Klingsmoos
Maurer mit Leib und Seele

Der Polier Ferdinand Dilg aus Klingsmoos arbeitete 50 Jahre im selben Betrieb und empfiehlt seinen Beruf weiter

02.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:24 Uhr

Alles im Lot: Ferdinand Dilg aus Klingsmoos hat 50 Jahre lang als Maurer gearbeitet und war auch beim Bau der Kirche beteiligt. - Foto: Richter

Klingsmoos (DK) Die richtige Berufswahl ist oft eine schwierige Angelegenheit. Was macht mir Spaß? Wo kann ich mich verwirklichen? Stimmt das Einkommen? Als Ferdinand Dilg aus Klingsmoos im Kreis Neuburg-Schrobenhausen nach seinem Schulabschluss überlegte, wie es weitergehen sollte, zählten für ihn ganz andere Kriterien. "Die Audi in Ingolstadt war mir zu weit weg, zu groß und unsympathisch. Ansonsten war die Auswahl nicht groß", erinnert sich der heute 63-Jährige, den alle nur als "Ferdl" kennen. Während Handwerker heute händeringend Nachwuchs suchen, mussten die jungen Leute damals froh sein, eine Stelle zu erhalten. "Im Donaumoos hat es noch dazu wenige Fahrverbindungen gegeben, das war schon ein Problem." Also beschloss der "Ferdl" im zarten Alter von 14 Jahren ganz pragmatisch, beim Bauunternehmer Ettenreich im nahen Ehekirchen den Maurerberuf zu erlernen. "Das war nur sechs Kilometer weg, und die habe ich mit dem Radl fahren können."

Zugegeben, diese unkonventionelle Art der Entscheidung hätte ganz schön schieflaufen können. Doch wenn Ferdinand Dilg heute vor einem sitzt, sehen wir einen überaus zufriedenen Mann mit Lachfalten um die Augen. Sein Berufsleben sei "fast optimal" verlaufen - "Kleinigkeiten, die einen stören, gibt es doch immer. Aber ich habe meine Wahl nie bereut." Jetzt, wenige Wochen vor seinem 64. Geburtstag, steht sein letztes Projekt als Polier vor dem Abschluss, der Bau des neuen Evangelischen Gemeindezentrums mit Kirche für Hepberg, Lenting und Kösching im Kreis Eichstätt. Mit der Fertigstellung will er in Rente gehen.

An diesem Mittwoch erhält Ferdinand Dilg eine Ehrenkunde des Freistaats Bayern für jahrzehntelange treue Dienste bei derselben Firma. Arbeitsministerin Emilia Müller wird die Auszeichnung überreichen. Das Problem mit den Fahrgelegenheiten in Klingsmoos hat sich zwar längst erledigt, seit Ferdinand Dilg den Führerschein besitzt, aber es hat ihn nie aus der Heimat fortgezogen. "Ich mag die Konstanz und bin ein eher konservativer Mensch." Seinen Arbeitgeber hat er stets geschätzt. "Hier habe ich mich verwirklichen können."

Die Wertschätzung beruht offenbar auf Gegenseitigkeit. "Es tut wahnsinnig weh, den ,Ferdl' gehen zu sehen", sagt sein Chef Michael Ettenreich. "Er gehört ja praktisch zur Familie." Absolut zuverlässig, gründlich, fast nie krank und menschlich stimmt es auch - so beschreiben sie den scheidenden Polier in der Ehekirchener Firma. Gar nicht so leicht zu ersetzen, "und mit dem Nachwuchs wird es immer schwieriger. Früher haben wir noch 10 bis 15 Bewerbungen im Jahr gekriegt, heute manchmal gar keine", sagt Ettenreich.

Dabei lohnt sich der Beruf, findet Ferdinand Dilg. Nach 50 Jahren als Maurer und Polier muss er es wissen. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Klingsmoos, war er schon als Bub harte Arbeit gewohnt. "Da hat es nach der Schule geheißen: Raus aufs Feld." Heu machen, Kartoffeln legen oder klauben, abends den Stall ausmisten - er kennt die ganze Palette. Wirklich gehasst hat er nur das Unkrauthacken: "Du hast hinten am Acker aufgehört und vorne wieder angefangen." Die Lehre war anfangs kein Honigschlecken: "Damals hat es noch keinen Fertigbeton gegeben, der angeliefert wird." Da hieß es Beton mischen, Löcher schaufeln, Steine schichten oder 50-Kilo-Zementsäcke tragen. "Jeden zweiten Samstag haben wir Lehrlinge im Wechsel die Fahrzeuge waschen, den Hof kehren und das Werkzeug herrichten müssen." Aber der "Ferdl" hatte endlich mal Geld in der Tasche, zunächst nur 120 Mark im Monat, aber immerhin.

Später zum Baustellenleiter aufgestiegen, landläufig Polier genannt, hatte Dilg viele große Projekte zu stemmen, wie Seniorenheime, Gewerbebauten, Kindergärten, Kirchen (auch die in seinem eigenen Heimatort) oder Wohnanlagen. "Oft hat er die Pläne abends mit heimgebracht und daran gearbeitet", erzählt seine Frau Maria. "Da muss halt alles stimmen, die ganze Logistik für den nächsten Tag oder die Woche. Sonst kommt es zum Stillstand", sagt der 63-Jährige im Rückblick. "Ohne den Rückhalt der Familie hätte ich das nicht geschafft. Sie ist mir das Wichtigste." Gleich danach kommt der Fußball, aber das ist eine andere Geschichte.

"Würde er jungen Menschen zum Maurerberuf raten? "Auf jeden Fall", sagt "Ferdl" Dilg. "Du siehst am Abend, was du geleistet hast, trägst Verantwortung, bist draußen in der Natur, spürst die Sonne und den Wind und hörst die Vögel pfeifen - was willst du mehr? Außerdem bin ich mir sicher, dass ein guter Handwerker in ein paar Jahren mehr verdient als Akademiker, weil es kaum noch welche gibt."