Kelheim
Messerattacke: Gericht verurteilt 20-Jährigen

07.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:53 Uhr

Kelheim (DK) Das Jugendschöffengericht Kelheim hat einen 20-Jährigen aus dem Landkreis zu einer neunmonatigen Jugendstrafe auf Bewährung und einer Geldauflage von 500 Euro verurteilt. Der junge Mann hatte einem Kontrahenten ein Messer zwischen die Rippen gerammt und Freispruch gefordert.

Wie berichtet, kam es im Juni vergangenen Jahres zu mitternächtlicher Stunde in einer leer stehenden Fabrikhalle zu einer folgenschweren Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen. Im Verlauf der Begegnung verletzte der angeklagte Auszubildende ein Mitglied der gegnerischen Gruppierung, indem er ihm mit seinem Klappmesser von hinten zwischen die Rippen stach.

Auslöser der Straftat soll nach seiner Aussage eine Flasche gewesen sein, die aus einem Fenster flog und zerbarst. Als der mit 1,6 Promille zum Tatzeitpunkt stark alkoholisierte Angeklagte von einem Splitter im Gesicht verletzt wurde, will er die Fassung verloren haben – die Flasche oder deren Scherben konnten von der Polizei im Nachhinein allerdings nicht mehr aufgefunden werden.

Disput um Motiv

Vor der Attacke, die nun verhandelt wurde, soll der Angeklagte mit seinem offenen Klappmesser zunächst einer 19-jährigen Frau vor dem Gesicht herumgefuchtelt und laut geschrien haben "Ich steche Euch ab". Im Anschluss daran, soll der 20-Jährige in der Fabrikhalle noch einem anderen Beteiligten das Messer an den Hals gehalten haben. Beim Wegdrücken der Waffe verletzte sich dieser an der Hand.

Da die sechs als Zeugen gehörten Jugendlichen zu diesen beiden Vorwürfen nichts beitragen konnten – sie hatten zur Tatzeit zwischen 1,2 und 2,0 Promille Alkohol im Blut – wurden diese Punkte von Staatsanwaltschaft und Gericht allerdings wegbeschränkt.

Übrig blieb damit nur die dritte Attacke des Angeklagten, mit der er – so seine Version – lediglich einem Freund helfen wollte. In der Dunkelheit der Halle will der 20-Jährige mitgekommen haben, dass sein Freund auf dem Boden liegend von einem Mitglied der anderen Gruppe mit Faustschlägen in das Gesicht traktiert wurde. Nach eigener Aussage rammte der Auszubildende dem Angreifer das Messer nur deshalb von hinten in die Rippen, um die beiden Streithähne von einander zu trennen. Schon am ersten Verhandlungstag wertete sein Verteidiger Jörg Sodan die Tat daher lediglich als Nothilfe und löste damit einen heftigen Disput mit Richter Hermann Vanino aus.

Nachdem am zweiten Verhandlungstag der Krankenhausarzt, der das Opfer damals behandelt hatte, die Stichverletzung als "vergleichsweise harmlos" einstufte und aussagte, dass durch die Attacke kein dauernder Schaden zurückbleiben wird, plädierte die Staatsanwältin für eine Jugendstrafe von einem Jahr und eine Geldauflage von 500 Euro.

Verteidiger Sodan hingegen forderte in erster Linie Freispruch wegen Nothilfe für den Angeklagten. Um diese Forderung durchzusetzen, schilderte er die zum Eingreifen seines Mandanten führenden Faustschläge in den schillerndsten Farben und sparte dabei auch nicht mit starken Worten. Sodan stufte das Opfer der Messerattacke als "super gefährlich, super besoffen und super stark" ein. Auch das Wort "Gangster" fiel während seines Vortrags.

"Kriminelle Energie"

Dieses Plädoyer stieß bei Richter Vanino allerdings auf taube Ohren. Nach seiner Meinung lag eine strafbefreiende Nothilfe und damit eine, einen Messereinsatz rechtfertigende, Verteidigungshandlung objektiv nicht vor. Vielmehr attestierte Vanino dem Angeklagten selbst "schädliche Neigungen und eine kriminelle Energie" – was sein Vortatverhalten und auch sein Strafregister belegen.

Nur weil beim Angeklagten der Vorsatz des Überschreitens nicht mit Sicherheit nachweisbar war, blieb das Jugendschöffengericht schließlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.