Ingolstadt
Massive seelische Verletzungen

Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte erhebt Dienstaufsichtsbeschwerde

08.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:10 Uhr

Ingolstadt/München (DK) Die Bayerische Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte hat Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die verantwortlichen Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde Oberbayern gestellt. Die Abschiebeversuche in Bayern führten zu massiven Verletzungen der seelischen Gesundheit von Kleinkindern.

"Mehrfach mussten in den letzten Wochen Kleinkinder kinder- und jugendpychiatrisch behandelt werden, weil sie durch Versuche der bayerischen Behörden, ihre Familien abzuschieben, massiv traumatisiert wurden", heißt es in einer Presseerklärung der Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte. Als "besonders dramatisch" bezeichnet die Initiative den Fall der kleinen I., deren albanische Familie am 21. März unangekündigt aus der Aufnahme- und Rückführungseinrichtung Manching abgeschoben werden sollte. Gegen die Abschiebung war am Ingolstädter Audi-Kreisel demonstriert worden (DK berichtete). Bei der Aktion hatte die Mutter nach Schilderung der Ärzteinitiative einen Zusammenbruch erlitten, da sie befürchtete, in ihrer Heimat Opfer von Blutrache zu werden. Dem Vater und dem 14-jährigen Bruder, die ihr helfen wollten, seien Hand- und Fußfesseln angelegt worden. Die Abschiebung scheiterte, und die Mutter musste über vier Wochen in der geschlossenen Psychiatrie behandelt werden. Die knapp zweijährige Tochter I. habe auf dieses Erlebnis mit Nahrungsverweigerung und selbstverletzendem Verhalten regiert. Die konsultierte Kinder- und Jugendpsychiaterin habe eine stationäre Behandlung im Kinderzentrum München veranlasst, sie sah das Kind als vital gefährdet an. Wegen einer infektiösen Erkrankung war die Aufnahme dort jedoch nicht sofort möglich; das Mädchen kam mit ihrem Vater wieder in die Rückführungseinrichtung, während die älteren Geschwister in einem Kinderheim in Obhut genommen wurden.

Am 12. April habe die Zentrale Ausländerbehörde erneut die Abschiebung der Familie ohne die Mutter veranlasst. Das vom Vater vorgelegte Attest wurde von den Polizisten ignoriert, erst ein Flughafenarzt in Frankfurt/Main stoppte die Abschiebung. Am Folgetag wurde I. erneut von der Polizei aus der Manchinger Unterkunft abgeholt, diesmal auf Veranlassung des Jugendamtes zu einer ärztlichen Untersuchung, ohne dass der Vater dabei sein durfte. I. kam zunächst in das Kinderheim ihrer Geschwister, dann in eine Pflegefamilie. Inzwischen ist es durch massive ärztliche Intervention gelungen, dass I. mit ihrem Vater gemeinsam im Kinderzentrum München aufgenommen werden konnte.

Eine weitere albanische Familie mit fünf Kindern (das älteste ist 14 Jahre alt), deren Mutter ebenfalls stationär psychiatrisch behandelt werden muss, ist nach den Worten der Ärzteinitiative am 12. April aus Manching ohne die Mutter abgeschoben worden.