stadtgeflüster
Mickymaus will OB werden

04.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:54 Uhr

(rh) Auch wenn die Ingolstädter Sozialdemokraten in den letzten Jahren einen eher traurigen Eindruck vermitteln, einst gelang ihnen - das sollte zu ihrem bleibenden Ruhm für die Nachwelt festgehalten werden - der lustigste Wahlkampf in der Geschichte Ingolstadts.

Da reichte selbst Günter Grünwald als bekanntester Schanzer Humorprofi bei seiner OB-Kandidatur 1996 für die Grünen (4,8 Prozent) nicht annähernd heran.

Zeitzeugen, die das Glück hatten wie der DK-Berichterstatter, am 16. Januar 1990 die Premiere des SPD-Wahltheaters im Ettinger Schlosswirt mitzuerleben, erinnern sich noch an heftige Bauchschmerzen infolge von unkontrollierbaren Lachkrämpfen. Man konnte echt froh sein, wenn man an diesem Abend keinen Schreibdienst hatte, sondern sich - unter Preisgabe jedweder journalistischen Distanz - dem Genuss dessen hingeben durfte, was die SPD-Spaßvögel dort oben auf der Saalbühne ausgebrütet hatten. Jede Wette, dass sogar stramme CSU-Anhänger lauthals aufgelacht hätten, wenn sie sich denn überhaupt in dieses rote Pointenfegefeuer gewagt hätten. Vermutlich war ihre Angst aber doch zu groß, dass sie dort vom Leibhaftigen geholt werden könnten.

Die Genossen boten dem Publikum etwas, was es im Kampf ums Rathaus noch nie gegeben hatte: Eine brillante Satirerevue, professionell einstudiert durch Sympathisanten des Stadttheaters und präsentiert vom eigenen politischen Personal, an seiner Spitze OB-Kandidat Franz Götz und Unterbezirksvorsitzender Werner Pößl. Die beiden riskierten eine zum Brüllen komische Slapsticknummer als Mickymäuse und nahmen damit einen dubiosen Investor auf den Arm, der sich damals eingebildet hatte, er müsse auf dem früheren Shell-Gelände unbedingt ein europäisches Disneyland bauen.

Achim Werner legte im Schlosswirt den Auftritt seines Lebens als leicht hüftsteifer Peter Schnell mit OB-Amtskette hin, der den ersten Fluggast am neu eröffneten Airport Ingolstadt I (Manching) begrüßt und eine staatstragende Rede über Ingolstadts "oberzentrale urbane Qualität" hält. Werners Ziehvater Fritz Böhm hatte seinem talentierten OB-Double empfohlen, sich hinzustellen, "als hätte er die Hosen voll".

Mit ihrem Wahltheater landeten die Sozialdemokraten 1990 einen Bombenerfolg - in jeder Hinsicht. Ein Sketch über die Firma Roehll, Spezialgebiet Kampfmittelentsorgung, hatte prompt zur Folge, dass der TSV Ober- und Unterhaunstadt die saufrechen SPD-Komödianten nicht ins Vereinsheim lassen wollte, weil der Vorsitzende bei Roehll angestellt war und in der Sache keinen Spaß verstand.

Im Jahr 2019 unterhält die SPD die deutsche Öffentlichkeit mit ihrem komischen Auswahlverfahren für den Bundesvorsitz. Mancher Kritiker versteigt sich gar zu dem Urteil, die ganze Partei sei nur noch ein Witz. Aber so lustig ist das für die Demokratie auch wieder nicht.