"Menschen, nicht Religionen integrieren"

Der bayrische Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer sprach an der Universität über Rahmenbedingungen

22.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:23 Uhr

Der Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer war zu Gast an der Uni Eichstätt - Foto: Kusche

Eichstätt (ddk) Allerorts beschäftigt Menschen die Frage: „Schaffen wir das? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen“ Als erster Integrationsbeauftragter des bayrischen Freistaats setzt sich derzeit auch der Landtagsabgeordnete der CSU Martin Neumeyer intensiv mit diesem Problem auseinander.

Im Rahmen eines deutsch-französischen Seminars und Alumni-Wochenendes innerhalb des Deutsch-französischen integrierten Studiengangs Politikwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt sprach er zum Thema „Bayern zwischen Leitkultur und Integration von Muslimen“. Neumeyer plädierte dabei für ein klares Bekenntnis und unverrückbare Positionierung zu Werten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit, die als Rahmen für eine gelungene Integration von Menschen anderer Herkunft in Deutschland gelten sollten.

Seit 2009 bekleidet Martin Neumeyer das Amt des unabhängigen und ressortübergreifenden Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung – und hat schon mehr als einmal Drohungen, ja sogar Morddrohungen per Mail, Fax oder Brief erhalten. Denn die Emotionen im Hinblick auf die vor allem in diesem Jahr stark zunehmenden Herausforderungen in der Flüchtlings- und Integrationspolitik kochen bisweilen heftig hoch. Doch Neumeyer lässt sich von solcherlei Drohgebärden nicht sonderlich beeindrucken – im Gegenteil:

Als Freund und Helfer für Flüchtlinge ist er regelmäßig rund um das Münchner Bahnhofsviertel unterwegs und hält rege Kontakte zu syrischen, arabischen oder türkischen Bekannten. Als Mensch und Christ sieht er es als seine Pflicht, Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, umfassend bei ihrer Integration in einem fremden Land zu helfen. Dabei ist für den gelernten Koch, Betriebswirtschaftler und Landtagsabgeordneten eine Maßgabe zentral: „Wir integrieren keine Nationen oder Religionen, sondern wir integrieren Menschen – Individuen, die frei sind, über ihre eigene Identität zu befinden, ohne vereinnahmt zu werden.“

Allzu häufig werde in der Öffentlichkeit beklagt, Integration sei wegen der muslimischen Religion problematisch oder gar nicht möglich. Es gebe inzwischen sogar erste „Knigge für Muslime in Deutschland“, die alles, was in Deutschland abläuft, mit dem Koran begründeten oder erklärten. Diesen Ansatz hält Neumeyer für völlig verfehlt: „Wir können und dürfen nicht nach der Religion integrieren, das ist nicht machbar. Wir brauchen einen säkularen Ansatz.“ Daher kritisiert er verschiedene deutsche Politiker, die vom „Islam als einem Teil Deutschlands“ gesprochen hatten: „Muslime gehören zu Deutschland – nicht der Islam“, meinte Neumeyer dazu.

Wesentlich konstruktiver und förderlicher für eine gelungene Integration sei es, nach den Werten zu fragen, denen als Leitlinien oder Bezugsrahmen in einem Staat entscheidende Bedeutung zukommt, betonte Neumeyer. Mit „Je suis Charlie“ habe sich die Mehrheit der westlichen Welt in den vergangenen Monaten klar und deutlich zu den Werten von Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit bekannt. Auch für Deutschland sieht er eine klare Positionierung „ohne Wenn und Aber“ als notwendig: „Auf dem Altar der Eitelkeiten dürfen keine Werte veräußert oder verhandelt werden“, forderte Neumeyer energisch. Zu diesen Werten zählen seiner Meinung nach auch die Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie und die Gleichberechtigung von Mann und Frau: „Diese Werte haben sich in unserer Gesellschaft bewährt, hier dürfen wir nichts opfern“, betonte Neumeyer. Ein Integrationsgesetz, das Neumeyer bereits seit sieben Jahren einfordert, soll ab März 2016 zu einer gelingenden Integration beitragen. Große Summen sollen für die neuen Bürger verschiedenster Herkunft bereitgestellt werden, doch das Gesetz, so Neumeyer, werde neben Geld vor allem noch mit Leben ausgefüllt werden müssen. Dazu seien weiterhin viele Helfer und Betreuer, Sprachkurse und Wohnraumbeschaffung nötig – ohne Gettoisierung und Entstehung von Parallelgesellschaften. Für den Integrationsbeauftragten ist allerdings auch ein weiterer Aspekt ganz entscheidend: „Nur wer sich wirklich integrieren will, der wird auch integriert“, meinte Neumeyer.

Bei allem Lob für die großartige Willkommenskultur und die enorme Hilfsbereitschaft, die in Bayern erlebbar gewesen sei, erinnerte Neumeyer zum Abschluss aber auch an die Verantwortung für die politische Zukunft. Angesichts steigender Popularität rechts stehender Parteien nicht nur in Bayern und Deutschland, sondern auch in vielen europäischen Staaten, sei es zum einen dringend erforderlich, mit allen gesellschaftlichen Kräften im Gespräch zu bleiben und bei allen Integrationsbemühungen nicht über sie hinwegzusehen. Als ebenso wichtig erachtet Neumeyer – ungeachtet seiner Forderung nach rigoroser Trennung von Staat und Religion – die Entwicklung eines religiösen Dialogs als Grundvoraussetzung für ein gutes Zusammenleben verschiedener Kulturen.

„Schaffen wir das“, so noch einmal die Frage der Studenten zum Abschluss des Vortrags. Hier hob Neumeyer zwei weitere, für ihn maßgebende Voraussetzungen hervor. Zum einen sieht der Integrationsbeauftragte nur bei einer konsequenten Politik der verantwortungsvollen Rückführung eine Chance, die Herausforderungen zu bewältigen. Zum anderen müsse die europäische, aber auch US-amerikanische Solidarität eingefordert sowie auch Staaten wie Saudi-Arabien oder Qatar in die Pflicht genommen werden.