Schrobenhausen
"Me too" in einen Roman verpackt

Bettina Wilpert las aus ihrem preisgekrönten Werk "Nichts, was uns passiert" - Abschluss von "Sob liest"

06.05.2019 | Stand 02.12.2020, 14:03 Uhr
Auch Heike Kielsmeier (links), die zum vierten Mal das Schrobenhausener Lesefest organisierte, ließ sich von Bettina Wilpert ihr Exemplar signieren. −Foto: mbs

Schrobenhausen (mbs) Gut besucht war die Autorenlesung mit Bettina Wilpert, die am Samstagabend im Rahmen der Lesewoche "Sob liest" und im Beisein von rund 30 Besuchern stattfand.

Im Blauen Saal der Volkshochschule präsentierte sie ihren Roman "Nichts, was uns passiert".

Bettina Wilpert landete mit ihrem Debüt einen Überraschungserfolg, dazu half auch der Zeitgeist. Mitten in die aufkommende "Me too"-Debatte kam ihre Geschichte von zwei Studenten in Leipzig, die sich, nicht mehr ganz nüchtern, nach einem sommerlichen Fußballabend während der Weltmeisterschaft 2014 näherkommen.

Anna und Jonas kennen sich, aber bislang ist der Kontakt oberflächlich. Aber was geschah dann? Wochen später, also lange nach einem unklaren Ereignis, geht Anna zur Polizei und zeigt eine Vergewaltigung an. Das Umfeld hört davon, betrachtet sowohl Annas Position wie auch die von Jonas, und kann sich kein eindeutiges Bild verschaffen. Es wird geredet und spekuliert.

Bettina Wilpert las vier Passagen aus dem Roman; drei davon wirkten eher atmosphärisch und gaben die Stimmung der Beteiligten wieder, auch unter denen, die von dem Vorfall gehört hatten und ihr Wissen aus Gerüchten unterschiedlich diskutierten. Die vierte Passage hatte einen abweichenden Ton; die Vernehmung bei der Polizei zeigte eher realistischen Charakter und stellte dar, wie Anna auf einen durchaus unsensiblen Beamten trifft und stark verunsichert wird. Zu all diesen Details erläuterte die Autorin, wie sie zu ihrem Stoff gekommen ist - der, wie sie sagt, in keinerlei Hinsicht auf Selbsterlebtes zurückgeht - und wie sie, um dem Thema sachlich und fachlich näherzukommen, verschiedene Recherchen vorgenommen hat: Sie führte Gespräche mit einer Psychologin und auch mit Fachpersonal der Polizei. Der Titel des Buches fand sich in einer knappen Textpassage, der dem Lektorat des Verlags als prägnante Kurzfassung der durchaus offenen Geschichte erschien.

Mit den nahezu 30 Besuchern im Saal ergab sich - moderiert von Franz Josef Mayer, der sich freute eine literarisch so erfolgreiche Nichte vorstellen zu können - eine kurze Gesprächsrunde. Bettina Wilpert studierte neben weiteren Fächern am Literaturinstitut in Leipzig.

Diese Einrichtung hat ihre Historie. Zu Zeiten der DDR wurde im damaligen Johannes-R-Becher-Institut in verschiedenen Formen literarisches Schreiben unterrichtet, dabei wurde der Nachwuchs auch ideologisch angeleitet. Nach der Wende wurde das Institut geschlossen, einige Jahre später aber mit neuer Zielrichtung wieder eröffnet. Namhafte Autoren aus Deutschland und Österreich nehmen sich seither der Entwicklung junger Schriftsteller an.

Diese Szene ermöglicht auch, dass Texte gedruckt werden, hier lag auch die Basis für die Roman-Veröffentlichung. "Nichts, was uns passiert" erschien im Verbrecher-Verlag, einem jungen Berliner Unternehmen, das sich in der Riege der unabhängigen Verlage binnen weniger Jahre einen Namen gemacht hat. Zur Frage nach der Auflage konnte die junge Autorin erfreut konstatieren, dass das Buch schon die dritte Auflage erlebt hat, die Taschenbuch-Ausgabe steht bevor.

Bettina Wilpert, die für ihr Romandebüt mehrere Preise bekommen hat, berichtete kurz von ihrem jüngsten Erlebnis im Literaturbetrieb: Sie gehörte zu den rund 100 Gästen aus der Literaturszene, die mit Blick auf die nächste Frankfurter Buchmesse - dort wird Norwegen das Gastland sein - vom Goethe-Institut nach Oslo eingeladen waren. Sie konnte eine Reihe renommierter Schriftsteller namentlich nennen, und berichtete, wie sie hellhörig darauf achtete, wie sich Feuilleton-Journalisten über Roman-Rezensionen austauschten.

Mit der Lesung von Bettina Wilpert ging gleichzeitig das Lesefestival "Sob liest" zu Ende. Zum vierten Mal hatte Literaturpädagogin Heike Kielsmeier es geschafft, zahlreiche namhafte Autoren zusammenzubringen und den Schrobenhausenern eine Woche geballte Literatur zu bieten. Mit immer mindestens 30 Gästen waren die Abendveranstaltungen gut besucht und der fünften Ausgabe von "Sob liest" steht wohl nichts mehr im Wege - denn wie bemerkte auch Bürgermeister Karlheinz Stepahn bereits bei der Eröffnungsfeier: "Sob liest" sei ja mittlerweile als "fester Baustein im Kulturkalender" zu sehen.