Roth
"Meilenstein für Rother Stadtentwicklung"

Leoni zieht aus der Innenstadt an die Lände – 70 Millionen Euro für modernste Kabelfabrik Europas

23.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:30 Uhr
Der alte Standort an der Stieberstraße soll Ende 2018 geräumt werden - für Roth die einmalige Chance zur Stadtentwicklung. Ab 2020 sollen hier Wohnhäuser entstehen. - Foto: Leoni −Foto: Leoni

Roth (HK) Das nennt man eine Win-win-Situation: Die Leoni AG, weltweit größter Kabelhersteller, baut an der Rother Lände die modernste Fabrik Europas. Die Stadt Roth erhält im Gegenzug einen neuen Stadtteil zwischen Rednitz und Schloss Ratibor. Gestern wurden die Verträge unterzeichnet.

Der Ort war trefflich gewählt: Der Markgrafensaal von Schloss Ratibor ist praktisch der Ursprung des Rother Drahtzugs. Im 18. Jahrhundert produzierte hier Johann Philipp Stieber. Gestern unterschrieben an gleicher Stelle ein strahlender Rother Bürgermeister Ralph Edelhäußer und ein gelöster Klaus Probst, Vorstandsvorsitzender der Leoni AG, die Kaufverträge. Leoni hat sich damit 134 000 Quadratmeter Fläche am Rother Hafen gesichert. „Wir wollen dort das modernste Kabelwerk Europas bauen“, sagt Probst. Für Mitte 2016 ist die Grundsteinlegung für die „Fabrik der Zukunft“ geplant, 2019 soll das Werk den Betrieb aufnehmen. Rund 70 Millionen Euro wird der Umzug auf die grüne Wiese kosten, alleine 40 Millionen der Neubau. Rund 800 Beschäftigte sollen hier in Produktion, Vertrieb und Entwicklung arbeiten.

Ende 2018 wird der alte Standort an der Rednitz geräumt sein. Für Roth die große Chance, einen neuen Stadtteil zu schaffen, der so groß ist wie die gesamte Innenstadt. „Ein Meilenstein für die Stadtentwicklung“, jubelt Edelhäußer. „Nur ein Schritt“, schränkt Probst ein. Doch Edelhäußer fantasiert schon weiter. „Wohnen im Leoni-Park“, das wäre sein Slogan für das Areal, „und Leoni zahlt nicht nur das Schild dazu“. Doch frühestens im Jahr 2020 werden die ersten Häuser auf dem alten Fabrikgelände stehen. „Die Industriebrache muss entsprechend überplant werden“, sagt Edelhäußer. „Es ist eine klassische Konversionsfläche mitten in der Innenstadt.“ Die Lage zwischen Schloss Ratibor und Rednitz sei „traumhaft“. Stadtbaumeisterin Lydia Kartmann sieht die Fläche als „prädestiniert für den Wohnbau“ an. „Wir werden den Talraum in die Stadt holen“, verspricht sie.

„Es ist kein einfaches Projekt“, sagt Leoni-Chef Klaus Probst. Die Pläne für den Umzug sind alt. Schon in den 1990er Jahren dachte man über die Optimierung des alten Standorts nach. Damals war Probst selbst Leiter der Rother Fabrik. Manche Gebäude an der Stieberstraße sind fast 100 Jahre alt, das jüngste 25 Jahre. Immer wieder wurde angebaut und gestückelt. Das stellt Arbeitsabläufe und Logistik vor große Herausforderungen. Vor dem Werkstor neben der Kulturfabrik stauen sich die Lastwagen, die neues Material bringen. So ist man international nicht mehr wettbewerbsfähig.

Kein Umbau könnte all diese Probleme beseitigen. „Nur ein großer Schritt kam infrage“, sagt Probst. 2008 entstand dann die Idee, „die Fabrik ein paar Kilometer nach Osten zu tragen“, so Probst. Doch die Lehman-Pleite und der Einbruch in der Automobilbranche verhinderten die Umsetzung. Das Millionenprojekt wurde auf Eis gelegt, aber nicht beerdigt.

„Es hat vier Jahre gedauert. 2012 haben wir erneut Anlauf genommen“, sagt Probst. Erneut verhandelte man mit der Stadt. „Die Gespräche waren nicht immer einfach“, sagt Probst, „aber sie waren konstruktiv.“ Hin und wieder habe man sich gegenseitig schockiert, bestätigt Edelhäußer, aber insgesamt seien die Gespräche fair verlaufen. Und schließlich mündeten sie in der Unterschrift unter den Grundstückskauf.

Der neue Standtort liegt drei Kilometer Luftlinie entfernt vom alten. Probst rechnet nach der Grundsteinlegung 2016 mit 18 Monaten Bauzeit für die „Fabrik der Zukunft“, 2018 soll Schritt für Schritt der Umzug an den neuen Standort über die Bühne gehen. Die Produktion im Dreischicht-Betrieb an sieben Tagen in der Woche muss dabei weiterlaufen. Anfang 2019 soll die neue Fabrik dann vollständig in Betrieb gehen. Roth ist bereits jetzt der größte von weltweit 14 Kabelwerken der Leoni AG. Hier werden vor allem Kabel für die Automobilindustrie produziert. 400 000 Kilometer davon sollen pro Jahr in Roth hergestellt werden. Rund vier Kilometer Kabel stecken in einem modernen Auto. Und mit jedem Parksensor, jedem Spur- oder Fernlichtassistenten kommen weitere Meter dazu.

„Ein gutes Geschäft“, sagt Probst. Deswegen glaubt der Vorstandsvorsitzende auch nicht, dass die Jobgarantie für mindestens 600 Stammarbeiter am Standort Roth jemals zum Ernstfall wird. Leoni hat sich vertraglich verpflichtet, bis 2020 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Im Gegenzug leisten die Mitarbeiter bis dahin kostenlose Überstunden. Statt 35 arbeiten sie 38 Stunden pro Woche. „Ein wichtiger Pakt. Ein einmaliges Zeichen“, sagt Probst, der das gute Verhältnis zu Gewerkschaft und Betriebsrat betont. In Roth gehören derzeit 670 Mitarbeiter zur Stammbelegschaft, 100 sind nur befristet angestellt, dazu kommen 90 Auszubildende. Die Hälfte der Belegschaft arbeitet in der Produktion.