Geisenfeld
"Meditation in der Bewegung"

<DK-XY_trifft>DIE INNERE MITTE FINDEN: </DK-XY_trifft>Michael Müller sieht im Taekwon-Do eine wertvolle Hilfe in Krisenzeiten

04.03.2021 | Stand 23.09.2023, 16:42 Uhr
Tolle Kulisse: Hier trainiert Michael Müller am Seaside Point in Portland Oregon. Der Geisenfelder findet im Taekwon-Do "wertvolle Hilfe für alle Lebensbereiche". −Foto: Privat

Geisenfeld - Die "Innere Mitte finden" ist seit jeher ein Wesenskern vieler asiatischer Sportarten. Im koreanischen Taekwon-Do - von Großmeister Kwon Jae-Hwa 1965 in Europa etabliert und als "Meditation in der Bewegung" beschrieben - wird diese Kunst nachgerade zur Königsdisziplin erhoben. Für Michael Müller aus Geisenfeld ist Taekwon-Do "in allen Lebensbereichen eine wertvolle Hilfe, gerade auch in Krisenzeiten". Womit er nicht nur Corona meint.

Das Wort "Kampfsport" hört der Leiter der Taekwon-Do-Schule, die er seit 2016 mit seiner Frau Sandra an seinem Heimatort betreibt, nicht gern. "Beim traditionellen Taekwon-Do geht es um die Kunst der Körperbeherrschung und der mentalen Stärke", betont er und ergänzt: "Bei der Durchführung der verschiedenen Techniken darf der Sparringspartner im Training nicht einmal berührt werden." Man sei eben nicht leistungs- oder wettkampforientiert, vielmehr gehe es darum, im eigenen Tempo herauszufinden "was mir guttut".

Für den 44-Jährigen ist das Training ein perfekter Ausgleich zum stressigen Alltag. Sobald er die Tür zum Trainingsraum hinter sich schließt, bleiben Sorgen und negative Gedanken draußen. Abschalten, den Kopf frei kriegen, das sei ihm bisher bei keinem anderen Sport gelungen. "Ich habe es ohne Erfolg mit Fitness, mit Joggen und mit Fußball probiert", zählt der zweifache Vater auf und erläutert sogleich, warum gerade Taekwon-Do so hilfreich ist: "Man muss sich zu 100 Prozent auf die Bewegungsabläufe einlassen, sonst gelingen sie nicht." Ähnlich wie beim Tanzen lerne man nach und nach, im eigenen Rhythmus, immer mehr solcher Elemente und immer komplexere Bewegungsabfolgen.

Bis man allerdings so richtig in den Flow komme und regelrechte Glücksgefühle erlebe, brauche es schon ein, zwei Jahre Übung. Als Meister seiner Zunft und Träger des dritten Dan (schwarzer Gürtel), der sogar noch beim eingangs erwähnten Großmeister persönlich in die Schule gegangen ist, weiß der Wirtschafts- und Organisationspsychologe wovon er spricht. Seit 17 Jahren ist er in seinem Sport aktiv und trainiert in der Regel täglich. "Ich bin überzeugt, dass mich das vor psychischen wie physischen Problemen schützt", betont er und verweist auf eine interessante Beobachtung: In den 25 Taekwon-Do-Zentren, mit denen er zusammenarbeitet, sei seit Beginn der Pandemie "nicht ein einziger Coronafall aufgetreten".

Seine Erklärung: Einerseits stärke die Kunst des Fokussierens den Geist, die Resilienz und verhindere depressive Verstimmungen. Andererseits helfe die im Taekwon-Do übliche Kombination aus Aufwärmtraining, Stretchübungen und Elementen der klassischen Physiotherapie nebst asiatischen Techniken wie Chi Gong oder Thai Chi dem Immunsystem. Durch regelmäßiges Training "steigt zudem das Bewusstsein dafür, was mir gerade schadet und was mir gut tut". Taekwon-Do lasse sich eben in seiner Ganzheit auf das Leben außerhalb des Studios übertragen und helfe "Ängste abzubauen, Selbstvertrauen zu gewinnen und flexibel auf Herausforderungen jedweder Art zu reagieren".

Das werde ihm von seinen Schülern (die vom Kind ab vier Jahren bis zur Generation Ü60 allen Altersklassen angehören) immer wieder bestätigt. Und so trainieren sie auch während des Lockdowns fleißig weiter ihre "Hyong" genannten Bewegungsabläufe (derer gibt es 20, aber solange Nord- und Südkorea nicht vereint sind, werden traditionsgemäß nur 19 davon gelehrt). Je nach Infektionsschutz-Auflagen trifft man sich eins zu eins an der frischen Luft, zu festen Zeiten online per Video-Plattform oder eben in Kleingruppen in der Taekwon-Do Schule.

Glücklicherweise brauche man für das Üben zuhause nur rund zwei bis drei Quadratmeter Platz und ein wenig Motivation. Die ist unter anderem durch die Aussicht auf ein Verbandsturnier gegeben, "das wir heuer hoffentlich ausrichten können". Das diene dem sportlichen Austausch und sei gerade für die Jüngeren eine Möglichkeit, von anderen zu lernen und zu sehen, wo sie gerade selber stehen.

PK

Maggie Zurek