer zu beziffern, sie gehen aber regelmäßig in den Millionenbereich. Zumal sich die Unternehmen oft auch nicht allein auf die gesetzlich vorgegebenen Rahmenbedingungen verlassen. Bei Gunvor ist beispielsweise erst im vorigen Jahr eine zusätzliche Arbeitsgruppe gebildet worden, in der Sicherheitsfragen abteilungs- und fachübergreifend erörtert werden, um auch immer mal denkbare Betriebsblindheit zu vermeiden.