München
Mehr Industrie auf der grünen Wiese

Auflagen für Gewerbegebiete werden gelockert: Freude bei Kommunalpolitikern, Kritik von der Opposition

12.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:33 Uhr

München (DK) Der ländliche Raum bekommt mehr Geld und mehr Freiheiten in der Baupolitik. Letzteres stößt nicht bei allen auf Begeisterung: Die Lockerung des sogenannten Anbindegebots ist umstritten.

Mit breiteren Fördermöglichkeiten und flexibleren Ansiedlungsmöglichkeiten für Firmen will die Staatsregierung den ländlichen Raum stärken. Der Ministerrat verabschiedete gestern eine entsprechende Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP).

Das Kabinett setzt darin auf drei Punkte. Zum einen werden mehr Kommunen als zentrale Orte definiert und können so auf die Ansiedlung bestimmter Infrastruktur - wie Gymnasien, Krankenhäuser oder Supermärkte - hoffen. Derzeit gibt es 831 zentrale Orte im Freistaat - nach dem neuen System sollen 59 weitere Gemeinden in diese Kategorie hochgestuft werden.

Zugleich werden durch das neue LEP deutlich mehr sogenannte Räume mit besonderem Handlungsbedarf geschaffen. Statt bisher 22 Landkreisen fallen künftig 33 Landkreise und 150 zusätzliche Einzelgemeinden in diese Kategorie. Die Kommunen können so von zusätzlichen Fördermitteln profitieren, etwa beim Breitbandausbau oder bei der Wirtschaftsförderung. Finanzminister Markus Söder (CSU) betonte, dass die bisherigen Profiteure durch die neue Konkurrenz nicht schlechtergestellt würden. "Der Kuchen wird größer", versprach er. Auf konkrete Summen legte er sich allerdings nicht fest. Wie viel Geld in die Räume mit besonderem Handlungsbedarf fließen soll, werde in den Haushaltsgesprächen entschieden.

Die Opposition kritisierte die Ausweitung der Fördermöglichkeiten als überzogen. FW-Fraktionsvize Alexander Muthmann sagte, es laufe einiges falsch, "wenn beinahe jeder zweite Ort Ober-, Mittel- oder Grundzentrum ist, wenn halb Bayern Raum mit besonderem Handlungsbedarf ist". Auch die Grünen kritisierten eine "inflationäre Ausweitung", durch die die Steuerungswirkung verloren gehe. Es würden nur "Titel ohne Mittel verteilt", monierte die wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD, Annette Karl.

Für den meisten Widerspruch sorgte aber die Lockerung des sogenannten Anbindegebots. Bisher gilt der Grundsatz, dass neue Gewerbegebiete an bestehende Bebauung angedockt werden müssen. Nun will Söder einige Ausnahmen festlegen: Demnach dürfen an Autobahnausfahrten und vierspurigen Straßen sowie an Bahnlinien künftig Industriegebiete auf der grünen Wiese entstehen. Auch für interkommunale Gewerbegebiete und für große Freizeit- und Tourismusprojekte gibt es Lockerungen. Die Landtagsopposition befürchtet dadurch eine Zersiedelung der Landschaft, noch mehr leer stehende Gewerbeflächen und gravierende Umweltschäden. Ähnlich hatten sich zuvor bereits Umweltschützer geäußert. Zudem besteht die Sorge, dass besonders strukturschwache Regionen ohne Autobahnauffahrt weiter abgehängt werden könnten.

Söder wies die Vorwürfe zurück. "Es ist geradezu absurd zu glauben, dass Bayern zugepflastert wird", sagte er. Der Anteil der bebauten Fläche in Bayern steige bis 2030 vermutlich von derzeit 11 Prozent auf höchstens 12 oder 13 Prozent. "Die Summe der wirtschaftlichen Ansiedlungen bleibt gleich, sie sind nur woanders", betonte Söder, der auf eine Bestätigung des LEP durch den Landtag bis Jahresende hofft.

Kommunalpolitiker aus unserer Region freuten sich über die Lockerung und die damit gewonnenen neuen kommunalen Freiheiten. Die Ansiedlung von Produktionsbetrieben an Verkehrsachsen sei sinnvoll, betonte etwa der Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf (CSU). Allerdings sollten auch Staatsstraßen eingeschlossen werden, um strukturschwache Regionen nicht zu benachteiligen. Außerdem müssten Supermärkte - wie im Kabinettsbeschluss vorgesehen - von der Ansiedlung außerhalb der Ortschaften ausgenommen werden, um die Innenstädte nicht zu schwächen.

Der Kelheimer Landrat Hubert Faltermeier (FW) sagte, eine "Zupflasterung durch wild gewordene Landräte" werde es nicht geben. Stattdessen bestehe nun die Möglichkeit, Bürger vor Lärm- und Schadstoffbelastungen zu schützen. So werde der Lkw-Verkehr in den Ortschaften deutlich abnehmen, wenn Logistikzentren an der Autobahn gebaut werden. ‹ŒKommentar Seite 2