Schrobenhausen
"Menschenrechte für alle!"

Was in dem Brief steht, den der Schrobenhausener Verein Offene Türen Ministerpräsident Söder übergab

17.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:03 Uhr
Zu den aktuellen Dauerthemen vertritt Ministerpräsident Markus Söder sehr eindeutige Positionen. Bei seinem Besuch in Schrobenhausen nahm er immerhin einen offenen Brief, der sich kritisch mit CSU-Positionen befasst, persönlich entgegen. Der Verein Offene Türen hatte darum gebeten. −Foto: Foto: M. Schalk

Schrobenhausen (SZ) Der Schrobenhausener Verein Offene Türen setzt sich für einen konfliktfreien Umgang von Menschen unterschiedlicher Herkunft in der gemeinsamen Heimat ein.

Der Vereinsspitze um Joachim Siegl und Herwig Laabs war es ein Anliegen, Ministerpräsident Markus Söder bei seinem Besuch in Schrobenhausen einen offenen Brief zu übergeben - und das wurde vom Schrobenhausener Ortsverband der CSU auch möglich gemacht. Der Inhalt des Schreibens liegt der Redaktion vor. Hier ist er:

"Mit brennender Sorge haben wir von den Plänen der EU vernommen, das Mittelmeer von verstärkten Frontex-Einheiten als Fluchtweg ,dicht zu machen' und die Seenotrettung zu verhindern. Welchen Auftrag haben diese Einheiten, wenn sie auf überfüllte Boote treffen? Sollen diese Boatpeople aufgefordert werden zurückzukehren? - Was, wenn sie dem Befehl nicht folgen (können)? Versenken? Zum Kentern bringen? Welche Anweisung bekommt der Kommandeur? Wir meinen: Das ist keine gute Lösung in der Flüchtlingsproblematik!

Wir wollen kein Europa, das sich gegen wehrlose Frauen und Kinder in dieser Weise ,schützt'! Denn diese Art von ,Außengrenz-Schutz' bedroht nicht nur die Flüchtlinge, sie verletzt auch unsere Menschlichkeit und Würde. Wer will in einem Europa leben, das Menschen in großer Not zu einem Feindbild erhebt und ertrinken lässt?

Die ,Anker-Zentren' in Deutschland und die ,Auffanglager' in südeuropäischen Staaten setzen ebenfalls Menschenrechte außer Kraft setzen! Niemand darf wegen seiner Herkunft festgesetzt werden. Niemandem darf die Menschenwürde verletzt oder abgesprochen werden!

Wir sind davon überzeugt, dass ein enges Zusammenleben in einem Lager über Jahre hinweg die Persönlichkeitsrechte einschränkt. Keins der Lager wird dem Anspruch der allgemeinen Menschrechte gerecht. Auch in dem vorgestelltem ,Masterplan' erkennen wir keine ernstgemeinten und realistischen Lösungsansätze.

Für die Menschen, die bei uns und in der EU Schutz suchen, muss sichergestellt sein, dass sie sich selbstständig versorgen können durch eine Arbeitserlaubnis. Sie dürfen nicht zu unmündigen Almosenempfängern gemacht werden.

Wie soll eine ,Abschreckung' von Flüchtlingen und potenziellen Asylbewerbern in den Ankerzentren und sonstigen Einrichtungen aussehen? Sollen die Verhältnisse der Lager in Libyen noch getoppt werden?

Wir wollen kein Europa oder Deutschland, in dem der Staat glaubt, dafür sorgen zu müssen, dass seine Bürger vor fremdaussehenden Menschen bewahrt werden. Wir erwarten von einer Regierung in Deutschland, dass sie nicht einknickt vor Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsradikalismus, deren dumpfer ,Nationalstolz' nach ,Sicherheit und bewahrtem Deutschtum' und gegen eine ,Überfremdung der Heimat' brüllt.

Wir wollen ein Deutschland, das auch nicht vom Geld regiert wird, sondern eine unabhängige Regierung, die sich den Menschenrechten und der Verfassung verpflichtet weiß und nicht vor den nächsten Wahlen zittert.

Folgende Vorschläge machen wir aus unserer Erfahrung in der ,Flüchtlingsarbeit': Wo viele Menschen auf engem Raum (Lager) zusammenleben müssen, hat es sich bewährt, wenn ein Zusammenziehen in den Räumen möglichst frei gewählt werden kann, die gewohnte Kost selbst hergestellt wird (kein Kochverbot! ), wenn die Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften eingehalten und verbindlich vorgeschrieben werden, wenn alle Männer die Möglichkeit bekommen, Sport zu treiben, sich fit zu halten oder unter Anleitung eine Sportart erlernen können. Das Arbeitsverbot ist sofort aufzuheben, denn kein Deutscher verliert seinen Arbeitsplatz wegen eines Flüchtlings. Das Arbeiten gemeinsam mit Deutschen erhöht die Motivation Deutsch zu lernen und ermöglicht es, die alltäglichen Gepflogenheiten und ungeschriebenen Gesetze kennen zu lernen (z. B. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortung). Wir brauchen dringend Menschen, die bereit sind, eine Ausbildung in Kranken- und Altenpflege zu machen. Eigeninitiative und Kompetenzen der Flüchtlinge müssen mehr Gewicht bekommen als Bürokratie der Ämter. Jeder Einzelfall soll auch gesondert beurteilt werden.

Was soll ein 63-Punkte-Plan, der vorgaukelt: Jetzt wird alles besser und schneller verwaltet, die Menschen werden Deutschland gleich wieder verlassen? Familien dürfen auch dann nicht auseinandergerissen werden, nur weil Kinder volljährig geworden sind. Das Zusammenlegen von Ämtern und Behörden hat kein Asylverfahren beschleunigt.

Solange es keine geregelte und sichere Rückkehrmöglichkeit gibt, dürfen keine Maßnahmen angedroht werden, die einen Flüchtling zu einem illegalen Menschen machen. Auch diejenigen, die keinen Asylstatus bekommen können, müssen die Möglichkeit bekommen, sich zu integrieren und gegebenenfalls ein Aufenthaltsrecht erhalten.

Unser Vertrauen in die Ehrenhaftigkeit der Regierung ist tief erschüttert. Die Unterstützer und ich wünschen, dass sachlich, vernünftig und rechtmäßig gehandelt wird und die wirklich großen gesellschaftlichen Herausforderungen endlich in Angriff genommen werden. Wir wollen in Europa und explizit in Deutschland verantwortungsbewusste Politiker, die sich stark machen für eine Politik der Menschlichkeit auf der Grundlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. "