Ingolstadt
Meinungsbildung im Alf-Lechner-Museum

Rund 220 Besucher informieren sich am ersten Ausstellungswochenende über die Entwürfe der neuen Kammerspiele

13.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:37 Uhr
Vom Siegerentwurf überzeugt: Hans-Georg Schweiger betrachtet das Modell des Hamburger Büros Blauraum, das den städtischen Architektenwettbewerb gewonnen hat. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Am ersten Wochenende ist die Ausstellung mit den 15 Entwürfen für die neuen Kammerspiele aus dem Architektenwettbewerb im Alf-Lechner-Museum mit rund 220 Besuchern sehr gut frequentiert gewesen.

Das Publikum war gemischt - neben fachkundigen Gästen sahen sich viele Ingolstädter zum ersten Mal die Arbeiten an. Einigkeit darüber, wie der Neubau einmal aussehen soll, bestand nicht.

Wer das Museum betritt, dem fällt rechter Hand sofort das Siegermodell mit goldfarbener Dachfläche ins Auge. Der polygonale Entwurf der Kammerspiele, die nach der Idee des Hamburger Büros Blauraum südlich des Stadttheaters im Park zwischen Tränktorstraße und Schlosslände entstehen könnten, steht exponiert auf einem Podest vor der langen Glasfront. Hans-Georg Schweiger betrachtet das Modell eingehend. "Es harmoniert gut mit dem Theater", findet er.

Der Ingolstädter ist an diesem Samstag auf dem Nach-Hause-Weg zufällig in der Ausstellung gelandet. Er geht hin und wieder ins Theater und verfolgt die Diskussion über die Kammerspiele in der Presse. So richtig Gedanken hat er sich selbst bis dato noch nicht gemacht. Nun hat es ihm das Hamburger Siegermodell angetan - ihm gefallen "die Form und das Konzept mit den verschiedenen Nutzungsarten", sagt er. "Das ist eine Aufwertung des gesamten Stadtbilds. " Die Nähe zum bestehenden Theater hält er eher für sekundär.

So sehen das auch zwei Männer, die tief in die Materie eingestiegen sind. Sie deuten auf einige Entwürfe an den Stellwänden hinter Alf Lechners Rauminstallation "Labyrinth" und fachsimpeln, ob ein ganz anderer Standort nicht sinnvoller wäre. "Kammerspiele sind Kultur", stellt der eine fest. "Das kann auch an einem Platz geschehen, an dem im Moment noch gar keine Kultur ist. " Als Beispiel nennen die beiden das Piusviertel oder das einstige Reichsausbesserungswerk. "In Paris haben sie eine wunderschöne Oper", zieht einer der Männer einen Vergleich. "Dass diese in einem Arbeiterviertel gebaut wurde, war möglich, weil eine politische Diskussion geführt wurde. " Dass die Entscheidung für die Ingolstädter Kammerspiele auf einen altstadtnahen Standort nahe des Hämer-Baus gefallen ist, halten die beiden für voreilig. "Ich verstehe den Gedanken des Intendanten, dass eine direkte Verknüpfung zu den Werkstätten wünschenswert ist", meint einer. Aber anderswo - in München beim Gärtnerplatztheater oder den dortigen Kammerspielen - funktioniere das auch ohne unmittelbare Nähe zu den technischen Räumen gut.

Die Unterhaltungen weiterer Besucher zeugen davon, dass sich viele Ingolstädter bereits intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben. In ihren Gesprächen geht es um den Intendanten Knut Weber oder die umstrittene Wolkenbügel-Idee von Bürgermeister Sepp Mißlbeck. Dass aber nicht jeder Gast des Alf-Lechner-Museums, zu dem der Eintritt während der Ausstellung bis 10. Februar frei ist, so fachkundig ist, zeigen die Fragen nach einer - fehlenden - begleitenden Broschüre. Nach Auskunft des Museumspersonals besteht der Wunsch nach "Informationen zum Mitnehmen", um sich zu Hause Gedanken über die Entwürfe machen zu können.

Von diesen werden wie berichtet nur drei ins politische Auswahlverfahren gelangen. Die zwölf anderen sind aus dem Rennen - bringen aber nach wie vor Gesprächsstoff mit sich. So geht es um die Zukunft der Schlosslände, deren Umgestaltung Teil vieler der Modelle sein würde. "Die Schlosslände bleibt", liest eine Frau, die mit ihrem Mann und einem weiteren Ehepaar zwischen den Stellwänden umherschlendert, aus einem der Entwürfe vor. Anders sei das Projekt gar nicht zu realisieren, wirft ein Mann ein. Zu teuer, ist er überzeugt.

Gerald Baumann ist anderer Meinung. Gerade mit dem Siegerentwurf sieht er die Chance auf eine autofreie Schlosslände entlang der Donau. "Dafür müsste die Stadt Sorge tragen", sagt der Ingolstädter, wirft aber ein: "Es ist zäh, etwas gegen Autos zu machen. " Abgesehen davon hält Baumann baulich am meisten vom Modell der Hamburger - und das, obwohl er sich als Theatergänger im Vorfeld des Wettbewerbs wie beim Modell des Stuttgarter Büros Ackermann + Raff eher einen direkten Anbau an das Hämer-Gebäude vorgestellt hatte. "Inzwischen bin ich überzeugt, dass es auf dem Platz beim Museum für Konkrete Kunst mehr bauliche Chancen gibt", sagt er.

Auch Michael Heberling mag die Blauraum-Idee. Er spricht von einer "neuen Platzqualität", der Entwurf nehme die "Hämersche Ästhetik gekonnt" auf. Einen Anbau ans Theater sieht Heberling kritisch, einige Entwürfe bezeichnet er gar als "witzig". Er nennt das Modell des Leipziger Büros Schulz und Schulz, das die Kammerspiele "satellitenförmig um den Hämer-Bau" vorsieht. Dass auf vielen Stellwänden versucht wird, einen Bezug zum Fluss zu erzeugen, kann Heberling nachvollziehen: "Das ist die alte Idee der Ingolstädter, die Donau in die Stadt zu holen. "

 

Tanja Stephan