Reichertshausen
Milchwerk: Ende Mai gehen die Lichter aus

19.04.2010 | Stand 03.12.2020, 4:05 Uhr

Sorgenvoll blickt der Reichertshausener Bürgermeister Reinhard Heinrich auf sein Klärwerk. Die Abwassermengen des Milchwerkes fallen weg, die jährlichen Fixkosten für den Betrieb der Anlage können allerdings nur zu einem Teil reduziert werden. In einigen Jahren droht deshalb eine Erhöhung der Gebühren.

Reichertshausen (PK) In wenigen Wochen gehen im Reichertshausener Milchwerk endgültig die Lichter aus und rund 80 Jahre Molkereigeschichte zu Ende. Im Internet kamen bereits Maschinen und sonstiges Inventar unter den Hammer – die Schnäppchenjäger sind unterwegs.

Gerüchte über potenzielle Kandidaten für eine Fortführung des Molkereibetriebes hatte es in den letzten Monaten zwar immer wieder gegeben, auch mehr oder weniger ernsthafte Verhandlungen sollen stattgefunden haben. Fakt ist aber nun, wie Miriam Trunsberger, Assistentin der Geschäftsführung der Stegmann-Gruppe, die das Milchwerk betreibt, betonte: "Es gibt keine Interessenten, nach dem jetzigen Stand der Dinge ist das Thema Reichertshausen für uns abgeschlossen."

 
Hoch im Kurs stand das Milchwerk in den letzten Wochen dennoch – allerdings nur im Internet und "Stückje für Stückje", wie Käse-Ikone Frau Antje vielleicht sagen würde. Im Rahmen einer großen Online-Auktion kam so ziemlich alles, was nicht niet- und nagelfest war, unter den Hammer – angefangen vom 13 Meter hohen Rekompressionsverdampfer, über Wärmeaustauscher, Pumpen, Laborschränke, riesige Tanks und vielerlei Werkzeug bis hin zum Faxgerät. Über 600 Positionen waren insgesamt aufgelistet.

Noch einmal ist der Mietvertrag zwischen der Stegmann-Gruppe und der Familie Tewes aus München, seit 1927 Eigentümerin der Fabrikanlage in Reichertshausen, um einen Monat verlängert worden, Ende Mai dürfte dann im Milchwerk endgültig Schluss sein. "Bis dahin", so Dieter Tewes, "werden die Gebäudlichkeiten geräumt sein und ich mich auf die Suche nach einem neuen Mieter machen". Schließlich sei das rund 13 000 Quadratmeter große Gelände äußerst verkehrsgünstig gelegen, zudem habe er auch die etwa 2000 Quadratmeter große, 1997 gebaute Kühlhalle, die sich bislang in Stegmann-Besitz befand, übernommen. Der Altbau des Werks sei etwas über 3000 Quadratmeter groß und verfüge über zwei Geschosse.

Dass Dieter Tewes bald einen neuen Mieter findet, dürfte sich auch die Gemeinde Reichertshausen wünschen – und zwar möglichst ein Unternehmen mit einem hohen Abwasseraufkommen. Denn das Ende des Milchwerks wird auch die Gemeinde teuer zu stehen kommen. Schließlich ist die Familie Tewes Mitnutzerin der Kläranlage und hat erst vor kurzem bei deren Sanierung in den Jahren 2006 bis 2009 500 000 Euro investiert. Und mit dem Auslaufen des Vertrages mit Stegmann kann Dieter Tewes seine Anteile am Klärwerk zurückgeben und eine entsprechende Ablöse von der Gemeinde zurückfordern – was der Münchener auch tun wird, und ihm auch zusteht, wie Bürgermeister Reinhard Heinrich bestätigte. Dies sei im noch von seinem Vorgänger Hans Oberhauser unterzeichneten Vertrag aus den achtziger Jahren zwischen der Familie Tewes und der Gemeinde so geregelt.

Doch nicht nur die Ablöseforderung dürfte die Gemeindekasse zusätzlich belasten: Auf rund 420 000 Euro hatten sich 2009 die jährlichen Betriebskosten des Klärwerks belaufen, 45 Prozent davon bezahlte das Milchwerk. Die enormen Einleitungen fallen nun zwar weg, allerdings sinken die Fixkosten nicht im gleichen Maße – "schließlich können wir unsere Kläranlage ja nicht einfach zur Hälfte stilllegen", betonten Rathauschef Heinrich und sein Verwaltungsleiter Klaus Burgstaller übereinstimmend.

Seit Monaten wird an vielerlei Stellschrauben der Anlage gedreht und am Ablaufplan getüftelt, das ehrgeizige Ziel ist, die Betriebskosten um "30 bis 40 Prozent" drücken zu können. Letztendlich wird man allerdings um eine Erhöhung der Abwassergebühren nicht herumkommen, wobei diese nach den Worten Heinrichs wohl erst nach der nächsten Globalberechnung 2012/2013 zu erwarten ist. Wie tief die Reichertshausener Haushalte und die Bürger der ebenfalls angeschlossenen Verbandsgemeinde Jetzendorf in die Tasche greifen müssen, ist derzeit noch völlig unklar – Angst vor einer allzu drastischen Anhebung muss man laut Bürgermeister Heinrich allerdings nicht haben: "Eine Verdoppelung der Gebühren kann ich beispielsweise jetzt schon ausschließen."