Berlin
Merkel geht in die Offensive

Die Kanzlerin nennt den Verlust des Bundesfinanzministeriums "akzeptabel"

11.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

Berlin (DK) "Das ist schmerzlich, dass wir das Finanzministerium nicht mehr haben", räumt Angela Merkel ein. "Aber es ist akzeptabel." Die CDU-Chefin verteidigt ihre Entscheidung und weist Kritik aus den eigenen Reihen zurück. "Wir haben sicherlich einen hohen Preis bezahlt für eine stabile Regierung", sagt Merkel. Doch sei ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen wegen der Ministerposten "nicht verantwortbar" gewesen. Auftritt gestern Abend im ZDF-Hauptstadtstudio. Merkel steht Rede und Antwort und schlägt zurück gegen die Rebellen in der CDU. Vier volle Jahre wolle sie regieren, stellt sie klar. "Ich gehöre zu den Menschen, die Versprochenes einhalten", sagt sie und will auch eine erneute Kanzlerkandidatur im Falle von Neuwahlen nicht ausschließen, sollten die SPD-Mitglieder gegen den Koalitionsvertrag stimmen. Von Amtsmüdigkeit keine Spur bei der Kanzlerin.

Angela Merkel kämpft und wirbt um Zustimmung für den Koalitionsvertrag und das schwarz-rote Bündnis. Wieder einmal wird es eng für sie, und wieder einmal sucht Merkel den Befreiungsschlag vor der Kamera, hat sich bei "Berlin direkt" angemeldet, will erklären, warum die CDU auf das Finanzministerium verzichtet und dem Koalitionsvertrag mit der SPD zugestimmt hat. Merkel soll sich selbst in die Sendung eingeladen haben, spürt offenbar, dass sie reagieren muss. Zu groß sind der Druck der Basis und die Unzufriedenheit über die Ressortverteilung.

Merkel kündigt an, dass vor dem CDU-Sonderparteitag am 26. Februar in Berlin klar sein werde, welche CDU-Politiker künftig als Minister am Kabinettstisch sitzen würden und kündigt eine personelle Erneuerung an. Jetzt gehe es darum zu zeigen, dass die CDU mit einer neuen Mannschaft antreten könne. In der CDU rumort es: Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch fordert Merkel auf, ihre Nachfolge zu regeln. Die Nachfolgeregelung könne von oben gestaltet werden, oder sie geschehe "aus einer innerparteilichen Opposition heraus", legt er ihr indirekt den Rückzug nahe.

Merkel müsse jetzt reagieren und liefern, die Erneuerung der Partei vorantreiben und junge frische Kräfte in der Regierung und der Parteispitze präsentieren, so ihre Kritiker. Davon sei bisher nicht viel zu erkennen, kritisiert der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak. Die Stimmung an der Basis sei katastrophal. Bis zum Sonderparteitag müsse Klarheit darüber herrschen, wer von der CDU ein Ministeramt übernimmt, fordert er. Nur so könne die Partei auch guten Gewissens der Koalition zustimmen. Die Kanzlerin müsse den Mut haben, auch kritische Leute zu Ministern zu machen. Meuterei gegen Angela Merkel? "Nein. Aber natürlich gibt es eine Enttäuschung über die Ressortverteilung", klagt der JU-Chef gestern gegenüber unserer Berliner Redaktion. Merkel umgebe sich weiter nur mit Vertrauten, lautet der Vorwurf vieler Kritiker. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther drängt auf Veränderung. Die Partei stehe vor einem "historischen Prozess" und brauche daher neue Leute im Kabinett.

In der CDU geht die Angst um, die Partei könne einen ähnlichen Absturz wie die SPD erleiden. Der Druck auf Merkel wächst, nach mehr als zwölf Jahren im Amt die Nachfolgefrage zu klären. Wer in der CDU könnte die Kanzlerin beerben? "Nach meiner Erfahrung hat sich immer jemand gefunden, wenn es soweit war", sieht CDU-Finanzstaatssekretär und Merkel-Rivale Jens Spahn die Frage nüchtern. Kanzleramtsminister Peter Altmaier spielt den Feuerwehrmann und weist die parteiinterne Kritik zurück, verteidigt den Koalitionsvertrag und die Ressortverteilung. "Selbstverständlich tut es weh, wenn man Ministerien nicht mehr besetzt, die wichtig sind und für die Union als Teil der eigenen Identität begriffen wurden", räumt der Merkel-Vertraute ein. Er sei aber sicher, "dass wir auf dem kommenden CDU-Parteitag eine breite Mehrheit für diese Koalition bekommen werden". Die Bevölkerung wünsche sich Angela Merkel weiterhin als Bundeskanzlerin. Das wisse auch die große Mehrheit der Partei.

In der Tat gibt ihm eine aktuelle Umfrage teilweise Recht. Das Institut Emnid ermittelte für die "Bild am Sonntag", dass sich 57 Prozent der Befragten eine Zustimmung der SPD-Basis zur großen Koalition beim Mitgliederentscheid wünschen - was gleichbedeutend mit einer Kanzlerschaft Merkels wäre. 38 Prozent hofften indes auf eine Ablehnung. Bei den SPD-Anhängern waren 84 Prozent für Zustimmung, bei den Unions-Anhängern 87 Prozent.