Ingolstadt
"Menschen aus dem Abseits holen"

Angelika Söder ist Fifa-Schiedsrichterin und Psychologin für Kinder mit Behinderung in St. Vinzenz

30.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:29 Uhr

Leidenschaft für den Fußball als „Schiri“ und Verbundenheit mit dem Caritas-Zentrum St. Vinzenz Ingolstadt – hier symbolisiert durch das Männchen mit Handicaps, das Angelika Söder zeigt. - Foto: Esser

Ingolstadt (DK) Sie ist Psychologin im Caritas-Zentrum St. Vinzenz und pfeift als Fußball-Schiedsrichterin regelmäßig Spiele in der Frauen-Bundesliga und der Herren-Regionalliga. Für Angelika Söder (26) ist das kein Gegensatz. Psychologie ist im Fußball und in der Arbeit mit Kindern gleichermaßen gefragt.

Dienst an Kindern mit Behinderung und gleichzeitig ehrgeizige Fußball-Schiedsrichterin – passt das zusammen? Muss man als Schiri nicht hart durchgreifen, während im Umgang mit behinderten Menschen Sensibilität angebracht ist? Angelika Söder will diesen Gegensatz so nicht stehen lassen: „Auch einem Kind mit geistiger Behinderung muss man schon mal klar ,Stopp!’ sagen, wenn es andere Kinder schubst. Und auf dem Fußballplatz ist es bei einigen Spielern besser, erst einmal ein Gespräch zu suchen, als ihnen gleich eine Karte zu zeigen“, sagt die Mitarbeiterin des Caritas-Zentrums St. Vinzenz. Bei beiden Engagements kommt es ihrer Erfahrung  nach vor allem auf Menschenkenntnis und verantwortungsvolles Vorgehen an.

Der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen, war es denn auch, der die gebürtige Nürnbergerin dazu brachte, Schiedsrichterin zu werden. Als Kind spielte und pfiff sie lange Zeit gleichermaßen. Mit 17 Jahren entschied sie sich dann ganz für eine Tätigkeit als „Schiri“: „Als Spielerin kann man die Schuld auf andere abschieben. Als Schiedsrichterin muss man hingegen allein zu dem stehen, was man tut. Das ist auch eine gute Schule fürs Leben“, begründet sie ihre damalige Entscheidung.  Die hat sie mittlerweile weit gebracht. Angelika Söder pfeift regelmäßig Fußballspiele in der Frauen-Bundesliga und der Herren-Regionalliga. Sie ist bereits Fifa-Schiedsrichterin und wirkt bei internationalen Begegnungen als Linienrichterin mit. Ihr Traum ist es, einmal bei einer Weltmeisterschaft zu pfeifen. Das hält sie aber erst für die in acht Jahren für realistisch.  

 Aufgrund ihrer Leidenschaft für den Fußball wollte sie ursprünglich Psychologie im Sport studieren. Das erschien ihr für die beruflichen Perspektiven dann aber doch als zu  speziell, und so absolvierte sie ein Bachelor- und Masterstudium in Psychologie. „Das ist ein vielseitiger Bereich, bei dem es immer um den Menschen geht“, beschreibt sie ihre Motivation für ihren Beruf. Seit Mai dieses Jahres ist sie im Psychologischen Fachdienst von St. Vinzenz in Ingolstadt tätig. Hier nimmt sie sich Kindern mit geistiger Behinderung an. Diese erlebt sie als lernwillig und begeisterungsfähig, und es sei außerdem immer wieder schön, kleine Fortschritte zu mehr Lebensqualität bei ihnen zu entdecken: „Zum Beispiel, wenn manche bereits nach kurzer Zeit ihren Wunsch nach Essen oder Spielen in Gesten und Gebärden ausdrücken, was sie am Anfang noch nicht konnten.“

Ärgerlich macht es die Psychologin, wenn sie mit bürokratischen Hemmnissen zu tun hat: „Wenn zum Beispiel erst nach vielem Hin und Her Hilfsmittel wie ein Rollstuhl bewilligt werden. Das empfinde ich dann als Foulspiel in meinem beruflichen Umfeld.“ Hoffnung machen ihr hingegen vielfältige Initiativen zur Inklusion in letzter Zeit, etwa das Kooperationsprojekt Partnerklasse für Kinder mit und ohne Behinderung zwischen dem Caritas-Zentrum und der Grundschule an der Lessingstraße. „Es ist noch vieles möglich, um Menschen mit Handicaps aus dem ‚Abseits‘ herauszuholen“, so die Psychologin und Schiedsrichterin.